Das Werk des Meisters weiterdenken

Zum 50. Todestag von Le Corbusier zeigen zehn Stararchitekten in einer stimmigen Schau in der Villa "Le Lac" in Corseaux, wie man das kleine Frühwerk des Meisters hyptothetisch weiterbauen könnte.

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Daniel Libeskinds Vision der Villa Le Lac. (Bild: pd)

Daniel Libeskinds Vision der Villa Le Lac. (Bild: pd)

holl. ⋅ Mit Le Corbusier verhält es sich ganz ähnlich wie mit Richard Wagner. Es mag noch so viel Haarsträubendes über ihn bekanntwerden, das Interesse an seinem Werk flaut deswegen nicht ab. Zu wegweisend war sein Aufbruch in eine kompromisslose Moderne, der sich mit der Erfindung des Domino-Systems 1915 und im Jahr darauf mit der Villa Turque in La Chaux-de-Fonds ankündigte. Den eigentlichen Durchbruch aber markierten seine ersten Pariser Villen und die «Petite Maison», die Le Corbusier 1924 am Ufer des Genfersees in Corseaux für seine Eltern baute. Diese spartanisch einfache «Maison minimum», mit der er seinen Traum von der modernen Urhütte verwirklichte, war ein «Denklabor», in welchem er sich der Farbigkeit der Wände und den fünf Punkten einer neuen Architektur annäherte. Später wurde die Fruitière genannte, an eine Mönchszelle erinnernde Aufstockung, die er 1931 für sich und seine Frau ausführte, zur Vorwegnahme seines Cabanons an der Côte d'Azur, wo er 1965 im Meer ertrank. Zum 50. Todestag des Architekten dachte sich nun Patrick Moser, der Leiter der Association Villa «Le Lac» in Corseaux, eine ganz besondere Sommerausstellung aus. Sechs Aquarelle, die der Meister vor Ort malte, sowie 14 alte Fotos belegen Le Corbusiers Liebe zum kleinen Haus am See, in dem seine Mutter bis zu ihrem Tod lebte und das später perfekt erhalten in den Besitz der Fondation Le Corbusier überging. Diese Exponate werden ergänzt durch Entwürfe für eine mögliche Erweiterung der Villa, die Moser von zwölf in ihrer Entwicklung stark von Le Corbusier geprägten Stararchitekten erbat. Den architekturgeschichtlich interessantesten Beitrag lieferte Daniel Libeskind, der das Haus auf Stützen stellt und so das sich bereits durch einen freien Grundriss, freie Fassaden, Bandfenster und einen Dachgarten auszeichnende Gebäude um den 5. Punkt einer neuen Architektur, die Pilotis, bereichert. Zaha Hadid überformt hingegen das Gebäude mit einer organischen Variante des Dachs von Le Corbusiers Zürcher Pavillon, Mario Botta schlägt einen Schiffssteg vor, und Bernard Tschumi experimentiert mit Wahrnehmung und Raumerlebnis. Alvaro Siza und Rafael Moneo schliesslich betonen mit ihren Einreichungen, dass das in sich perfekte Bauwerk trotz seiner Kleinheit keine Zubauten braucht. Alle Arbeiten sind dokumentiert in einem bibliophilen Katalog.

Bis 27. September jeweils Freitag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr in der Villa Le Lac in Corseaux bei Vevey. Katalog: Hommage à Le Corbusier (frz., dt., engl.). Call me Edouard Éditeurs, 2015. 179 S., Fr. 46.–.