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Wohnen zwischen guten Wellen
Der Standard

Das Haus am Fuße des Pöstlingbergs ist umgeben von Staub und Lärm. Architekt Siegfried Meinhart ließ sanftes Händchen walten und verwandelte den Sechzigerjahre-Bau in eine Bleibe für Mensch und Chi.

17. Oktober 2009 - Wojciech Czaja
Hektisch erobern die Autokolonnen den Linzer Pöstlingberg. Die Straße vibriert, die Reifen quietschen, und über allem liegt ein großes graues Rauschen. Mit silbrig glänzenden Schindeln aus Edelstahl schottet sich der sanierte Sechzigerjahre-Bau gegen die nicht ganz so gemütliche Umgebung ab. Von der inneren Ruhe des Hauses ist hier draußen wenig zu spüren.

Doch kaum ist man über die Schwelle getreten und hat hinter sich die Tür ins Schloss fallen lassen, entfaltet sich das, was Bauherren und Architekt so einstimmig als gute Energie bezeichnen. „Wir waren von Anfang an auf einer Wellenlänge“, sagt Architekt Siegfried Meinhart, „noch bevor der erste Strich gesetzt wurde, haben wir uns darüber unterhalten, was heilsames Wohnen ist und wie man so einen Zustand unter diesen Bedingungen erreichen kann.“

Das Gespräch führte zu fruchtenden Resultaten. 1999 fand der erste Umbau statt. Damals wurde das alterschwache Schmuckstück aus dem Jahr 1962 generalsaniert, wärmegedämmt und barrierefrei auf Vordermann gebracht. Zehn Jahre später wurde der längst zum Freund herangereifte Architekt erneut in die Pflicht genommen. Nachdem sich das Konto erholt hatte, sollten nun Vorzimmer und Küche optimiert werden. Außerdem wünschten sich die Bauherren einen Therapie- und einen Meditationsraum.

„Wir könnten es uns einfach machen und behaupten, dass uns die unsanierten Zimmer nicht mehr gefallen haben“, sagt Herr S., „doch die Wahrheit ist, dass zwischen den alten und neuen Räumen unserem Gefühl nach das energetische Gleichgewicht nicht mehr gepasst hat.“ Der Balanceakt ist vollzogen: Um das 20 Quadratmeter große Vorzimmer mitsamt originalem Terrazzoboden in den Wohnbereich miteinzubeziehen, wurde die Trennwand zur Küche entfernt. Eine Bank aus Eichenholz schafft die Verbindung zwischen Sixties und Gegenwart.

Das Schwarz-Weiß der gesprenkelten Steinfliesen floss in die Küchenmöblierung ein. Die schwarzen Pigmente konzentrieren sich auf Rückwand und Kühlschrankverbau, das strahlende Weiß fand Niederschlag in einem Arbeitsmöbel aus durchgehendem Corian. „Billig war die Küche nicht“, meint Frau S., „aber dafür haben wir ein robustes und ästhetisches Möbel auf Lebenszeit.“

Künstliche Abenddämmerung

Größtes Manko in diesem Bereich war das Licht. „Das bestehende Betonglasfenster wollten und durften wir nicht ändern“, erklärt Meinhart, „das ist eine Arbeit von Ernst Reischenböck und gilt mittlerweile als Linzer Kulturdenkmal.“ Um die Lichtsituation trotzdem zu verbessern, zog der Architekt eine Beleuchtungsdecke ein. Mit zwei voneinander getrennten Schaltern lässt sich der Anteil an kaltem und warmem Licht individuell steuern. „Auf diese Weise haben die Bauherren die Möglichkeit, die Lichtstimmung der jeweiligen Tageszeit anzupassen.“

In die tragende Mauer zwischen Wohn- und Vorzimmer wurde ein Kamin eingebaut, der von beiden Seiten durch Glastüren zugänglich ist. Lauschig flackerndes Licht legt sich in den kalten Wintermonaten über die vielen Kunstwerke, die im Haus S. Auge und Sinn verwöhnen. Eva Schlegel hängt an der Küchenwand, Gunter Damisch baumelt auf seidenen Fäden vor dem Terrassenfenster im Wohnzimmer, Arnulf Rainer indes ziert mit kräftig blauen Strichen den Ort der Stoffwechselentleerung.

Therapie- und Yoga-Raum

Wer sich von der vielen Muse erholen muss, kommt im ausgebauten Kellergeschoß voll auf seine Kosten. „Früher haben wir den Keller als Lagerraum genutzt“, sagt Herr S., „erst als wir im Zuge des Umbaus dreieinhalb Tonnen Zeug entsorgen mussten, haben wir gemerkt, wie befreiend das war.“ Frische und entrümpelte Energie flattert heute durch die weißen Räume. Nur der Duft der holzkistengelagerten Äpfel und Birnen erinnert noch an alte Kellerzeiten.

Am Ende des Ganges, für Privatkunden durch einen externen Eingang aus dem Garten zu betreten, liegt der Therapieraum. Hier gehen die Bauherren neben ihrem regulären Beruf ihrer Berufung nach. Er ist Klangschalen-Therapeut, sie arbeitet mit Heilströmen von Kopf bis Fuß.

Eine Tür weiter liegt jenes Zimmer, in dem das Chi nach einer langen Hausführung ankommen und bleiben kann. Die Wände im zehn Quadratmeter großen Yoga-Raum sind mit Lehmputz verspachtelt und mit roten Leinen bespannt. In einer Druckerei im Mühlviertel erhielt der Stoff sein unverwechselbares Muster. Schilfgeruch steigt in die Nase auf. Die acht Tatami-Matten sind nach japanischer Manier verlegt und bilden die Unterlage für stundenlanges Meditieren.

Keine Frage, Haus S. ist seinen Bewohnern an den Leib geschneidert. Mag sein, dass mit den Energiefeldern, die hier erkannt und genutzt wurden, nicht jeder etwas anfangen kann. Mit welchen Mitteln auch immer Architekt Siegfried Meinhart zu diesem Ergebnis gekommen ist, eines lässt sich mit Sicherheit nicht abstreiten: Schlegelschlag auf den Gong, man fühlt sich auf Anhieb wohl.

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