Eine Intendanz soll nun den Wirrwarr lichten

Welche Architektur das Berliner Schloss erhält, steht fest. Das Programm aber, das innen gezeigt werden soll, ermangelt bis anhin klarer Konturen. Dem soll nun ein Triumvirat an der Spitze abhelfen.

Joachim Güntner
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Der Neubau des Berliner Schlosses schreitet voran. Kürzlich sind die Sandsteine eingetroffen, die den Sockel verblenden und als Schmuckelemente die Fassade stilgerecht verschönern sollen. Nachdem jahrelang über Sinn und Unsinn restaurativen Bauens gestritten worden war, hat sich seit einiger Zeit die Diskussion über das Schloss verschoben: von der Architektur, deren Gesicht feststeht, hin zum Inhaltlichen. Womit sollen die Räume bespielt werden, wie sieht das programmatische Konzept für das sogenannte Humboldt-Forum aus?

Das Gewicht der Museen

Zunächst wurde entschieden, im Schloss die ethnologischen Sammlungen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz unterzubringen und zudem eine Agora einzurichten, damit das Diskursive nicht zu kurz kommt. Die Agora hätte Vorträgen, Tagungen und Wechselausstellungen Platz geboten. Als Projektleiter berief man 2010 den Schweizer Kulturmanager Martin Heller, der von Haus aus Ethnologe ist und den man hierzulande vor allem wegen seiner künstlerischen Leitung der Schweizerischen Landesausstellung Expo 02 kennt. Nach den damals gehätschelten, auch von Heller verkündeten Vorstellungen sollte sich die Agora über das gesamte Parterre des Schlosses ausdehnen.

Aber diese Idee wurde aufgegeben. Die Museen belegen nach dem letzten Planungsstand mehr als die Hälfte der Nutzfläche des Humboldt-Forums. Will man dies nicht revidieren, so werden auch ihre Sammlungen ein entsprechend starkes Gewicht erhalten. Eine Umorientierung – weg vom Agora-Primat, hin zum Material aus den Archiven der Museen – hat bereits stattgefunden. Wie sich das Wechselspiel zwischen den Exponaten der Sammlungen und den Veranstaltungen im Parterre gestalten könnte, steht noch dahin.

Heller amtiert nicht mehr als Agora-Beauftragter, meint aber auf Nachfrage der NZZ, dass die «meisten Grundideen meines Konzepts sich intern bereits etabliert haben». Dazu gehörten namentlich der «permanente Gegenwartsbezug», den das Humboldt-Forum herstellen müsse, sowie die Attraktivität für ein breites Publikum. Sein Papier, gibt Heller an, sei in enger Abstimmung mit Hermann Parzinger entstanden, dem Präsidenten der Stiftung Preussischer Kulturbesitz. Das könnte eine gewisse Kontinuität verbürgen, denn Parzinger gehört zu der frisch berufenen dreiköpfigen Intendanz, die anstelle von Heller Vorstellungen für das Humboldt-Forum entwickeln soll. Schon voriges Jahr hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters den angekündigten personellen Wechsel mit dem strategischen Argument unterfüttert, ein Intendant könne «anders auftreten als die im Moment agierenden Vertreter der drei im Humboldt-Forum beheimateten Institutionen. Die vertreten natürlich ihre Partikularinteressen.»

Mit den im Forum schon vor dessen Öffnung «beheimateten» drei Institutionen meint Grütters die Stiftung Preussischer Kulturbesitz (SPK), die Humboldt-Universität sowie die Zentral- und Landesbibliothek. Sie sind als Nutzer festgelegt. Das gehört zu den wenigen Klarheiten des ganzen Unternehmens. Seltsam aber bleibt, dass jetzt nicht nur ein Intendant, wie von der Kulturstaatsministerin annonciert, sondern deren drei als Übergangslösung berufen wurden. Und zwei davon stehen für die von Grütters gerügten Partikularinteressen: Hermann Parzinger vertritt die SPK, und der Kunsthistoriker Horst Bredekamp lehrt seit 1993 an der Humboldt-Universität.

Zum Paukenschlag geriet einzig die Berufung von Neil MacGregor. Der eloquente weltläufige Schotte leitet derzeit noch das British Museum in London, er geniesst einen ausgezeichneten Ruf als Ausstellungsmacher und als Vermittler – auch wegen seiner Radio- und Fernsehsendungen. Als kürzlich bekanntwurde, dass er den Ruf der deutschen Politik (selbst die Kanzlerin soll bei ihm antichambriert haben) angenommen habe, war der Jubel so gross, als komme im Herbst der Messias, um das Forum aus seinem Durcheinander von Zuständigkeiten und dem wabernden Nebel abstrakter Programmatiken zu befreien. Die «Süddeutsche Zeitung» rühmte MacGregor als «Erzähler der ‹material culture›, der Aufschlüsselung der vielen Geschichten, die in Objekten stecken, sich in ihnen überlagern». Etwa der Geschichte, wie rituelle Artefakte aus aussereuropäischen Kulturen, vom Kolonialismus ergriffen, dann in Europa zu Exponaten wurden.

«Anspruchsvoll und populär»

Der neugeschaffenen Gründungs-Intendanz, gern als «Humboldt-Triumvirat» apostrophiert, steht einiges bevor. Weltgeltung soll das Forum erlangen. Um Besucher ist man nicht bange, rechnet gar damit, es werde dem Pergamonmuseum Konkurrenz machen. Horst Bredekamp hat auf Nachfrage der «Berliner Morgenpost» versprochen, es werde neben den Sammlungen ein ambitioniertes Programm geben: «Höchst anspruchsvoll in der Zuspitzung, höchst populär in der Darstellung.» Als mögliche Themen nennt er etwa «die Simulation der Welt im Digitalen und die Rückwirkung auf das Analoge». Oder Probleme der Kartografie: «Warum sind die Karten auf den Nordpol ausgerichtet, warum gibt es in Australien nicht gesüdete Karten?»

Dass sich dereinst alle Themen im Humboldt-Forum auf eine schlüssige Linie bringen lassen, scheint unmöglich. Die «FAZ» spricht polemischen von der «grössten Mehrzweckhalle der Republik». Der Zusammenhang der disparaten Themen werde womöglich «bei einer Verbindung des Unverbundenen durch Treppenhäuser» landen. Das ist schön giftig formuliert. Aber wenn es so käme, was wäre daran furchtbar schlimm? Nennen wir es den Tribut, den die Vielfalt fordert.