Artikel

Schlachtfeld Augarten
Der Standard

Im barocken Garten ist es alles andere als still. An der Front wird gekämpft.

17. März 2007 - Wojciech Czaja
Das Vogelgezwitscher und die Pracht der barocken Gartenarchitektur sind ohne Zweifel die hübscheste Facette des Augartens. Doch hinter den Kulissen ist die ansonsten ruhige Insel inmitten des dichten Stadtgetöses in den vergangenen Jahren und Monaten zu einem regelrechten Schlachtfeld mutiert. Für das Areal rund um den so genannten Augartenspitz liegen zurzeit gar drei Projekte vor.

Begonnen hat dieses Augarten-Posse bereits vor fünf Jahren, als Ernst Kieninger, Leiter des Filmarchivs Austria, das Architekturbüro fasch&fuchs um einen Konzeptentwurf für zwei Kinoräume und ein anschließendes Open-Air-Kino gebeten hatte. „Ziel war es, so wenig wie möglich ein herkömmliches Gebäude im sensiblen Augarten entstehen zu lassen“, erklärt Jakob Fuchs das architektonische Konzept. Das Resultat ist eine Art begrünter Hügel, der nur an der Seite erkennen lässt, dass hier Architekten am Werk waren. „Bis vor wenigen Monaten wussten wir selber nichts davon, dass unser Projekt bereits der Vergangenheit angehört“, sagt Fuchs gegenüber dem Standard.

Warum dies so ist, erklärt sich am besten anhand der medial ausgetragenen Schlacht zwischen den Wiener Sängerknaben und dem Filmarchiv Austria in Kooperation mit der Viennale. Die einen wollen das Eck für sich beanspruchen, um darin einen Aufführungssaal für die singenden Matrosen unterzubringen, die anderen träumen davon, das in der Erhaltung völlig überteuerte Stadtkino aufzulassen, um es im Augarten neu anzusiedeln.

Die Vision des Filmarchivs Austria basiert auf einem Entwurf der Architekten Delugan Meissl, der aus einem kleinen, geladenen Wettbewerb hervorgegangen ist: zwei Kinosäle mit insgesamt 230 Sitzplätzen, Shops und Gastronomie. „Hier kann eine Architektur entstehen, die weder Denkmal noch Monument sein will“, sagt Architekt Roman Delugan, „stattdessen kann der Entwurf als zeitgemäßes Statement wirksam werden.“ Auch Delugan Meissl haben ihr Projekt in der Erde vergraben. Alles in Passivhaus-Bauweise, äußerst fesch außerdem, doch eine gewisse Affinität zu dem in die Jahre gekommenen Entwurf von fasch&fuchs lässt sich nicht von der Hand weisen.

Gekrönt wird die Schlacht um den Augarten vom Sängerknabensaal aus der Feder der Archipel-Architekten. Architekt Johannes Kraus erklärt das 430 Zuschauer fassende Konzertgebäude wie folgt: „Gleich einem geschliffenen Smaragd dockt der schlanke, kristalline Baukörper am Ufer des Augartens an. Die gläserne Spitze des Konzerthauses bildet eine Vitrine in den Stadtraum.“ Hier sollen die Sängerknaben singen, musizieren und proben; nebenbei soll die Stätte als neue Heimstätte des Wiener Kindertheaters fungieren.

Wie geht es weiter? Ratlosigkeit. Das Projekt von fasch&fuchs ist angesichts der Bauherren-Entscheidung offensichtlich für tot erklärt, Delugan Meissl (Baukosten 6 Millionen Euro) und Archipel (Baukosten 10 Millionen Euro) stehen nun an vorderster Front. Eine endgültige Entscheidung für das eine oder andere Projekt steht noch aus. Nur so viel: Das Team rund um Filmarchiv Austria und Viennale bemüht sich zurzeit um eine Finanzierung, die Sängerknaben hingegen stehen in der hohen Gunst des deutschen Mäzens und Investors Peter Pühringer. Auf die kongeniale Idee, Sängerknaben-Spielstätte und Kinokomplex in einem Gebäude zu kombinieren, war man schon vor Jahren gekommen. Unter Umständen wäre diese Alliance imstande, den gordischen Knoten zu zerschlagen und das Kriegsbeil endlich zu begraben. Doch davon will Pühringer nichts wissen. Ende März werde man den Konzertkristall einreichen.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: