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Nach dem Es­sig­gur­kerl kommt das Woh­nen
Der Standard

Auf den ehe­ma­li­gen Maut­ner-Mark­hof-Grün­den er­rich­te­ten ÖSW und Fa­mi­li­en­wohn­bau ein Holz­ver­bund­haus für Se­nio­ren und Mig­ran­ten. Die Ma­te­ri­al­wahl hat at­mo­sphä­ri­sche und auch funk­tio­na­le Grün­de.

2. März 2016 - Wojciech Czaja
Frü­her wur­den hier Senf und Es­sig­gur­kerln pro­du­ziert. Heu­te be­fin­det sich auf dem 80.000 Qua­drat­me­ter gro­ßen Are­al des 1841 ge­grün­de­ten Tra­di­ti­ons­be­triebs Maut­ner Mark­hof ein Wohn­park mit rund 750 Woh­nun­gen. Mit ein biss­chen Fan­ta­sie könn­te man be­haup­ten, dass ein paar da­von die Idee der Gur­kerl­pro­duk­ti­on bis zum heu­ti­gen Ta­ge auf ma­te­riel­le Wei­se wei­ter­le­ben las­sen. Doch der Rei­he nach.

Nach­dem das Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men 2002 sei­nen Be­trieb ein­ge­stellt hat­te und teil­ver­kauft wor­den war, stand plötz­lich ein wert­vol­les Stü­cken Stadt für ei­ne Neu­nut­zung zur Ver­fü­gung. Im Zu­ge ei­nes vom Wohn­fonds Wien aus­ge­lob­ten Bau­trä­ger­wett­be­werbs un­ter dem Ti­tel „Woh­nen mit kul­tu­rel­ler Viel­falt“ ka­men sie­ben Ar­chi­tek­ten und sie­ben ge­mein­nüt­zi­ge Bau­trä­ger zum Zug. Das Ös­ter­rei­chi­sche Sied­lungs­werk (ÖSW) und der Bau­trä­ger Fa­mi­li­en­wohn­bau er­rich­te­ten mit dem Wie­ner Ar­chi­tek­tur­bü­ro Till­ner & Wil­lin­ger zwei Haus­skulp­tu­ren mit 60 klas­si­schen Woh­nun­gen, 25 be­treu­ba­ren Wohn­ein­hei­ten und ei­ner Se­nio­ren-WG, die vom Wie­ner Hilfs­werk be­trie­ben wer­den.

Schö­nes Holz

„Man­che sa­gen, das ist das schöns­te Haus auf dem gan­zen Are­al“, sagt Ar­chi­tekt Al­fred Wil­lin­ger. „Und das freut uns sehr, denn wir ha­ben uns da­für stark­ge­macht, das Pro­jekt in Holz­ver­bund-Bau­wei­se zu er­rich­ten.“ Die bei­den Höl­zer Fich­te und Lär­che sind an der Fass­ade gut er­sicht­lich und las­sen das Pro­jekt von man­chen Blick­win­keln aus wie ei­ne bal­kon­um­rank­te Holz­scha­tul­le er­schei­nen.

Das Holz dient nicht nur der Op­tik und der At­mo­sphä­re, son­dern hat auch funk­tio­na­le Grün­de. „Wir woll­ten ein fle­xi­bles Haus pla­nen, das je­der­zeit auf kul­tu­rel­le Be­dürf­nis­se und un­ter­schied­li­che Wohn­vor­stel­lun­gen rea­gie­ren kann“, so Wil­lin­ger. „Da­her ha­ben wir ei­ne schlan­ke Trag­kons­truk­ti­on aus Stahl­be­ton er­rich­tet, die mit vor­ge­fer­tig­ten und je­der­zeit leicht ver­än­der­ba­ren Holz­ele­men­ten aus­ge­facht wur­de.“

Die Mehr­kos­ten für das deut­lich teu­re­re Holz konn­ten auf in­di­rek­te Wei­se wie­der wett­ge­macht wer­den: Nach­dem die Au­ßen­wän­de dank der Leicht­bau­kons­truk­ti­on um zehn bis 15 Zen­ti­me­ter dün­ner als ei­ne klas­sisch ge­dämm­te Stahl­be­ton­wand aus­fie­len, wur­de im glei­chen Vo­lu­men mehr ver­miet­ba­re Wohn­nutz­flä­che ge­schaf­fen. Die Bau­kos­ten pro Qua­drat­me­ter sind un­term Strich die glei­chen.

„Die In­teg­ra­ti­on bei die­sem Pro­jekt be­trifft aber nicht nur die un­ter­schied­li­chen Ethnien, Kul­tu­ren und Le­bens­um­stän­de“, meint ÖSW-Vor­stand Mi­cha­el Pech, „son­dern auch die Tat­sa­che, dass die In­te­res­sen­ten und künf­ti­gen Be­wohn­er­in­nen be­reits in den Pla­nungs­pro­zess ein­ge­bun­den wur­den.“ Über ei­ne Pro­jekt-Web­si­te konn­ten da­mals Wohn­wün­sche und Woh­nungs­at­tri­bu­te kund­ge­tan wer­den, die in die Pla­nung der Ar­chi­tek­ten ein­flos­sen.

„Mit 33 Pro­zent Mig­ra­ti­ons­an­teil funk­tio­niert die In­teg­ra­ti­on in die­ser Wohn­haus­an­la­ge sehr gut, al­ler­dings braucht es bei so vie­len Men­schen mit Be­treu­ungs­be­darf und Mig­ra­ti­ons­hin­ter­grund von An­fang an ei­ne gu­te so­zi­al­wis­sen­schaft­li­che Be­ra­tung und Be­treu­ung“, so Pech. Und die Sa­che mit dem Gur­kerl? Holz braucht man eben nicht nur zum Bau­en, son­dern auch, um Es­sigs­äu­re herz­us­tel­len. Er­ste­res ist nach­hal­ti­ger.

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