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Design auf Irrwegen
Der Standard

Viele Fertighaus-Hersteller schmücken sich mit großen Designernamen. Doch hinter Pininfarina, Colani und Co lauert bisweilen der ganz normale Wahnsinn.

1. September 2007 - Wojciech Czaja
Mit dem Herbst naht die neue Bausaison. Architekten und Baumeister arbeiten auf Hochtouren, Baugruben werden ausgeschaufelt, Kellerwände betoniert, abertausende Euros wechseln ihren Besitzer. Dabei wird oft vergessen: Ein Haus zu bauen ist auch für den Bauherrn ein Fulltimejob. Viele sind der psychischen Belastung nicht gewachsen und greifen daher zur Architektur aus der Instant-Packung - zum Fertighaus. An die 4500 Fertigteilhäuser werden jährlich verkauft, damit ist nahezu jedes dritte in Österreich errichtete Haus ein Fertighaus. Die meisten davon stehen in Niederösterreich.

Dass der Fertigteilbau durchaus Tradition hat, ist angesichts der oft schauderhaften Einfamilienhaus-Varianten längst in Vergessenheit geraten. „In der Antike ließen die Griechen Wandelemente für den Tempelbau in den Kolonien Kleinasiens vorfertigen“, erklärt Christian Muhrhammer, Geschäftsführer des österreichischen Fertighausverbandes, „Leonardo da Vinci entwickelte ein vorgefertigtes Bürgerhaus, und die ersten englischen Siedler Nordamerikas hatten fertige Wandelemente auf ihren Schiffen mit dabei.“

Was mit großen Namen begann, muss mit großen Namen fortgesetzt werden. Immer wieder greifen Fertighaus-Unternehmen daher zu dem, was sie Stararchitekt oder weltberühmter Designer nennen, und lassen sich von diversen namensschweren Herrschaften (ja, es sind ausschließlich Männer, die hier herhalten dürfen) einen Entwurf anfertigen. Im Endeffekt ist es nicht anders als bei Karl Lagerfeld und seiner Billigkollektion für H & M. Luigi Colani zeichnet für Hansehaus, Matteo Thun für Griffnerhaus, Gustav Peichl für Hanlo und Pininfarina für den Marktgiganten Elk. Doch während man sich bei diesem Name-Dropping in höchster Gestaltungsqualität zu besten Preis-Leistungs-Verhältnissen zu wähnen glaubt, belehrt einen ein genaues Hinsehen eines Besseren.

„Wir wollten ein modernes Haus entwickeln, das in unverwechselbarer Stilgebung unsere Produktpalette nach oben hin abschließt“, sagt Andreas Toifl, Marketingleiter der Elk Fertighaus AG, „natürlich richtet sich das Projekt von Pininfarina in erster Linie an eine besser verdienende Klientel.“ Zur Klarstellung: Wir sprechen hier von 350.000 Euro - ohne Keller, wohlgemerkt. Toifl: „Wir wollen mit dem Haus vor allem Kompetenz zeigen. Es geht nicht darum, das Haus möglichst oft zu verkaufen, sondern aufzuzeigen, wozu man als Hersteller imstande ist.“ Wer Kompetenz an den Tag legt, der könne auch die kleineren Produkte besser verkaufen.

In der Regel ist Pininfarina der Meister schnittiger Karosserien, denen im Windkanal in anschmiegsamen Liebkosungen unverkennbar italienische Form verliehen wird: dem Alfa Spider, dem Ford Focus Cabrio, dem Maserati Quattroporte. Das Modell „elk.arte“ mit seinen wahlweise 150 bis 230 Quadratmetern wirkt dagegen etwas - nennen wir es einmal - stämmig. Mehrere Bauteile gruppieren sich um ein zentrales Vorzimmer und werden von wilden Pultdächern abgedeckt. Besonders auffällig ist der sechseckige Annexbau, in dem sich das so genannte Family-Center befindet: Wohnzimmer, Küche, Essplatz, Kamin. Ist das etwa Design aus norditalienischer Feder?

„Natürlich muss man im Laufe eines Industrialisierungsprozesses einige Kompromisse schließen. Es hätte ja keinen Sinn, ein Kunstwerk zu machen, das sich dann niemand leisten kann“, erklärt Francesco Lovo, Chefdesigner bei Pininfarina Extra, auf Anfrage des Standard, „aber um ehrlich zu sein, gab es in dieser Zusammenarbeit sehr viele Kompromisse. Elk hat unseren Entwurf wieder zu einem sehr traditionellen Haus zurückgeführt.“ Doch Lovo sieht der Wahrheit ins Auge: „Es ist wie immer bei großen Namen: Im Vordergrund stand nicht ausschließlich der Wunsch nach einem Haus von Pininfarina, sondern wahrscheinlich eher der Wunsch nach einer bekannten Marke, mit der man in Folge werben kann.“

Dass es sich mit großen Namen - zumindest imagemäßig - besser lebt, beweist auch der Fertighaus-Produzent Griffnerhaus. Vor mehr als zehn Jahren hatte Matteo Thun für das österreichische Unternehmen das erste „Designerhaus“ skizziert, bis heute ist das Pultdach-Modell „O sole mio“ vielen Österreicherinnen und Österreichern ein Begriff. „Am Anfang hat man mit Matteo Thun automatisch Griffnerhaus verbunden“, sagt Bettina Walten, Marketingchefin bei der Griffnerhaus AG, „es hat sich zu Beginn zwar nicht sehr oft verkauft, aber es war die ganze Zeit über das Zugpferd unseres Unternehmens.“ Dass der Verkauf in Österreich im Gegensatz zu Deutschland und der Schweiz eher schleppend vonstatten gegangen ist, hängt nicht zuletzt mit der österreichisch-provinziellen Bauordnung zusammen. Wer kein Satteldach überm Kopf will, der darf in vielen Gemeinden nicht bauen. Punktum.

Die Häuser aus Designerhand sind durch die Bank teurer. Aufgrund von Konstruktion, technischem Aufwand und Markennamen sind im Schnitt bei allen Herstellern gut 25 bis 30 Prozent an Mehrkosten draufzuschlagen. Hinzu kommt der übliche Fertighaus-Definitionsparcours mit Rohbau, Ausbau, Keller und Schlüsselfertigkeit. Wer es fixfertig haben will, der muss dann schon tief in die Tasche greifen. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass in Gänserndorf schon seit etlichen Monaten ein Hanlo-Fertighaus - ein Entwurf von Gustav Peichl - um 400.000 Euro samt Grund auf einen Käufer wartet. „Peichl ist zwar eine Super-Geschichte, aber schon lange nicht mehr am Puls der Zeit“, sagt Hanlo-Marketingleiterin Karin Trummer, „das Peichl-Haus wurde schon seit Ewigkeiten nicht mehr verkauft.“

Der Appell am Beginn der Bausaison soll daher lauten: Fertighäuser haben durchaus ihre Berechtigung. Kaufen und Bauen geht schnell voran. Oft ist es sogar billiger. Und man muss sich nicht wahnsinnig anstrengen, um bald mit Sack und Pack einziehen zu können. Wem diese Bequemlichkeit wichtig ist, der hat sich richtig entschieden. Doch wer mit dem Gedanken spielt, 300.000 Euro oder mehr in einen scheinbar innovativen Designerkasten zu investieren, der ist bei einem Architekten zweifelsohne besser aufgehoben. Wenn man schon viel Geld zahlt, dann darf man sich auch das Recht herausnehmen, sich nicht mit Konfektionsgröße herumplagen zu müssen. Zum Wohl der Baukultur.

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