Akteur

Hans Hollein
* 1934 Wien 2014 Wien

Besessen, treibend, kämpfend

In den 1960er-Jahren begann er, die Welt der Architektur nach Österreich und österreichische Architektur in die Welt zu tragen. Diesen Sonntag wird Hans Hollein 80 Jahre alt.

29. März 2014 - Franziska Leeb
Diese Beiträge sind spärlichst! Die österreichische Architektur ist in die Fußnoten verdrängt. Während die Tätigkeit der österreichischen Architekten vor 1938 in durchwegs allen einschlägigen Publikationen als äußerst bemerkenswert empfunden wird, (?) findet man offensichtlich, dass später wenig Erwähnenswertes geschah.“ Diese Feststellung traf Hans Hollein, damals knapp über 30, im Jahr 1965, und er selbst trug schließlich wesentlich dazu bei, dass sich dies änderte, Österreich im Diskurs der Architektur-Avantgarde wieder eine Rolle zu spielen begann und zugleich internationale Tendenzen hierzulande publik wurden. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle anlässlich seines 80. Geburtstages seine bis heute nachwirkende Rolle als Impulsgeber gewürdigt werden.

In der Zeit des pragmatischen Funktionalismus der Nachkriegszeit formierte sich eine Architektur-Avantgarde, die gegen eben diesen aufbegehrte. 1962 hielt Hans Hollein in der Galerie St. Stephan seinen grundlegenden Vortrag „Zurück zur Architektur“, in dem er zur Besinnung auf die elementaren Qualitäten der Architektur aufrief. 1964, in seinem ersten Jahr als selbstständiger Architekt, stieß er zur Zentralvereinigung der Architekten, die sich damals in einer Phase des Umbruchs und der Öffnung befand. Wie sich Architekt Franz Kiener, langjähriger Kassier der ZV erinnert, war Hans Hollein, den er als „absoluten Perfektionisten“ beschreibt, die treibende Kraft. Dank seiner frühen Kontakte in die USA, wo er am IIT in Chicago und an der University of California in Berkeley studierte, brachte er neue, einflussreiche Gedanken nach Wien. Die Zentralvereinigung hätte ohne Hollein wahrscheinlich einen etwas anderen Weg gemacht, meint Kiener heute. Die seit 1946 bestehende Vereinszeitschrift „Der Bau“ wurde von einem jungen Team bestehend aus Sokratis Dimitriou, Günther Feuerstein, Hans Hollein, Gustav Peichl und Walter Pichler völlig umgekrempelt und gehörte ab März 1965 sechs Jahre lang unter dem Titel „Bau“ zu den wesentlichsten Architekturmedien des Landes. Die erste Nummer war nach fünf Tagen vergriffen. Zu dieser Zeit entstand das Kerzengeschäft Retti auf dem Kohlmarkt, dessen Zweck „keine simple, mechanische Funktion, sondern Anlass zur Interpretation eines Vorgangs und zur Selbstdarstellung eines Architekten“, also „der erste Hollein“ sei, so Friedrich Achleitner damals.

1968 stand schließlich eine Ausgabe ganz im Zeichen von Holleins Manifest „Alles ist Architektur“. Architekten müssten aufhören, nur in Bauwerken zu denken, postulierte Hollein. Auf das Titelbild collagierte er ein den Stephansdom weit überragendes, riesiges Stück Emmentaler hinter ein Panoramafoto von Wien. „Lassen Sie Ihre Phantasie arbeiten und Ihren Assoziationen freien Lauf“ empfahl das Editorial, und es folgte eine Bildstrecke mit Abbildungen von Entwürfen von Hollein oder Haus-Rucker-Co, Werken von Künstlern wie Christo, Claes Oldenburg oder Marcel Duchamp sowie mit Modefotos, Zeitungsbildern und Computerzeichnungen, mit denen Hans Hollein das Ende der herkömmlichen Definition von Architektur ausrief. Der „Bau“ widmete sich aber auch – entgegen dem Geist der Zeit – historischen Vorbildern wie Rudolf M. Schindler, Friedrich Kiesler oder Adolf Loos.

1971, als die Proponenten zusehends nicht mehr in der Lage waren, die ehrenamtliche Redaktionsarbeit zu leisten, wurde der „Bau“ eingestellt. Hollein blieb weiter im Vorstand der ZV. Nachdem er bereits Ausstellungen im MOMA in New York und in der Chicagoer Richard Feigen Gallery, deren New Yorker Filiale er gestaltet hatte, gehabt hatte, wurde er 1972 mit der Rauminstallation „Werk und Verhalten, Leben und Tod“ Österreichs Vertreter bei der 36. Kunstbiennale in Venedig. Ab 1978 war er Kommissär des Österreich-Pavillons auf der Architekturbiennale, zu deren Direktor er 1996 bestellt wurde. Nach dem Tod Eugen Wörles im Jahr 1996 ging die Präsidentschaft der ZV auf Hollein über, eine Position, die er bis 2007 innehatte. Zu dieser Zeit war er längst das, was man einen „internationalen Stararchitekten“ nennt. Seit den 1960er-Jahren auch in der Lehre tätig, zunächst als Gastprofessor an verschiedenen amerikanischen Universitäten, später in Düsseldorf und schließlich als Meisterklassen-Leiter an der Universität für angewandte Kunst, erhielt er 1985 als bislang einziger Österreicher für sein umfangreiches und vielseitiges Œuvre den Pritzker-Preis. „Seine Grundeinstellung hat mir immer imponiert“, so Architekt Martin Kohlbauer. „An Hollein war nichts Nebuloses, es ging ihm stets um etwas, und einmal Begonnenes hat er mit Sorgfalt zu Ende geführt.“

Als einer, der keine Tages- und Nachtzeit gekannt habe, sei er als Einziger der berühmten Wiener Architekten immer bei vielen Veranstaltungen präsent und stets bestens informiert gewesen. Wie Kohlbauer bekam auch Marta Schreieck 1980 als Studentin die Gelegenheit, in den Vereinsräumlichkeiten in der Salvatorgasse ihre Arbeiten auszustellen. Seit sechs Jahren ist sie Holleins Nachfolgerin als Präsidentin. Als Studentin von Roland Rainer an der Akademie der bildenden Künste wurde sie von einer völlig konträren Schule geprägt. Hollein hat sie als ZV-Präsidenten schätzen gelernt. Sein Beitrag zur Internationalisierung sei nicht hoch genug zu würdigen: „Ich war immer beeindruckt von seiner Besessenheit, Intensität und Genauigkeit, wobei er durchaus Widerspruch vertragen hat.“

Zum fünften Geburtstag des „Bau“ bemerkte Hans Hollein über die Usance, Jubiläen zu begehen: „Daß irgendetwas vor 100 Jahren geschehen ist, bedeutet nicht unbedingt eine Stimulation . . . Deshalb hat es Bau nicht immer für nötig befunden, Jubiläen zu feiern“. Sein Achtziger wird dennoch zu Recht mehrmals Anlass zu Feierlichkeiten sein. Kommenden Donnerstag zollt ihm das Architekturzentrum Wien mit einem Festvortrag von Peter Weibel Tribut. Ab April richtet das Museum Abteiberg in Mönchengladbach seinem Entwerfer eine Ausstellung aus, im Juni folgt eine große Schau im Wiener MAK. Zur Einstimmung sei die Lektüre des „Bau“ und weiterer Schriften Hans Holleins besonders empfohlen.

Herzlichen Glückwunsch zum 80. Geburtstag!

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