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Die soziale Kompetenz der Zukunftsstadt
Der Standard

Erstmals richtete die Wiener Förderungsstelle departure ihren Fokus auf Forschungsthemen im Bereich Architektur. Seit gestern, Freitag, sind die zehn Preisträger bekannt. Interessant: Es dominiert der öffentliche Raum.

17. Januar 2009 - Wojciech Czaja
Wien - Die Idee ist perfekt, maßgeschneidert für eine Stadt wie Wien. Architekt Clemens Mayer und Rechtsanwalt Lukas Aigner haben ein Hängebalkonsystem entwickelt, das mit wenigen Handgriffen einfach vor die Fassade gehängt werden kann. Den Prototypen für den so genannten Easybalkon gibt es schon seit einigen Jahren. Nun soll das Produkt bis zur Serienreife weiterentwickelt werden. Geht alles nach Plan, soll der Konsument schon in wenigen Jahren die Möglichkeit haben, Produkt, Planung und lästige Behördengänge bei der Easybalkon GmbH aus einer Hand einzukaufen. Ab 5000 Euro ist man dabei.

Das Förderprogramm von departure, Tochter des Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF), macht's möglich. Im Sommer letzten Jahres wurde erstmals ein eigener Themencall für Forschungsprojekte aus dem Bereich Architektur ausgeschrieben. Am Freitag wurden nun jene zehn Projekte vorgestellt, die eine Fachjury unter Vorsitz von Andres Lepik (Museum of Modern Art, New York) für förderwürdig erachtete. Das Gesamtfördervolumen beläuft sich auf 1,13 Millionen Euro.

„Die Bandbreite der eingereichten Projekte gefällt mir sehr gut“, erklärt departure-Geschäftsführer Christoph Thun-Hohenstein. „Es fällt deutlich auf, dass viele Architekten über eine hohe soziale Kompetenz verfügen.“ Und so zieht sich durch einige der Siegerprojekte unübersehbar ein roter Faden. Der Schwerpunkt, der die Zunft derzeit zu beschäftigen scheint, ist der öffentliche Raum, der Freiraum, die Kluft zwischen privatem Bürger und politischer Stadt.

Architekt Florian Haydn will die sozialen Beziehungen und Nachbarschaftsnetzwerke in der Stadt untersuchen. Das Wiener Büro nonconform bastelt an einer Web-Plattform, auf der sämtliche Bewohner einer Gemeinde ihre Ideen für künftige Projekte und Entwicklungen präsentieren können. Und Michael Wallraff beispielsweise (siehe Foto) begibt sich in seinem Forschungsprojekt „Der vertikale öffentliche Raum“ auf die Suche nach neuen ökologischen und gesellschaftlichen Freiraumressourcen.

„Die Städte werden immer dichter und privatisierter, gleichzeitig schrumpfen die allgemeinen Freiflächen, auf denen Stadtbewohner einander begegnen können“, sagt Wallraff, und bietet seinen persönlichen Lösungsansatz. In Zukunft sollen Grünflächen an der Fassade emporwachsen, sollen Wiesen am Dach sein, sollen städtische Plätze in die dritte Dimension verlängert werden. Die Forschungsdauer aller Projekte beträgt bis zu drei Jahre.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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