Artikel

Salzburg: Die Stadt, die es nicht gibt
Spectrum

Salzburgs Museum der Moderne zeigt kühne Architekturentwürfe für die Festspielstadt, die unrealisiert blieben.

18. März 2015 - Johanna Hofleitner
Festspiele, die zu den internationalen Highlights des Musik- und Theatergeschehens zählen; mehrere Museen, Kunstvereine, eine Sommerakademie für bildende Kunst, private Kunstinitiativen, Kunstpreise, Spezialmessen für Kunst und Antiquitäten, Galerien – und ein Publikum, das teils von weit her kommt, um dieses Angebot zu nützen: Einen kulturellen Notstand muss man Salzburg wahrlich nicht attestieren. Trotzdem hat es die Kultur, so man sie nicht bloß als Tourismusfaktor, sondern auch als Lebenshaltung auffasst, in dieser Stadt schwer. Man erinnert sich noch gut der Debatten um das Guggenheim-Museum, für das Hans Hollein ein international hochbeachtetes Konzept vorgelegt hat. Das Projekt war zwar ursprünglich als Haus für Salzburg und damit Vorgänger des nun im Domquartier angesiedelten Salzburg Museums angedacht worden, dieser Plan wurde aber bald verworfen.

Bilbao statt Salzburg

Hans Holleins Museumskonzept fand jedoch in Thomas Krens, dem damaligen Direktor des Guggenheim-Museums in New York, einen begeisterten Befürworter. Nach jahrelangen lokalpolitischen Querelen brachte Guggenheim seine Schätze lieber nach Bilbao. In Salzburg entstand immerhin auf dem Mönchsberg der Erweiterungsbau des Salzburger Moderne-Museums Rupertinum; genau dort, wo zuvor das ob seiner 1970er-Jahre-Architektur heftig angefeindete Café Winkler gestanden war. Das Projekt nach Plänen von Zwink/Hoff/Friedrich aus München ist zwar abgeschlossen worden, doch richtig „erschlossen“ wurde es eigentlich nicht. Der vorgesehene Panoramalift für einen sichtbaren Zugang von außen, für den Delugan Meissl einen spektakulären Entwurf vorgelegt hatten, fiel dem Rechenstift zum Opfer. „Alles in dieser Stadt ist gegen das Schöpferische, und wird auch das Gegenteil immer mehr und mit immer größerer Vehemenz behauptet, die Heuchelei ist ihr Fundament, und ihre größte Leidenschaft ist die Geistlosigkeit, und wo sich in ihr Fantasie auch nur zeigt, wird sie ausgerottet“, befand Thomas Bernhard. Man richtet sich gemütlich ein im Postkartenbild einer idyllischen Alpenstadt. Die Geschichte des Guggenheim-Museums ist nur eine von vielen über unrealisierte Pläne, vertane Chancen, mutlose Entscheidungen zugunsten weniger riskanter, also mehrheitsfähigerer Projekte. Natürlich werden auch in anderen Städten Projekte verworfen, doch die Debatten der Ensembleschützer scheinen in Salzburg um einen Tick ausgeprägter als anderswo.

Die Stadt als Museum

Das Museum der Moderne hat sich auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Geschichte nun dieser speziellen Thematik angenommen. „Die Frage, was eine Stadt braucht, um für ihre Bewohner und Bewohnerinnen lebenswert zu sein“, so Museumsdirektorin Sabine Breitwieser, „erscheint mir eine, um die sich ein Museum der Moderne unbedingt annehmen muss.“ Dabei geht es in der Schau nicht darum, „eine Architektur- und Designabteilung am Museum“ zu eröffnen, sondern um Denkanstöße. Breitwieser: „Ich will das Museum und seine Rolle in der Stadt sowie die Stadt als modernes Lebensumfeld in die Diskussion bringen. Wir operieren und leben in einer Stadt, die eigentlich als Museum konzipiert ist.

Funktioniert das auf lange Sicht, und wenn nicht, was müssen wir daran ändern?“ Allein aus der Vielzahl an Materialen, die aus den Archiven gehoben wurden – teils preisgekrönte Wettbewerbsbeiträge, teils unabhängigen Entwürfe – ließe sich eine „Parallelstadt“ bauen. Zwar macht den Anfang ein Dom-Entwurf des Italieners Vincenzo Scamozzi 1603, der mit seiner Schönheit und seinen gewaltigen Ausmaßen vorrangig die Macht von Fürsterzbischof Wolf Dietrich unterstreichen sollte. Und auch der von Karl Schwarz 1862 lancierte, grundsätzlich visionäre Stadterweiterungsplan setzte primär noch auf Repräsentation. Mit der Moderne befassten sich die Planer aber zunehmend mit einem Lebensgefühl, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht. 1927 legte Lois Welzenbacher mit der Aiglhofsiedlung ein Konzept für eine Gartenstadt vor, die die regionale Bautradition respektierte, diese aber zugleich auch in die Moderne entwickelte. Friedrich Kurrent, Wilhelm Holzbauer und Johannes Spalt entwickelten knapp drei Jahrzehnte später einen Bebauungsplan für Taxham, der Themen wie Verkehrsberuhigung, neue Wohnungstypen und die Respektierung der vorhandenen Siedlungsachsen ins Zentrum rückte. Die kritische Frage in der Innenstadt wiederum betraf vor allem Fragen der Erneuerung: Verhindert wurden so etwa die Integration eines postmodernen Wohnbaus in die Altstadt (LASCH, Bärengässchen), die Wiedereingliederung des Kapitelsaals ins Stadtbild (Flöckner/Schöll) oder die Wintereinhausung des Residenzbrunnens mit Plexiglas nach einer Idee Walter Pichlers (Dietmar Feichtinger Architects). Eine ständige Herausforderung stellten auch die Festspielbauten dar: Der deutsche Expressionist Hans Poelzig legte in den 1920er-Jahren mehrere Entwürfe für Hellbrunn vor.

Ideales Haus für Mozart

Friedrich Kurrent entwickelte 1996–2000 ein ideales Haus für Mozart aus dem Geist seiner Musik. Die Nazi-Propaganda sah eine Umordnung vor, wonach das Festspielhaus als kulturelles Machtzentrum auf den Kapuzinerberg verlegt werden sollte, vis-à-vis vom Generalkommando XVIII am Mönchsberg. Wenngleich, wie das letzte Beispiel zeigt, glücklicherweise nicht alle Entwürfe umgesetzt wurden, ist die Liste der vertanen Chancen lang, nicht nur, was Beiträge von Stararchitekten wie Dominique Perrault, Roland Rainer oder Eduardo Souto de Moura betrifft, sondern auch im Hinblick auf die zukunftsbewusste Modernisierung des Stadtbildes. In diesem Sinn ist die Ausstellung durchaus eine politische: „Salzburg“, sagt Breitwieser, „muss sichtbare Zeichen gegen seinen schlechten Ruf setzen, dass es antimodern sei. Was wird sonst aus den jungen Menschen hier, wer soll diese Stadt in die Zukunft tragen?“

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: