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Flüchtet vor dem iPod!
Der Standard

Ohne Big Brands würde seine Architektur gar nicht existieren. Doch gleichzeitig führt er Krieg gegen den Kommerz: Eric Owen Moss. Gespräch mit einem Hin- und Hergerissenen.

20. Mai 2006 - Wojciech Czaja
In einem Vortrag sagte er kürzlich: „Los Angeles ist zwar die Stadt der Architekten, aber nicht die Stadt der Architektur.“ Und in der Tat, in der Welt der großen Filmsternchen und der noch größeren Konzerne zu bauen gehört in der Branche der Raumträumer mittlerweile zum guten Ton. Nicht wenige Architekten beugen sich diesem reputationskapitalistischen Diktat.

Architekt Eric Owen Moss ist so einer. Selbst in Los Angeles geboren, wütet er heute quer durch die Stadt (und auch durch viele andere Städte) und baut für langjährige und treue Bauherren ein Bauwerk nach dem anderen. Zu den Auserwählten gehören betuchte Privatkunden, Museumsbetreiber und Fakultäten, vor allem aber Big Brands wie beispielsweise Kodak oder Sony. Und dennoch: Das Leben in L.A. ist hart. Auch für EOM - wie sich der dreinamige Architekt gerne selbst bezeichnet.

Vielleicht ist genau das der Grund, weshalb unter einigen anderen ausgerechnet auch EOM als Vortragender für die Post-Graduate-Lehrgänge an die Universität für angewandte Kunst eingeladen wurde? Unter dem Titel „Urban Strategies“ können die hiesigen Studenten für die Dauer von drei Semestern auf ihren späteren Job in den brutalen Mühlen vorbereitet werden. DER STANDARD hat Eric Owen vors Mikrofon gebeten: Wie kann man vom Kapitalismus profitieren? Gibt es noch Visionen im abgekarteten Global Commerce? Und wie lebt es sich überhaupt in der iPod-Generation?

STANDARD: Der Name Eric Owen Moss fällt oft in Verbindung mit großen US-Unternehmen. Sind Sie ein Architekt des Brandings und der Marktwirtschaft?
Eric Owen Moss: Allein schon ein Blick auf die Architekturszene zeigt die wahren Verhältnisse: iPod, Nokia, Motorola oder Kodak. Auf der einen Seite gibt es den iPod-Architekten, auf der anderen Seite gibt es den Motorola-Architekten. Und für mich gilt: Schaut her, ich habe meine Handschrift bei Kodak hinterlassen! Es ist cool, sich mit einer Marke schmücken zu können. Kids machen das auf ihren Sweatern und Schuhen, Architekten machen das in ihrem Werkverzeichnis. Und die Presse springt ihnen wohlwollend hinterher. Nein, ich mag Branding nicht, ich finde Branding sogar schrecklich. „War on Terror“ - das ist ein Brand. Solche Markennamen sind in meinen Augen sehr gefährlich. Aber wahrscheinlich unterstütze ich sie insofern, als ich dieses System nicht boykottiere. Schließlich ist Architektur mein Job.

Die Projekte für Ihren langjährigen Bauherrn Frederick Samitaur Smith sind in Peter Noevers Buch „Visionary Clients for New Architecture“ vertreten. Verlangt Ihre Architektur nach visionären Auftraggebern?
Moss: Keine Ahnung. Es wäre leicht, jetzt ganz einfach Ja zu sagen. Aber das macht uns beide wahrscheinlich nicht glücklich. Daher hole ich aus und frage zurück: Was bedeutet visionär? Derzeit heißt es in Amerika, das Land sei voller Visionen, und man spricht vom so genannten „New Urbanism“. Soll ich Ihnen was sagen? Der so cool beworbene New Urbanism ist purer Nonsens! Da hat man ganz einfach nur einen hübschen Begriff verwendet, um endlich einmal von der nicht enden wollenden Ausbreitung der Suburbs abzulenken. Die Suburbanisierung hat in Amerika niemand mehr im Griff, sie breitet sich aus wie ein Krebsgeschwür. New Urbanism - ha! Und gleichzeitig stirbt eine historische Stadt wie New Orleans. Diese Stadt ist von den Vereinigten Staaten ganz einfach aufgegeben, verlassen, vergessen worden.

Sehen Sie in einem so treuen Bauherren wie Smith so etwas wie die Rolle eines Mäzens?
Moss: Wenn man für Smith arbeitet, dann arbeitet man gleichzeitig erstens für viele Menschen und zweitens bereits für die Presse. Und wenn Sie von Smith sprechen, dann können Sie auch gleich von Sony, AOL, Nike oder Kodak sprechen. Das erklärt vieles. Smith ist ein gutes Beispiel für einen Unternehmer, der Markenarchitektur einkauft, so wie andere Jeans kaufen. Aber ich weiß nicht, ob Smith ein Mäzen im klassischen Sinne ist, denn er profitiert vom Architekten in ähnlicher Weise, wie der Architekt von ihm profitiert. Was er betreibt, ist Architektur mit einem Etikett - das Label ist stets gut ersichtlich.

Sie werden schwach gegenüber Ihren persönlichen Prinzipien?
Moss: Ich denke, dass Architekten grundsätzlich immer schwach sind. Sie versuchen permanent, auf irgendeinen Zug aufzuspringen. Hier ist die Rede von Metabolismus, was eigentlich den Stoffwechsel bezeichnet. Da ist die Rede von Dekonstruktivismus, was eigentlich eine literarische Bewegung rund um Jacques Derrida und um seine Gesinnungsgenossen ist. Und dort spricht man wiederum von der Postmoderne, und diese ist in erster Linie eine philosophische Sichtweise auf das Leben. Sie sehen: Technik, Literatur, Philosophie, Politik und Biologie - sie alle geben den Ton an und rennen der Architektur schnurstracks davon! Vielerorts ist es einfach nur ein ganz eigenartiges Hinterherhecheln, was die Architekten so betreiben und glauben, erfunden und entdeckt zu haben. Man schnappt eine Idee auf und kommt eigentlich sehr bequem an sein Ziel.

Wie bequem ist das Leben eines Eric Owen Moss?
Moss: Es ist schon ein eigenartiges Leben als Eric Owen Moss. Heute hier, morgen dort. Man schwirrt durch die Weltgeschichte, hält jeden zweiten Tag einen Vortrag, jeden dritten Tag bläst man sich auf und verhandelt mit Kunden. Es ist ein Leben zwischen First Class und Business Class. Dieses kosmopolitische Leben birgt eine große Gefahr, mitunter verliert man leicht den Boden unter den Füßen. Denn wenn man ständig an vielen Orten gleichzeitig arbeitet und an jedem dieser Orte neu ist, neigt man sehr leicht dazu, redundant zu werden und sich nur noch selbst zu zitieren. Sie erzählen und bauen immer das Gleiche, Sie reproduzieren nur noch, doch das Publikum ist fortan begeistert. Der Einzige, der irgendwann aufhört weiterzulernen und sich weiterzuentwickeln, sind Sie! Es kostet mich viel Energie, dieser Spirale nicht zu verfallen.

Eric Owen Moss ist den Leuten ein Begriff. Welche Auswirkung hat Ihre Bekanntheit auf die Arbeitsweise? Das Risiko zu enttäuschen wird in dünner Luft immer höher.
Moss: Alle wollen immer nur wissen: What's next? Es geht niemanden etwas an, was als Nächstes kommt. Und daher nehme ich auch keine Rücksicht darauf. Es ist mir egal, wenn ich jemanden enttäusche. Viel wichtiger ist mir, nicht mich selbst zu enttäuschen. Wie ich gerade gesagt habe - das Traurigste überhaupt ist, wenn man beginnt, sich selbst zu zitieren. Also weg mit den Erwartungshaltungen!

Wie machen Sie Ihren Studenten klar, dass sie sich von diesen Erwartungshaltungen distanzieren sollen?
Moss: Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht in diese gähnend langweiligen, intellektuellen Diskussionen verfällt, denn sie bringen nichts. Ganz im Gegenteil, Sie müssen Studenten wachrütteln und sie anschreien, damit sie aus ihrem iPod-Schlaf endlich aufwachen! Alle rennen mit diesen weißen Stöpseln im Ohr herum, sind am Handy festgekettet und laptoppen im Stehen und Gehen. Das sind Abonnenten des puren Kapitalismus! Ich sage Ihnen einmal etwas aus meinem ganz verklärten, historistischen US-Blickwinkel auf diese Stadt Wien, die auch schon längst vom Starbucks-Geschwür aufgefressen ist: Wien ist mittlerweile so eine bequeme Großstadt geworden wie jede andere Stadt auf der Welt auch. Sie ist brav und fett geworden. Peter Noever war einst ein gefährlicher Mann, und das wäre er gerne immer noch. Doch das war einmal. Man muss endlich wieder alles daran setzen, dass die Zukunft von diesem geschichtsträchtigen Raum zwischen Wien und Bratislava nicht einzig und allein auf Kommerz basiert. Wenn es nicht gelingt, wieder kritische - also wientypische - Perspektiven zu gewinnen, dann wird diese Stadt nie wieder einen Freud oder Wittgenstein hervorbringen. Das Rezept lautet also: Flüchtet aus dem System, wenn ihr erfolgreiche Architekten werden wollt!

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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