Rücken an Rücken

Mit einem ikonischen Bau von Mario Botta wurde das MoMA von San Francisco 1995 international bekannt. Snøhetta Architekten aus Norwegen haben es nun um ein amorphes Scheibenhaus ergänzt.

Lilian Pfaff
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Versteinerter Nebel – der hinter Mario Bottas SF MoMA sich blähende Erweiterungsbau von Snøhetta Architekten. (Bilder: Henrik Kam)

Versteinerter Nebel – der hinter Mario Bottas SF MoMA sich blähende Erweiterungsbau von Snøhetta Architekten. (Bilder: Henrik Kam)

Als «Ozeandampfer» oder als «gigantische Meringue» haben Kritiker den Neubau des Museum of Modern Art in San Francisco (SF MoMA) schon vor der jüngst gefeierten Eröffnung bezeichnet. Einige fanden sogar, das Gebäude scheine «mit Toilettenpapier umwickelt zu sein» und hüte im Inneren viel zu viel überteuerte Kunst. Dennoch darf man die vom renommierten norwegischen Architekturbüro Snøhetta geplante Erweiterung, die dreimal so viel Ausstellungsfläche bietet wie der vor 20 Jahren eröffnete Botta-Bau, als gelungen bezeichnen. Das weisse, langgestreckte Volumen bildet den kulissenhaften Hintergrund zu Bottas postmodernem, exzentrischem Meisterwerk, das nun zur skulpturalen Ikone stilisiert wird.

Skulptur und Wolke

Der zehnstöckige Museumsneubau, der dank einer unvergleichbaren Kampagne in nur drei Jahren realisiert werden konnte, sollte nicht nur als dienendes Bauwerk hinter der Botta-Skulptur stehen. Deshalb haben sich die norwegischen Architekten eine ebenso wirkungsvolle wie spektakuläre Fassade ausgedacht, die dem Bau eine eigene Identität verleiht. Die unregelmässig erscheinende horizontale Faltung der dünnen Polymer-Paneele erinnert an eine Wolke und erzeugt je nach Tages- und Jahreszeit interessante Licht-und-Schatten-Spiele. Die Inspiration dazu wollen die Architekten von den in San Francisco regelmässig aufziehenden Nebelwänden erhalten haben.

Der Erweiterungsbau des SF MoMA bei Nacht gesehen von der Howard Street.

Der Erweiterungsbau des SF MoMA bei Nacht gesehen von der Howard Street.

Museumsdirektor Neal Benezra sieht im neuen Bauteil zudem ein architektonisches Element, das Bottas zeichenhaftes Werk besser ins Stadtbild integriert. Mit verschiedenen Zugängen, Ausblicken und Terrassen und mit der einfachen Versinnbildlichung des für San Francisco typischen Nebels haben Snøhetta Architekten diese Aufgabe erfüllt – wenn auch nicht in allen Teilen gleich überzeugend.

Dank einem neuen Eingang sowie einem Skulpturengarten vor einer mit 1900 Pflanzen begrünten «Living Wall» im zweiten Geschoss setzt sich die Erweiterung als eigenständiges Bauwerk in Szene. Dabei orientiert es sich mit seinen Öffnungen und der Terrasse im siebten Geschoss nach Nordosten und steht so gleichsam Rücken an Rücken mit dem Botta-Bau. Durch das pragmatisch klare Aneinanderrücken der beiden ungleichen Bauten konnten Snøhetta Architekten ein lichtdurchflutetes Treppenhaus, das an Felsschluchten erinnert, sowie drei Etagen mit administrativen Räumen schaffen, die sich mit Fensterbändern zur Strasse und zur Stadt hin öffnen. Immer aber konnten Snøhetta Architekten auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, errichteten sie doch seit der Bibliothek in Alexandrien zahlreiche komplexe Kulturbauten.

Einheit im Inneren

Neu ist das Erdgeschoss des SF MoMA gratis zugänglich. Von hier gelangt man ins Foyer im ersten Stock, von dem aus Aufzüge und Treppen in die sechs Ausstellungsgeschosse führen. Dort bemerkt man kaum, wo die Erweiterung aufhört und der Botta-Bau anfängt, so gekonnt wurden die Räume aufeinander abgestimmt. Dabei wurde das neue Gebäude getrennt vom bestehenden Haus errichtet. Zwischen den beiden besteht ein Spalt, der im dritten Obergeschoss durch ein kleines Fenster sichtbar und auf jedem Stockwerk durch zwei metallene Bodenplanken gekennzeichnet ist. Diese dienen der Erdbebensicherheit. Denn beide Bauten müssen sich bei Erschütterungen unabhängig bewegen können. Im Ernstfall klappen die Planken hoch und öffnen den Spalt.

Blick über die Yerba Buena Gardens auf Mario Bottas zeichenhaftes Museumsgebäude des SF MoMA und den dahinter als kulissenhafter Rahmen sich erhebenden Erweiterungsbau von Snøhetta.

Blick über die Yerba Buena Gardens auf Mario Bottas zeichenhaftes Museumsgebäude des SF MoMA und den dahinter als kulissenhafter Rahmen sich erhebenden Erweiterungsbau von Snøhetta.

In enger Zusammenarbeit mit den Kuratoren wurden klare, unaufgeregte Ausstellungsräume entwickelt, die alle flexibel sind und interessante räumliche Situationen ermöglichen. Davon profitieren die über 1500 zum Teil hochkarätigen Werke moderner und zeitgenössischer Kunst von Ellsworth Kelly bis Gerhard Richter, die dem SF MoMA von Doris und Donald Fisher als Leihgabe auf 100 Jahre zur Verfügung gestellt wurden und den Bau erst nötig machten. Dank der Fisher Collection zählt nun das SF MoMA zu den bedeutendsten Museen der USA.