Akteur

Friedrich Achleitner
* 1930 Schalchen, Oberösterreich 2019 Wien

Architektur als Brotberuf, Literatur zur Erholung

Der bedeutende Architekturkritiker und Sprachkünstler Friedrich Achleitner wird am Samstag 85.

22. Mai 2015 - Peter Grubmüller
Gespräche mit Friedrich Achleitner sind immer zu kurz. Er ist ein Universalgescheiter, dessen Klugheit in einfachen, geschliffenen Sätzen den Nebel akademischer Analysen aufklart. Mit seiner mehrbändigen Dokumentation „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ hat er ein einzigartiges Nachschlagwerk heimischer Baugeschichte geschrieben. Als Mitbegründer der „Wiener Gruppe“ (1957) zettelte er zusammen mit H. C. Artmann Gerhard Rühm, Oswald Wiener und Konrad Bayer eine sprach-experimentelle Revolution an. „Zumindest dachten wir ,dass die Konkrete Kunst auch in der Poesie anwendbar ist. Wahrscheinlich haben wir uns geirrt“, sagte Achleitner im OÖN-Gespräch anlässlich der Mostdipf-Verleihung 2011. Am Samstag wird Friedrich Achleitner 85 Jahre alt.

Ein Jahr lang kämpfte Achleitner zuletzt gegen eine Viruserkrankung. Das Gehen fiel ihm schwer, er vergaß Namen, er konnte nicht mehr lesen und schreiben. Jetzt hat er sich erholt, trotzdem – so sagt er – könnte sein jüngstes Buch „wortgesindel“ (Verlag Zsonlay), in dem er sein 60-jähriges Maturatreffen beschreibt, sein letztes gewesen sein. Aber sicher sei das nicht.
Flucht nach Wien

Achleitner wurde 1930 in Schalchen im Innviertel geboren. Er spürte bald, dass er weg wollte aus dieser Umgebung: „Ich erinnere mich, dass wir im Krieg bei Luftangriffen die Fenster verdunkeln mussten und mit neun Jahren hab’ ich zu meinem siebenjährigen Bruder gesagt: ,Du verdunkelst, dir gehört die Bude!‘.“ Nach der Gewerbeschule in Salzburg flüchtete er zum Architekturstudium nach Wien. Gebaut hat er dennoch nichts, „weil ich dafür zu weich war“. Der notwendigen Härte gegenüber Bauherrn und sich selbst („weil die Handwerker schon um sechs Uhr anrufen“) fühlte er sich nicht gewachsen. In den späten 50er-Jahren überlegte er, für immer in Finnland, diesem Wunderland der Architektur, zu bleiben. „Damals erschien unser Dialektband ,hosn rosn baa‘. Rühm rief mich an, dass ich kommen muss, weil es jetzt losgeht. Aber es ist eh nix losgegangen.“ Was die „Wiener Gruppe“ damals an Sprachkunst und Montagetechniken ausgeheckt hatte, sickerte bald in die Werbung ein. „Akutelle Fernsehspots“, sagt Achleitner, „sind unsere damaligen Ideen mit der Technologie von heute“.

Architektur sei stets sein Brotberuf gewesen, Literatur seine Erholung. Früh versuchte er, als Literat zu leben, „aber das war mit Konkreter Poesie nie möglich. Damals meldete sich die Abendzeitung mit dem Angebot, Architektur-Kritiken zu schreiben, damit war das Radl in Bewegung.“

Bis 1998 hatte Achleitner den Lehrstuhl für „Geschichte und Theorie der Architektur“ an der Wiener Universität für angewandte Kunst inne, 2009 wurde er siebentes Ehrenmitglied der Wiener Secession, 2010 Ehrendoktor der Linzer Kunstuni, 2011 erhielt er den Watzlawik-Ehrenring. Nicht als Architekturpapst oder Sprachkünstler möchte er beschrieben sein, sondern als jemand, „der Mauern des Unverständnisses niederreißen will“. Alle drei Beschreibungen stimmen.
[ Ö1 sendet am 23. Mai (22.05 Uhr) „Nachtbilder“ mit Achleitners Band „wortgesindel“. ]

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Friedrich Achleitner, Pressebild: Lukas Beck © Paul Zsolnay Verlag