Bauwerk

ORF Zentrum Küniglberg
Roland Rainer - Wien (A) - 1978
ORF Zentrum Küniglberg, Foto: Margherita Spiluttini
ORF Zentrum Küniglberg, Foto: Margherita Spiluttini

Geliebt? Ungeliebt? Ikone!

Der ORF will nun doch auf dem Wiener Küniglberg bleiben. Wie er mit seinem gebauten Erbe umgeht, ist noch nicht entschieden. Ein Diskussionsbeitrag zum Denkmalschutz.

6. Oktober 2012 - Franziska Leeb
Zweimal wurde der ORF mit dem Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten ausgezeichnet. Zuerst 1973 für die von Gustav Peichl geplanten Landesstudios Linz, Salzburg, Innsbruck und Dornbirn, die vor einigen Jahren von Peichl selbst saniert wurden. Den drei Erstgenannten kam dabei die charakteristische Außenwandstruktur aus silbrig gestrichenen Betonfertigteilen unter einer weiß verputzten Wärmedämmung abhanden.

Die zweite Bauherrenehrung konnte der ORF 1975 entgegennehmen: Nicht für ein Gebäude, sondern für den Film „Gott schütze uns vor Otto Wagner“ von Jörg A. Eggers, der die Wertvorstellungen der Gesellschaft im Zusammenhang mit der Architektur diskutierte. Damals protestierten Architekten gegen den drohenden Abriss von Wagners Stadtbahn-Pavillon am Karlsplatz. Jener in Hietzing wurde – weil als funktionsuntüchtig angesehen – abgerissen. „Noch ein Jahrzehnt, dann wird die gesamte öffentliche Meinung hinter diesen Bauten stehen, wie sie nach 1945 hinter jenen der Ringstraße stand. Dann wird die Stadtbahn geschätzt werden als das, was sie ist: neben der Ringstraße die bedeutendste städtebauliche Leistung Wiens“, prophezeite der Architekt Hermann Czech in den 1960er-Jahren.

Mittlerweile hat der ORF seinen Ruf als verdienter Bauherr aufs Spiel gesetzt, ausgerechnet im Umgang mit seinem Flaggschiff, dem ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg. Für Architekturexperten eine der Paradebauten der Nachkriegsmoderne, für Historiker eine der Signaturbauten der damals jungen Republik. Architekt Roland Rainer (1910–2004) hat den 1968–1976 errichteten Großbau in einer Fertigteilbauweise konzipiert, die ihm geeignet schien, „Wesen und Eigenart des Betriebes in seiner Mischung von kultureller und technischer Atmosphäre“ ablesbar zu machen. Ab den 1980er-Jahren folgten in mehreren Bauetappen ebenfalls von Rainer geplante Erweiterungen. Es entstand über die Jahre ein Konglomerat an unterschiedlichen Baukörpern, die sich zu einer großen Masse, der bekannten „Burg“, formieren. Studios, Büros, Hallen, Werkstätten etc. bilden in sich ein lebendiges Gefüge verschiedenartiger Funktionen. Es ist kein fescher Bau aus einem Guss, mit dem leicht der Geschmack einer Mehrheit zu befriedigen wäre. Bei aller Rationalität und trotz des enormen Volumens fiel das Ergebnis aber nicht pragmatisch plump aus, sondern dank Roland Rainers unbändigen Willens zur Qualität gelang eine plastisch durchgebildete architektonische Form, die ihre Konstruktion nicht verleugnet, sondern unverkleidet darlegt. „Verpackungsarchitektur“ war Rainer zuwider.

Diese drohte dem ORF-Zentrum schon ein Jahr nach Roland Rainers Tod angesichts anstehender Sanierungsmaßnahmen. Seither geisterten Absiedlungsszenarien durch die Medien. Die gute Lage der „Burg“ würde sich ja auch für ein Sanatorium oder Altersheim eignen, lautete eine der Nachnutzungsideen. Vom Aufbruch des ORF in eine neue Zukunft im Media Quarter St. Marx und vom sanierungsbedürftigen Millionengrab Küniglberg ist seither die Rede. Aktueller Stand ist, dass der ORF auf dem „Berg“ bleibt; wie er mit seinem architektonischen Erbe umgehen wird, ist nicht geklärt. Dass überhaupt eine Diskussion über eine adäquate Form der Sanierung öffentlich wurde, ist Jürgen Radatz, Rainers Mitarbeiter bei der letzten Bauetappe am ORF-Zentrum, zu danken. Angesichts einer 2005 erstellten Probefassade mit außen liegendem Vollwärmeschutz äußerte er begründete Bedenken, ob mit dem notwendigen Sachverstand für die Prinzipien von Rainers Architektur agiert würde. Gemeinsam mit Rainers Tochter, Architektin Eva Rubin, erarbeitete er ein Sanierungskonzept, das ohne Styroporverpackung auskommt und den Charakter des Gebäudes bewahrt.

Als im Eigentum einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft befindliches Bauwerk galt für das ORF-Zentrum der Denkmalschutz kraft gesetzlicher Vermutung, der mit der Novelle des Denkmalschutzgesetzes im Jahr 2000 endete, das dem Bundesdenkmalamt (BDA) die Möglichkeit gab, Objekte durch Verordnung unter Schutz zu stellen. Seit Februar 2007 gilt dies auch für den Rainer-Bau auf dem Küniglberg. Um einen endgültigen Bescheid zu erwirken oder die Denkmalwürdigkeit zu widerlegen, bedarf es eines Feststellungsverfahrens. Ein solches wurde 2009 unter Planungsstadtrat Schicker seitens der Stadt Wien beantragt. Bis zum noch nicht absehbaren Abschluss dieses Verfahrens steht der Bau rechtmäßig unter Denkmalschutz. Das BDA sei in die Entscheidung über alle bereits jetzt als notwendig erachteten Sanierungsschritte eingebunden, so Landeskonservator Friedrich Dahm und der zuständige Referent Oliver Schreiber, der ebenfalls betont, dass nur ein funktionierendes Gebäude ein gutes Denkmal sei. Der ORF funktioniere jedenfalls.

Die Diskussion über den Umgang mit Bauten der (Nachkriegs-)Moderne wird seit jeher mit hoher Expertise geführt. Jüngst präsentierte die Österreichische Gesellschaft für Architektur die verdienstvolle Publikation „Bestand der Moderne“, die auf einer gleichnamigen Fachtagung aufbaut. Der Band artikuliert die Spannungsfelder, die im Zusammenhang mit der Frage nach dem adäquaten Umgang mit dem modernen Erbe zutage treten, und stellt Referenzbauten vor. Der Schweizer Architekt und Autor Bruno Reichlin fordert als Voraussetzung für jede Umnutzung, Instandsetzung oder Restaurierung eines Gebäudes die Erstellung einer monografischen Studie. Die Zusammenarbeit von Architekten und Historikern sollte zur gängigen Praxis werden und so schließlich zu einem neuen Kenntnisstand verhelfen. Das ORF-Zentrum wäre ein Paradeprojekt für eine solche interdisziplinäre Analyse gewesen, die sich nicht auf Probleme bauphysikalischer oder statischer Natur beschränkt. Sie hätte die Basis für eine visionäre Weiterentwicklung eines ikonischen wie lebendigen Ensembles ebenso sein können wie eine Übung zur Stärkung der eigenen Identität. Denkmalschutz ist keine Bedrohung, sondern eine Herausforderung. Noch ist es nicht ganz zu spät.

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