Wie die ETH die Regeln sprengt

Das Departement für Architektur der ETH Zürich wirft all seine Kompetenzen in die Waagschale und plant einen Bau, an dem fast nichts normal ist. Die Professoren sprechen von Forschung im Massstab 1:1.

Irène Troxler
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Das Dach soll aus Abfallholz in Leichtbauweise gefertigt werden. (Bild: ETH Zürich)

Das Dach soll aus Abfallholz in Leichtbauweise gefertigt werden. (Bild: ETH Zürich)

Von «Befreiung» ist auf dem Campus Hönggerberg der ETH am Dienstag wiederholt die Rede gewesen. Nach der Monte-Rosa-Hütte plant das Institut für Technologie in der Architektur erneut einen Bau, der sich weitgehend um die Konventionen der Architektenzunft foutiert. Diesmal allerdings für den Eigengebrauch: Mit dem Arch-Tech-Lab erhält das Institut mit seinen neun Professuren ein gemeinsames Dach.

Dach aus Abfallholz

Ein gewöhnliches Dach wird es allerdings nicht sein: Modellbilder zeigen eine riesige, amorph gewellte Holzskulptur, die weitgehend frei über einer grossen Halle schwebt. Gefertigt wird die Konstruktion aus rund 45 000 minderwertigen kleinen Holzstäben, die Roboter gemäss einem digitalen Modell zusammenbauen sollen. In Leichtbauweise gefertigt, wird der Neubau auf zwölf Stelzen über die Parkgarage des HIL-Gebäudes gestellt. Dank der Leichtbau-Technologie werde rund ein Drittel weniger Material verbaut als üblich, was auch die Energiebilanz des Projekts verbessere, sagte Sacha Menz, Vorsteher des Departements Architektur, am Dienstag vor Medienvertretern. Energetisch verfolgt die ETH einmal mehr ihr Zero-Emissions-Konzept: Statt die Gebäudehülle aufwendig zu dämmen, wird die Abwärme in Erdsonden gespeichert, um die Räume im Winter damit zu heizen. Man baue nicht einmal eine Wärmerückgewinnungsanlage für die Abluft, sagte Hansjürg Leibundgut, Professor für Gebäudetechnik. Dies gelte in der Branche als Provokation.

Der Bau sei nicht nur ökologisch vorbildlich, sondern auch günstig, sagen die ETH-Professoren. Pro Arbeitsplatz nehme man etwa 100 000 Franken in die Hand. In der Privatwirtschaft seien demgegenüber rund 200 000 Franken üblich. Insgesamt soll das neue Arch_Tech_Lab auf 30 Millionen Franken zu stehen kommen. Preisdämpfend wirkt sich unter anderem die Wahl der Materialien aus. Die Fassade etwa ist die eines Industriebaus. Innen wird vieles roh bleiben, und zur Toilette müssen manche Mitarbeiter einen Weg von 80 Metern auf sich nehmen. Dies sei möglich, weil die künftigen Nutzer in die Planung mit einbezogen worden seien. In mancher Hinsicht erfüllt der Bau die gesetzlichen Anforderungen nicht. Dennoch liegt die Baubewilligung seit dem Juli vor – mit einigen Auflagen. Laut Menz kam die Stadt Zürich der ETH entgegen, da es sich um ein Forschungsprojekt handelt.

Planen per Blog

Auch beim weiteren Planen und Bauen geht die ETH neue Wege. Statt das übliche Ausschreibungsverfahren in Angriff zu nehmen, publiziert sie den Baubeschrieb auf einem Blog und lädt interessierte Unternehmen ein, ihn zu kommentieren. Wie dieses Verfahren mit den öffentlichen Vergaberegeln unter einen Hut zu bringen ist, scheint aber noch nicht vollends geklärt zu sein.

Der Bau an der ETH erfüllt nicht alle gesetzlichen Vorgaben, wurde unter dem Prädikat Forschung trotzdem bewilligt. (Bild: ETH Zürich)

Der Bau an der ETH erfüllt nicht alle gesetzlichen Vorgaben, wurde unter dem Prädikat Forschung trotzdem bewilligt. (Bild: ETH Zürich)

2015 soll das Architekturlabor spätestens bezugsbereit sein. Dann wird das gemeinsame Forschen an architektonischen Verfahren weitergehen, unter anderem in einer grossen Robotikhalle im Erdgeschoss.

Im Innern des Baus soll vieles roh bleiben. (Bild: ETH Zürich)

Im Innern des Baus soll vieles roh bleiben. (Bild: ETH Zürich)

Vom 26. September bis zum 19. Oktober wird das Projekt in einem Frachtcontainer auf dem ETH-Campus Hönggerberg präsentiert.