Bauwerk

Wohnbau Paltramplatz
DMAA - Wien (A) - 2002

Wohnbau darf sexy sein

Die Architekten Delugan-Meissl planten für den gemeinnützigen Bauträger „Neues Leben“ einen Mietwohnbau von hoher Anmut.

30. November 2002 - Franziska Leeb
Schwarz gilt als die Modefarbe der Saison. Schon allein so betrachtet haben Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan ihr Wohnhaus am Paltramplatz in Wien-Favoriten perfekt in der Zeitgeistschiene platziert. Dennoch sah der erste Entwurf für diesen Bauplatz anders aus und es ist daher notwendig, die Genesis dieses Projektes zu erläutern.

Ursprünglich erdachten nämlich Delugan-Meissl ein „Boarding-House“ für Kurzzeit-Mieter. Zu jeder Einheit hätte ein Smart-Auto mitvermietet werden sollen, das die Bewohner mittels Aufzug direkt auf die Wohnebene gebracht hätte. In einem multifunktionalen Möbelelement, das sich hinter der vollständig verglasten Fassade abgezeichnet hätte, sollte die Basisausstattung untergebracht sein.

Das ungewöhnliche Konzept erschien für den Standort aber zu riskant und der Bauträger „Neues Leben“ entschied sich für einen geförderten Mietwohnungsbau innerhalb der üblichen Rahmenbedingungen.

Delugan-Meissl entwickelten dafür eine tragende Betongrundstruktur, innerhalb derer eine große Vielfalt an Grundrissen möglich ist. Schnittstellen zwischen innen und außen zählen zu Merkmalen der Bauten dieses Wiener Teams. Hier sind es verglaste Loggien, die etwa 60 cm auskragen.

Von außen gewähren sie etwas Einblick und umgekehrt stellen sie den Bewohnern den Kontakt zum öffentlichen Raum her. Sie sind oft von zwei Räumen aus zugänglich und verleihen der Fassade ein unregelmäßiges Relief.

Gemeinsam mit der Technischen Universität Wien wurde eine Energiefassade aus schwarzen Schichtstoffplatten entwickelt, die Solarenergie speichern, welche man für die Warmwassergewinnung nutzen kann. Ein Pflanzenkleid, das sich über ein Nirostagerüst die Fassade emporgerankt hätte, sollte als natürlicher Klimaregulator dienen. An den Wiener Brandschutzbestimmungen scheiterte jedoch der Einsatz der organischen Schichtstoffplatten und damit auch die Klimafassade. Realisiert wurde das grundsätzlich gleiche Projekt dann mit einer Fassade aus den anfangs erwähnten schwarzen Eternittafeln.

Zusammen mit den dunklen Verblechungen der auskragenden Loggien und den schwarzen Fensterrahmen entstand eine monochrome Gebäudehülle, die je nach Lichtstimmung vorführt, welch reiches Spektrum an Schattierungen die Nichtfarbe Schwarz bietet. Abweisend wirkt die Fassade aus diesem Grund nicht, auch weil das Innere der Loggien mit den rotbraunen Sperrholzwänden und dem Inventar der Mieter nach außen durchschimmert. Auch die verglaste Eingangszone mit den gelben Wänden und einem Lichtobjekt von Helmut Rainer ist ein repräsentativer Mittler zwischen dem Straßenraum und dem Hausinneren. Die leicht ansteigende Rampe gleicht das Platzgefälle aus und wirkt als einladende Geste. Damit das Haus mit seinem zurückspringenden Dachgeschoß nicht wie „ein abgebrochener Eckzahn“ dasteht, erhielt die Dachterrasse eine breite Krempe aus gelochtem Blech.

Integrierte Photovoltaikpaneele versorgen Stiegenhaus und Sauna mit Ökoenergie. Durch ihre Öffnungen zeichnen Sonne und Vollmond ein bewegtes Lichtpunkte-Muster auf die darunter liegenden Fassadenbereiche. Auf keinen Fall würde sie ihre Wohnung gegen eine gleichpreisige größere anderswo eintauschen, erzählt eine junge Frau, die sich wegen der Architektur hier eingemietet hat.

Das ist wohl das beste Argument dafür, dass auch der so genannte soziale Wohnbau extravagant und ein bisschen sexy sein darf. Die oft gerühmte Zeitlosigkeit endet in der Pragmatik des Baubetriebs sowieso viel zu oft in öder Banalität.

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