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Zehn Schrit­te vom Ar­bei­ter zum Chef
Der Standard

Das Be­triebs­ge­bäu­de Ho­er­bi­ger in der Sees­tadt Aspern in Wien ist nicht nur neu, son­dern auch neu­ar­tig: For­schung, Ent­wi­cklung, Pro­duk­ti­on und Ver­wal­tung sind un­ter ei­nem Dach. Das soll die Kom­mu­ni­ka­ti­on und letz­tend­lich auch die Ef­fi­zienz för­dern.

10. September 2016 - Wojciech Czaja
Im Foy­er läuft ein lauts­tar­kes Film­chen über das Im­pe­ri­um Ho­er­bi­ger. Be­gon­nen hat al­les 1895, lernt man da, mit ei­nem in­no­va­ti­ven Stahl­plat­ten­ven­til, das sich Ur­va­ter Hanns Hör­bi­ger pa­ten­tie­ren ließ und mit des­sen Li­zen­zen er sich ein Fun­da­ment auf­bau­en konn­te. 120 Jah­re spä­ter zählt das Un­ter­neh­men mit Sitz in der Schweiz zu den be­deu­tend­sten Pro­du­zen­ten im Be­reich der Hy­drau­lik so­wie der Kom­pres­sor- und An­trieb­stech­nik.

Hin­ter den dreh­ba­ren Screens mit dem im­po­sant an­imier­ten PR-Film, der die gan­ze Ein­gangs­hal­le in ei­nen elek­tro­ni­schen Klang­tep­pich hüllt, gibt es ein paar schma­le, lan­ge Fens­ter, durch die man di­rekt in die Mus­ter­werks­tatt hin­ein­bli­cken kann. Die CNC-Frä­sen und Spritz­guss­ma­schi­nen hin­ter der Glas­schei­be die­nen nicht nur dem Ex­pe­ri­ment und der Ent­wi­cklung von Kom­po­nen­ten, son­dern auch der Se­rien­pro­duk­ti­on.

„Ei­nen bes­se­ren Syn­er­gie­ef­fekt kann man sich nicht vor­stel­len“, sagt Pe­ter Stein­rück, He­ad of Bu­si­ness-De­ve­lop­ment und Pro­jekt­lei­ter des neu­en Ho­er­bi­ger-Stand­orts in der Sees­tadt Aspern in Wien. „Ge­nau das war auch die Idee die­ses Ge­bäu­des. Wir woll­ten For­schung und Ent­wi­cklung, Pro­duk­ti­on und Ver­wal­tung an ei­nem ein­zi­gen Ort zu­sam­men­füh­ren und die Men­schen auf die­se Wei­se ins Ge­spräch brin­gen.“

Aus­blick für al­le

Ge­ra­de in solch gro­ßen Un­ter­neh­men, so Stein­rück, wis­se die lin­ke Hand oft nicht, was die rech­te tut. Hier je­doch lau­fe man sich tag­täg­lich über den Weg: Ar­bei­ter, Hand­wer­ker, Bü­ro­an­ge­stell­te und Vor­stands­mit­glie­der der Hol­ding, 500 Mit­ar­bei­ter ins­ge­samt. Ganz an­ders üb­ri­gens, als am al­ten Stand­ort in Wien-Sim­me­ring, wo Ver­wal­tung und Pro­duk­ti­on durch ei­ne öf­fent­li­che Stra­ße vo­nei­nan­der ge­trennt wa­ren.

„Die Zu­sam­men­füh­rung von Kopf und Hand war uns da­her be­son­ders wich­tig“, sagt der Ho­er­bi­ger-Chef. „Nach dem pas­sen­den Grund­stück ha­ben wir lan­ge Zeit ge­sucht.“ Der Wie­ner Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Stra­te­gie­be­ra­ter M.O.O.CON war in die­ser Pha­se in die Ent­wi­cklung und Aus­rich­tung des Pro­jekts stark ein­ge­bun­den und be­glei­te­te so­gar den in­ter­na­tio­nal aus­ge­schrie­be­nen Ar­chi­tek­tur­wett­be­werb. Auf Platz drei lan­de­te der Pa­ri­ser Ar­chi­tekt Diet­mar Feich­tin­ger, den zwei­ten Platz be­leg­ten ATP Ar­chi­tek­ten In­ge­ni­eu­re, der Sieg ging schließ­lich an das Wie­ner Bü­ro quer­kraft.

„Für uns war das höch­ste Ziel, das Ge­mein­sa­me über das Tren­nen­de zu stel­len“, er­klärt Ja­kob Dunkl von quer­kraft ar­chi­tek­ten. Man steht vor dem neu­en Haus und er­kennt nicht, wo die Bü­ros lie­gen und wo die Fa­brik­hal­len un­ter­ge­bracht sind. „Ja, das war Ab­sicht. Das ge­sam­te Haus ist ein­heit­lich ge­stal­tet und mit ei­ner durch­ge­hen­den Band­fass­ade um­wi­ckelt. Da­durch ha­ben nicht nur die Bü­ro­leu­te, son­dern auch die Fa­brik­ar­bei­ter ei­nen un­ge­hin­der­ten Aus­blick ins Freie. Das ist in die­ser Spar­te kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit.“

12.000 Qua­drat­me­ter Nutz­flä­che ent­fal­len auf die Ver­wal­tung, wei­te­re 12.000 auf die Pro­duk­ti­on. Da­mit ist die Ge­samt­flä­che – bei ge­stie­ge­ner Ef­fi­zienz – so­gar klei­ner als am al­ten Stand­ort in Sim­me­ring. Soll­te der Flä­chen­be­darf ei­nes Ta­ges stei­gen, hat sich Ho­er­bi­ger bei der zu­stän­di­gen Be­treib­er­ge­sell­schaft Wien 3420 Aspern De­ve­lop­ment AG ein Vor­kaufs­recht am be­nach­bar­ten Grund­stück ge­si­chert.

„Kein Gramm Fett“

Das Film­chen ist zu En­de. Es ist wie­der still im Foy­er. Rund­um do­mi­nie­ren die Far­ben Weiß, Grau und Sil­ber. Letz­te­res ist vor al­lem den gal­va­ni­sier­ten Stahl­bau­tei­len zu ver­dan­ken, die im ge­sam­ten Ge­bäu­de im­mer wie­der auf­blit­zen: an Stie­gen, Ge­län­dern, Tritt­po­de­sten und von der De­cke ab­ge­häng­ten Zugs­tan­gen, an de­nen die Ste­ge und Kor­ri­do­re baum­eln. Vor al­lem im Pro­duk­ti­ons­be­reich ist da­von viel zu se­hen. Die gro­be, in­dus­tri­el­le Be­hand­lung, meint Dunkl, pas­se durch­aus ins Kon­zept ei­nes sol­chen Un­ter­neh­mens, das sich auf die Pro­duk­ti­on von per­for­man­ce­be­stimm­ten Me­tall­tei­len spe­zi­a­li­siert hat.

Bloß in den Bü­ros und auf den Frei­flä­chen trau­te sich der Vor­stand, in den Farb­topf zu grei­fen. Wäh­rend die Bü­ros mit ne­on­grü­nen Bü­ro­mö­beln und la­ven­del­far­be­nen Sitz­ge­le­gen­hei­ten be­stückt sind, schim­mern durch die gro­ßen Glas­flä­chen auf der Dach­ter­ras­se und in der Be­triebs­kan­ti­ne im­mer wie­der Far­ne, Thy­mi­an, Chi­na­schilf, Erd­bee­ren und Hor­ten­sien in den Raum. Die Frei­raum­ge­stal­tung auf dem Vor­platz, im In­nen­hof und auf der frei zu­gäng­li­chen Mit­ar­bei­ter­ter­ras­se im er­sten Stock stammt von der Wie­ner Land­schafts­ar­chi­tek­tin Do­ris Haid­vogl.

Mit knapp 30 Mil­lio­nen Eu­ro Ge­samt­bau­kos­ten (1200 Eu­ro pro Qua­drat­me­ter) muss­te der Bau über­aus straff ge­stal­tet wer­den. „Kein Gramm Fett“, wie Dunkl dies aus­drückt. Auf Ober­flä­chen­ve­re­de­lun­gen wur­de ver­zich­tet, statt der ur­sprüng­lich ge­plan­ten Holz-Alu-Fens­ter wur­de auf her­kömm­li­che Kunst­stoff­fens­ter um­ge­sat­telt, und Stem­mar­bei­ten im Roh­bau wa­ren ein Ta­bu. Die ge­sam­te Tech­nik ist sicht­bar ge­führt. Die ka­bel­lo­sen Licht­schal­ter ver­fü­gen über ei­ne Bat­te­rie und kom­mu­ni­zie­ren mit der Licht­quel­le über Funk. Auf die­se Wei­se konn­te viel Geld ein­ge­spart wer­den.

Rück­kehr in die Stadt

„Mit dem Ab­schluss des Pro­jekts fei­ern wir nicht nur die er­ste In­dus­trie­an­sied­lung in der Sees­tadt Aspern, son­dern auch ein Vor­zei­ge­pro­jekt in punc­to Raum für In­no­va­ti­on“, meint Mar­tin Kä­fer, Se­ni­or Con­sul­tant und Pro­jekt­lei­ter bei M.O.O.CON. Da­mit folgt Ho­er­bi­ger dem welt­wei­ten Trend des so­ge­nann­ten Ur­ban Ma­nu­fac­tu­ring – al­so der Rück­kehr des pro­du­zie­ren­den Ge­wer­bes in die Stadt.

„Ur­ban Ma­nu­fac­tu­ring klingt toll, aber ich wür­de den Be­griff nicht über­be­wer­ten“, meint Ho­er­bi­ger-Chef Pe­ter Stein­rück. „Tat­säch­lich han­delt es sich ein­fach nur um die An­sie­de­lung von Pro­duk­ti­ons­stät­ten in der Stadt. Nichts an­de­res als das, was wir schon in der Grün­der­zeit­stadt um 1900 ge­macht ha­ben, nur ge­ben wir dem heu­te ei­nen neu­en Na­men.“

Vom Vor­stands­bü­ro in die Fa­brik­hal­le sind es nur we­ni­ge Schrit­te. Si­cher­heits­schu­he mit Stahl­kap­pe müs­sen an­ge­zo­gen wer­den. Das ist Vor­schrift. So will es der Ar­beits­in­spek­tor. Und schon steht man in­mit­ten kla­ckern­der, boh­ren­der, dril­len­der Ma­schi­nen.

Am Mon­tag, dem 19. Sep­tem­ber 2016, fin­det bei Ho­er­bi­ger das On-Sta­ge-Se­mi­nar „Ho­er­bi­ger: Das Pro­jekt in Wien Aspern“, ei­ne Ko­ope­ra­ti­ons­ver­an­stal­tung von M.O.O.CON, Über­bau Aka­de­mie, Über­all Sce­ne und Platt­form für In­no­va­ti­ons­ma­nage­ment (PFI), statt. Sees­tadts­tra­ße 25, 1220 Wien. Ab 16 Uhr.

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