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Wo einst Pferde speisten
Spectrum

Pferdeställe sind in der Regel selten für feierliche Zusammenkünfte konzipiert. Das brachliegende Restaurant in den ehemaligen Ställen des Schlosses Lamberg in Steyr hatte daher großen Veränderungsbedarf. Ein gelungenes Beispiel für das Erreichen hoher räumlicher und kultureller Qualität.

21. Mai 2016 - Romana Ring
Es gibt viele Beweggründe, sich gute Architektur zu leisten. Als die Österreichischen Bundesforste die Erstellung eines Businessplanes für das brachliegende Restaurant im Schloss Lamberg in Steyr bei ihr in Auftrag gaben, analysierte Herta Neiss, Geschäftsführerin des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz, nicht nur die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Standortes. Sie wies in ihrer Studie auch mit Nachdruck darauf hin, dass das Erreichen hoher räumlicher und kultureller Qualität Voraussetzung des Geschäftserfolges sein würde. Der zuständige Vorstand der Bundesforste, Georg Schöppl, stellte im Einklang mit dem Businessplan ein dem Unterfangen würdiges Budget zurVerfügung und beauftragte mit den in Steyr ansässigen Hertl.Architekten ein Architekturbüro, das seine Sensibilität im Umgang mit historischer Bausubstanz bereits unter Beweis gestellt hatte. Das ist gerade im Bereich der Gastronomie, wo man nur allzu oft auf die kosmetische Wirkung vermeintlich dekorativen Trödels zählt, keine Selbstverständlichkeit.

Nun ist das Schloss Lamberg so etwas wiedie Essenz der Stadt Steyr, deren malerische Vielfalt von ihrer Lage am Zusammenfluss von Enns und Steyr geprägt wird. Mit seiner dreieckigen Grundrissformzeichnet das auf dem Felsen nordwestlich desStadtplatzes liegende Gebäude diese topografische Besonderheit nach. Aus einer mittelalterlichen, 1727von einem Brand zerstörten Burg hervorgegangen, ist das Schloss ein Werk des oberösterreichischen Barockarchitekten Johann Michael Prunner. Die von ihm errichtete Schlosskapelle in dem der Enns zugewandten südöstlichen Trakt wird heute vom Magistrat der Stadt als Standesamt genutzt und ist als Ort für Eheschließungen sehr beliebt. Mit der in den ehemaligen Stallungen im Südwesttrakt untergebrachten Gastronomie stehen nun auch angemessene Räume zum Feiern von Festen zur Verfügung.

Der Anspruch, den die Gesamtanlage mit ihrer privilegierten Lage, der barocken Architektur und der bis in die Zeit der Ungarnstürme zurückreichenden Geschichte erhebt, ist hoch. Diesem Anspruch heute ebenso gerecht zu werden wie der legitimen Erwartung, zeitgemäßen Komforts zu entsprechen und gleichzeitig den nicht minder berechtigten Forderungen des Denkmalschutzes, ist eine Leistung, die gerade angesichts der ursprünglichen Nutzung der Räume nicht zu unterschätzen ist. Denn wenngleich die seinerzeit darin untergebrachten Pferde wohl keine Ackergäule waren, sondernteure, mit hochpreisigen Autos vergleichbare Prestigeobjekte: Pferdeställe sind in der Regel ebenso wenig für feierliche Zusammenkünfte konzipiert wie Garagen. Es bestand also erheblicher Veränderungsbedarf, der über die technische Sanierung des Vorgefundenen weit hinausreichte.

Diese ging bis an die Grundfesten des Bestandes: Das vom Pferdeurin kontaminierte historische Holzstöcklpflaster wurde entfernt, der Verputz an Wänden und Gewölben abgeschlagen und der Boden einen Meter tief abgegraben. Bei dieser Gelegenheit wurden die von Säuren zerfressenen Fundamente der tragenden Säulen wiederhergestellt, und es wurde ein zeitgemäßer, gegen Feuchtigkeit abgedichteter wärmegedämmter Fußbodenaufbau eingebracht. Auchnutzten Hertl.Architekten die Gunst der Stunde, um störende Einbauten zu entfernen und die dem Restaurant zugeordneten Räume auf ihre ursprüngliche Form zurückzuführen. Durch die Erweiterung der Fläche um bisher untergeordnet genutzte Räume stehen dem Betrieb jetzt zwei unterschiedlich gestimmte Speisesäle und eine Bar zur Verfügung, die von einer Catering-Küche versorgt werden. Die Küche kann über ein breites Tor direkt vomSchlosshof her beliefert werden. Der Haupteingang in das Lokal liegt nun zwischen den beiden Sälen in einem Raum, der sich über die gesamte Tiefe des Traktes erstreckt und sowohl über den Hof als auch über die den Schlossgraben flankierende Gartenterrasse zugänglich ist. Beiden Eingängen sind Windfänge zugeordnet, die mit jeweils beidseitig angeordneten, bis zum Ansatz der Gewölbe geführten Kästen als ebenso effizient wie diskret gestaltete Garderoben dienen. Die Türen der Windfänge sind aus Glas, sodass der Blick quer durch das Gebäude erhalten bleibt.

Auch in der Längsrichtung kommt die Flucht der Räume unverstellt zur Geltung. Die daraus gewonnene Großzügigkeit unterstreicht den festlichen Charakter, den wir von Säulenreihen unterteilten, mit Gewölben gedeckten Hallen a priori zuschreiben. Doch gerade überwölbte Räume sind akustisch höchst problematisch: ein Umstand, dem bei der Umdeutung historischer Gebäude häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Eine den jeweiligen Saal fassende Lamperie – im frei möblierbaren Lambergsaal bis zur Unterkante der vorgefundenen Steinverkleidung mit den darin eingearbeiteten Pferdetränken geführt, im Fürstensalon als Rückenlehne der umlaufenden Sitzbank genutzt – dämpft den Schall und verbirgt überdies alle Leitungen, die für die Bereitstellung zeitgemäßen Komforts notwendig sind. Das Lokal verfügt somit auch über EDV-Anschlüsse und Bühnentechnik sowie über eine ausreichend dimensionierte Lüftungsanlage. Das alles ohne Störung des historischen Erscheinungsbildes erreicht zu haben setzt nicht nur akribische Detailarbeit seitens des Architekturbüros voraus, sondern auch dessen Fähigkeit, den eigenen Gestaltungswillen mit dem Charakter des Ortes in Einklang zu bringen.

Denn obwohl man dem neuen Restaurant im Schloss Lamberg auf den ersten Blick attestieren möchte, es sähe so aus, als wäre nichts geschehen: Es bedarf nicht einmal der Bilder zur Darstellung des Unterschiedes zwischen „vorher“ und „nachher“, um zu wissen, dass sich ein Gastronomiebetrieb des 21. Jahrhunderts auch gestalterisch von Stallungen der Barockzeit unterscheiden wird. Ausgehend vom neuen Eichenboden, der als Reminiszenz an das alte Holzstöckelpflaster gewählt wurde, haben Hertl.Architekten in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt ein neues Farbkonzept entwickelt, das mit seinen Beige-, Braun- und Grautönen die historische Gliederung der Raumhülle unterstreicht. Die durchwegs indirekt angelegte Beleuchtung hebt das Zusammenspiel von geschwungenen Linien und gewölbten Flächen zusätzlich hervor.

Während Lambergsaal und Fürstensalon hell gestimmt sind, ist die kleine Bar am Ende der Raumflucht in Anlehnung an die vorgefundene Holzverkleidung eine dunkle Holzschatulle, die in einer ihrer Wände erfrischend apfelgrün gehaltene Sanitärzellen verbirgt; und wer genau schaut, entdeckt auf den hinterleuchteten textilen Schirmen, mit denen die Theken der Bar und der Ausschank in einer Nische des Lambergsaales verkleidet sind, die Umrisse menschlicher Gestalten von der Hüfte abwärts. Sie sind die Antwort auf die zart in die helle Lamperie des Lambergsaales eingearbeitete Erinnerung an jene Pferde, die dort schon lange nicht mehr an der Tränke stehen.

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