Zeitschrift

anthos 2017/01
Baustellen
anthos 2017/01
zur Zeitschrift: anthos
Herausgeber:in: BSLA

Auenschutzpark Aargau

Die Wiederanbindung des Seitenarms «Chly Rhy» und die Anlage von Stillgewässern im Zuge der Renaturierung einer Rheinaue von nationaler Bedeutung ist nicht nur ein gelungenes Aufwertungs­projekt am Hochrhein. Es ist auch eines der seltenen Beispiele für eine Grossbaustelle im Bereich Fluss- und Wasserbau.

3. März 2017 - Marco Kaufmann
Die renaturierte Rheinaue in Rietheim ist das Herzstück des Auenschutzparks Aargau. Sie liegt an der grössten freien Fliessstrecke des Hochrheins zwischen Bodensee und Basel. Ein wichtiger Bestandteil dieser Aue ist der 1,5 Kilometer lange Seitenarm «Chly Rhy», welcher zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Rhein abgetrennt wurde.

Der Projektperimeter umfasst rund 35 Hektaren, ist im Eigentum des Kantons Aargau sowie der Pro Natura und liegt gemäss Richtplan vollständig im Auengebiet. Aufgrund ihrer Lage und Ausdehnung hat die Rietheimer Aue ein grosses Renaturierungspotenzial. Ihre Aufwertung ist ein wichtiger Bestandteil des internationalen «Lachs 2020»-Projekts mit dem Ziel, die Situation am stark an natürlichen Lebensräumen verarmten Rhein zu verbessern. Ausserdem soll die Durchgängigkeit für Wassertiere, insbesondere für die Zielart Lachs, wiederhergestellt werden.

Vielfältige Massnahmen

Der Seitenarm Chly Rhy ist heute wieder an den Rhein angeschlossen und dynamisiert. Die Aufschüttungen im Mündungsbereich aus den Zeiten des nicht vollendeten Kraftwerksbaus im Rhein wurden entfernt, damit sich der ursprüngliche Weichholzauenwald wieder etablieren kann. Ausserdem konnten zusätzliche Stillgewässer wie Giessen und Tümpel geschaffen werden. Als Ersatz für die früher im Rhein vorhandenen Kies- und Sandbänke wurde ein Trockenstandort in Form eines sanften Sandbuckels aufgeschüttet. Ehemals intensiv genutzte Ackerflächen werden neu als extensive Weiden oder Schnittwiesen genutzt, und auch die Riedwiesen-Restflächen sollen sich künftig wieder ausdehnen können.

Der Rhein gibt das Bauprogramm vor

Mit der Renaturierung werden die dynamischen Prozesse des Fliessgewässers gefördert, zudem wird die Überflutungshäufigkeit im Perimeter erhöht und ein vielfältiges Auenmosaik geschaffen.

Die Auen

leben von den Extremen: tagelange Überflutungen, zerstörerische Dynamik, aber auch extreme Trockenheit und Hitze auf den Kiesbänken. Diese grossen saisonalen und wetterbedingten Schwankungen der Wasserstände sind eine der Ursachen für die riesige Artenvielfalt der Auenlandschaften.

Das Grundwasser – ein ständiger Begleiter

Während der Bauphase war der hohe Grundwasserspiegel eine grosse Herausforderung, die uns immer wieder vor neue Fragen und Probleme stellte: Wie kann der Bauablauf mit diesen Rahmenbedingungen optimiert, und wie können einzelne Elemente hier erstellt werden? Insbesondere der sehr starke und hohe Grundwasserstrom im Rietheimer Feld erwies sich immer wieder als Knackpunkt. So waren beim Bau der Brückenwiderlager der drei neuen Brücken und des Einlaufbauwerks in den Seitenarm Chly Rhy umfangreiche Baugrubensicherungen mit Spundwänden und starken Pumpen notwendig, damit überhaupt gearbeitet werden konnte. Auch ein grosser Teil der Aushubarbeiten erfolgte im Grundwasser.

Unterschiedliche Wasserstände als Chance

Der Wasserpegel des Hochrheins, der durch den Bodensee und die Zuflüsse von Thur, Töss und Glatt geprägt wird, hatte einen direkten Einfluss auf den Bauablauf. So mussten einerseits wegen kurzfristig auftretender Hochwasser immer wieder Arbeiten eingestellt oder verschoben werden.

Anderseits war nach einer kurzen Schönwetterperiode das ganze Gelände schnell trocken und es bildeten sich grosse Staubwolken, welche die Arbeiten ebenfalls erschwerten.

Die schwankenden Wasser- und Grundwasserstände machten wir uns zunutze und arbeiteten gezielt mit ihnen, indem wir alle neuen Gewässer mit unterschiedlichsten Tiefen schufen und dadurch sowohl breite Uferzonen wie auch eine grosse Lebensraumvielfalt erreichten. Insbesondere kleinere, grundwassergespiesene Tümpel, welche als Laichgewässer für Pionieramphibienarten angelegt wurden, werden künftig zeitweise, vor allem im Winterhalbjahr, trockenfallen.

Die Baustelle läuft

Eine Grossbaustelle mit den vielen beteiligten Planern, kantonalen Fachstellen, Interessenvertretern und Handwerkern zu organisieren und zu führen, stellt an die Projekt- und Bauleitung hohe Anforderungen. Und sie bedingt eine regelmässige Präsenz vor Ort. In den 14 Monaten Bauzeit fand alle zwei Wochen eine Bausitzung statt, insgesamt 30 Mal. Dabei waren immer die Vertreter der Bauherrschaft, die Bauleitung, Vertreter der Standortgemeinde sowie die Bauunternehmung anwesend. In diesem Gremium wurden die Entscheidungen getroffen. Die Fachspezialisten, wie zum Beispiel für den Bodenschutz (bodenkundliche Baubegleitung BBB[1]) oder Altlasten, Brückenbau-Ingenieure oder Vertreter der Werkleitungseigentümer wurden situativ und je nach Bauphase dazu eingeladen.

Die Tiere erobern ihren neuen Lebensraum

Weil ich morgens um sechs Uhr, vor einem offiziellen Baustellentermin, die Biber in den neuen Gewässern beobachten konnte, bei einer Besprechung von den jagenden Baumfalken über dem Giessen abgelenkt wurde oder bei Bauleitungsaufgaben vom Ruf des Kuckucks und des Pirols begleitet wurde, bin ich überzeugt, dass sich die vielen Herausforderungen vollumfänglich gelohnt haben. Eine neue wunderbare Auenlandschaft ist im Entstehen.


Anmerkung:
[01] Das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau hat zum Thema Bodenschutz umfangreiches Material publiziert, unter anderem zum «Pflichtenheft Bodenkundliche Baubegleitung»: http://bit.ly/2js1mFn [10.01.2017].

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: anthos

Ansprechpartner:in für diese Seite: Daniel Haidd.haid[at]fischerprint.ch

Tools: