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Phönix aus der Schublade
Der Standard

Jahr für Jahr landen in Österreich tausende Einfamilienhausentwürfe im Archiv. Eine neue Initiative will die besonders schönen Archivleichen nun an den Bauherrn und die Baufrau bringen

12. November 2013 - Wojciech Czaja
Laut Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten gibt es in Österreich derzeit rund 3000 registrierte, aktiv im Berufsleben stehende Architekten. Und jedem einzelnen davon, erklärt Bundeskammerpräsident Georg Pendl, passiere es zumindest einmal pro Jahr, dass ein fixfertig geplantes Projekt nicht zur Ausführung gelangt, sondern stattdessen in der Schublade landet. Die Gründe sind vielfältig und reichen von unrealisierten Wettbewerbsbeiträgen bis hin zur Scheidung der Bauherrenschaft.

Unbezahlte Arbeit

„Allein in offene Wettbewerbe werden in Österreich Jahr für Jahr mehr als 73 Millionen Euro an Arbeitsleistung hineingebuttert“, sagt Pendl. „Und ich würde davon ausgehen, dass die Verschwendung, die aus der Menge niemals gebauter Einfamilienhäuser resultiert, ähnlich groß ist - wenn nicht sogar größer.“ Genaue Zahlen dazu seien nicht in Erfahrung zu bringen.

Seit rund zwei Wochen ist ein Projekt online, das sich genau diesen Schubladenleichen widmet. Unter der Domain best-un-built.com findet man eine Art Shopping-Plattform für potenzielle Bauherren, die zwar an Architektur interessiert sind, denen der Weg ins Architekturbüro letztendlich aber zu stressig oder zu angstbehaftet erscheint. Deren gibt es viele. Und nicht wenige davon landen am Ende beim Baumeister oder Fertighausproduzenten.

„Die Einfamilienhausentwürfe, die in den Archiven schlummern, sind zum Teil von sehr hoher Qualität“, sagt Lena Schacherer, Projektinitiatorin und Inhaberin der Plattform. „Es wäre schade, diese Projekte nicht wiederzubeleben.“ Vor allem Menschen mit geringerem Budget hätten so die Möglichkeit, an ausgefallene Projekte zu gelangen.

Strenges Urheberrecht

Zwischen 3000 und 7000 Euro kostet eine abgeschlossene Einreichplanung, wobei das Projekt je nach Bundesland, Grundstück und geltenden Bebauungsbestimmungen adaptiert werden muss. Best (un)built stellt Kontakte zu Architekten, Baumeistern, Statikern, Haustechnikplanern und Innenraumgestaltern her. Der Verkauf der Pläne ist in erster Linie ein juristischer Akt, denn die Urheber- und Wertnutzungsrechte sind hierzulande sehr streng.

Zu den teilnehmenden Büros, die ihre Archivleichen auf Best (un)built anbieten, zählen etwa Söhne & Partner sowie die Klosterneuburger Architektin Andrea Bódvay. „Natürlich müssen die Projekte an neue Rahmenbedingungen angepasst werden, aber darin sehe ich kein Problem“, sagt Bódvay auf Anfrage des STANDARD. Und Guido Trampitsch, Söhne & Partner, meint: „Es kann passieren, dass ein Projekt verfremdet und so ausgeführt wird, dass es unseren Vorstellungen nicht entspricht. Aber diese Gefahr besteht eigentlich bei jedem Projekt.“

Kritik an „Dumping-Preisen“

Nicht alle sind von Best (un)built begeistert. „Da werden Einfamilienhaus-Projekte zum Dumping-Preis auf den Markt gebracht“, meint Günter Katherl vom Wiener Architekturbüro Caramel. „Ich fürchte, dass mit dieser Plattform ein Ausverkauf der Architektur einhergeht. Seit Jahren schon setzen wir uns dafür ein, dass unsere Arbeit einen gewissen Wert hat. Und nun sollen die Projekte um einen Bruchteil ihres Werts verkauft werden. Da bin ich vorerst noch skeptisch.“

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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