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Wie Landschaftsplanung Stadt macht
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Landschaft ist ein geeignetes Medium für die Entwicklung integrativer und flexibler Stadtsysteme, Landschaftsarchitektur eine Disziplin mit stadtplanerischer Kompetenz. Aus diesem Trend wurden in Wien einige Projekte entwickelt, die sich sehen lassen können.

25. Februar 2017 - Stephanie Drlik
Seit einigen Jahren konfrontiert der globale Wandel unsere Zeit mit dringlichen Herausforderungen. Allen voran geraten die wachsenden Städte in den Fokus des Interesses, als Mitverursacher und Katalysator soziokultureller Trends und negativer ökologischer Prozesse. Die gesellschaftliche Verantwortung, die Planerinnen und Planer tragen, wird immer deutlicher – das betrifft auch die Landschaftsarchitektur. Oder gerade die Landschaftsarchitektur, denn das Professionsverständnis der Disziplin ist seit jeher von den hohen Ansprüchen der nachhaltigen Entwicklung geprägt.

Dieses Verständnis und das entsprechende Handwerkszeug, mit dem Landschaftsarchitektinnen und -architekten ausgerüstet sind, machen die Profession in diesen Zeiten zu einer höchst marktrelevanten Zukunftsdisziplin. Um diese Marktrelevanz auch in Österreich zu erlangen, muss sich jedoch künftig noch einiges ändern. Eine den architekturgeprägten Planungsprozess abschließende Behübschung der Oberflächen kann keine tiefgreifenden landschaftsarchitektonischen Konzepte hervorbringen. Landschaftsarchitektur, die für unsere Lebenswelten existenziell relevant sein soll, denkt in großen Systemen und setzt zu Beginn der Entwicklung von Stadtquartieren – also bereits in der städtebaulichen Planungsphase – ein.

Eine Theorie, die Landschaftsarchitektur als stadtplanende Disziplin begreift, ist das in den USA geprägte Konzept des Landscape Urbanism. Die Landschaft ist dabei Ausgangspunkt und Grundbaustein des Städtebaus, räumlich ordnende Struktur und Medium für die Entwicklung flexibler Stadtsysteme. Die Theorie sieht das Quartier nicht nur aus der Landschaft entwickelt, vielmehr wird die Siedlung mit ihrer Infrastruktur, den Straßen, Parks und Plätzen selbst zur Landschaft: Landschaft als integratives System. Für Österreich durchaus ambitionierte Forderungen, bedeutet es doch, Stadtentwicklung als breit aufgestellten, interdisziplinären Prozess zu verstehen, Pluralität und Partizipation zu leben sowie baukulturelle Innovationen zuzulassen und diese politisch mitzutragen.

Während sich so manche innerdisziplinäre Debatte noch immer um die Abgrenzung von Begrifflichkeiten wie Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur oder Objekt- und Ordnungsplanung im Kreise dreht, gehen innovative Landschaftsarchitekturbüros derweilen neue Wege. Durch die Beherrschung aller Instrumente, die von der städtebaulichen Ordnungs- bis zur bauplatzbezogenen Objektplanung notwendig sind, eröffnen sich Büros die Möglichkeit, in größeren Sphären zu denken.

Die in dieser Entwicklung realisierten Ergebnisse können sich im internationalen Vergleich durchaus sehen lassen und steigern die Relevanz der österreichischen Landschaftsarchitektur. So etwa das Landschaftsprojekt der Wiener Außenring-Schnellstraße S1 (ARGE Anna Detzlhofer & Max Rieder), das durch großmaßstäbliche, skulpturale Landschaftsformationen denbeim Straßenbau entstandenen Masseüberschuss in ein straßenintegratives Landschaftsökosystem verwandelt hat.

Ein weiteres gelungenes und realisiertes Beispiel in dieser Kategorie ist der namensgebende See der Wiener Seestadt Aspern. Auf der Suche nach einem Medium, das möglichst viele Synergien zwischen Landschaft und Siedlung schafft, wurde die weitreichende Idee eines Landschaftssees – bereits lange vor der Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs – ins Leben gerufen: Identitätsstiftung und Adressbildung durch eine große Landschaftsfläche, die in Produktion und Erhaltung erschwinglich ist; die Schaffung nachhaltiger ökologischer und sozialer Werte für das spätere Quartier sowie die Bereitstellung natürlicher Ressourcen.

Maßgeblich für diese inhaltliche Entwicklung zeichnet das Büro Knollconsult Umweltplanung verantwortlich, das nicht nur an der beschriebenen Ideenfindung und der Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs beteiligt war, sondern auch mit der Planung des fünf Hektar großen Sees beauftragt wurde. Der Realisierung liegt ein umweltorientiertes Baumanagement zugrunde, im Zuge dessen durch systemische Ansätze über einen Zeitraum von drei Jahren ein ökologisch resilienter Erholungsraum geschaffen wurde. Gemeinsam mit der Planung des Seeparks durch die ARGE Lavaland Treibhaus Landschaftsarchitektur konnten übergeordnete, landschaftsräumliche Zusammenhänge, ein tiefgreifendes Ökosystem und eine starke landschaftliche Identität für das Quartier geschaffen werden. Bei diesem Projekt ist die starke freiraumgeleitete Positionierung hervorzuheben, dank der – von der städtebaulichen Entwicklungsphase bis zur objektplanenden Ebene – durchgängig mit landschaftsarchitektonischer Kompetenz gearbeitet wurde.

Im aktuellen Wiener Planungsgeschehenbefinden sich derzeit zwei städtebaulich interessante Landschaftsprojekte in Umsetzung, bei denen räumlich und ökologiebasiert mit großmaßstäblichen, landschaftlichen Gegebenheiten gearbeitet wurde. Die Wiener Quartierentwicklung im Donaufeld versucht mit einem ambitionierten elf Hektar großen Grünzug Stadtklima zu schaffen (Querkraft Architekten, Stadtland). Und auf dem Gelände des ehemaligen Nordbahnhofshat Studiovlay ein städtebauliches Konzepte entwickelt, das durch erhebliche bauliche Verdichtung am Rand des Planungsgebietes in der Mitte einen zwölf Hektar großen Landschaftsraum freispielt.

Gemeinsam mit dem französisch-deutschen Landschaftsarchitekturbüro Agence Ter sieht man für die freie Mitte auf dem Nordbahnhof abgestufte Gestaltungsintensitäten und Pflegeanforderungen vor, von Stadtwildnis bis intensiv gestaltet. Kern der Idee ist, durch Einsparung von Verkehrsflächen und durch extensive Freiraumgestaltung Kosten zu minimieren, dabei jedoch Gebrauchs- und Erlebniswerte zu maximieren. Der Planung liegt ein durchdachter und vielschichtiger systemischer Ansatz zugrunde, dennoch ist das Projekt in Fachkreisen umstritten. Man fürchtet, der zu erwartende Nutzungsdruck im Endausbau könnte die Kapazität eines solchen Freiraumkonzeptes sprengen, mit gravierenden Folgen für das gesamte Quartier. Die verantwortlichen Planer halten dennoch an dem Konzept fest und fordern eine zurückhaltende Ausgestaltung der Freiflächen.

Nun, da die Planung kurz vor Abschluss der Widmung steht, führen die Größe der Fläche und die vielschichtigen Anforderungen zwischen Stadtwildnis und intensiver Parkgestaltung zu Unklarheiten bezüglich der Verwaltungszuständigkeiten. Bei einer systemisch so groß gedachten städtebaulichen Leitidee scheinen verwaltungsrelevante Probleme im Zuge der Realisierung doch recht klein.

Dennoch: Wie die Stadt mit der Ausgestaltung und mit der Pflege der freien Mitte umgehen wird, könnte gerade für das Gelingen dieses Projektes am Ende entscheidend sein.

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