Bauwerk

Kantonsspital Luzern - Neue Frauenklinik
Daniele Marques - Luzern (CH) - 2001
Kantonsspital Luzern - Neue Frauenklinik, Foto: Margherita Spiluttini
Kantonsspital Luzern - Neue Frauenklinik, Foto: Margherita Spiluttini

Ein Glaskörper als Wahrzeichen

Die neue Frauenklinik von Daniele Marques in Luzern

7. Dezember 2001 - Fabrizio Brentini
Wer auf dem Luzerner Spitalhügel bauen will, muss sich - neben der Erfüllung des Bauprogramms - mit einer über 100-jährigen Geschichte auseinandersetzen. Hier stehen auf engstem Raum architektonische Zeugnisse verschiedenster Epochen, von denen einige als bemerkenswert klassifiziert werden müssen, so etwa das pathologische Institut von Heinrich auf der Maur ausdem Jahre 1932 und die neue psychiatrische Klinik von Ammann und Baumann von 1996. Beherrscht wird das Areal vom Bettenhochhaus ausden frühen achtziger Jahren, das mit seiner zeittypischen Brauntönung das Schicksal all jenerArchitektur teilt, die von der jeweiligen Gegenwartsszene als überwundene Fehlleistung abgetanwird und so von einer vorurteilslosen architekturhistorischen Wertschätzung bis zur nächsten Generation ausgeschlossen bleibt. Dies war die Ausgangslage, als 1994 die Planung einer neuen Frauenklinik in Angriff genommen wurde. Der räumlichen Komplexität entsprechend musste der Architekt Daniele Marques (damals noch mit seinem Partner Bruno Zurkirchen) ein Volumen gestalten, das sich zwischen dem Bettenhochhaus im Osten und den kleineren Trakten im Westen behauptet und die beim Bauplatz beträchtliche Hanglage besänftigt. Schliesslich sollte die Materialisierung der Aussenhülle Eigenständigkeit verleihen, ohne sich aufzudrängen.

Marques entschied sich für einen janusköpfigen Baukörper: Auf der Vorderseite schliesst sich dem lang gestreckten Bettenflügel leicht abgewinkelt und um eine Stufe niedriger ein gedrungener Kopfbau an, dessen vordere Kante in der Weise den Hang aufschneidet, dass dadurch die Wirkung eines Einfalltores für den ganzen Spitalbezirk entsteht. Dieser zeichenhaften Geste wirddurch die lange Rampe der flachen Treppe zusätzliche Bedeutung verliehen. Die Rückseite hingegen wird durch drei gestufte Blöcke aufgebrochen, wodurch sich eine Verzahnung mit dernachbarschaftlichen Bebauung ergibt. Die vollständig mit Glas (deckend, opak emailliert odertransparent) eingekleidete Fassade erzeugt vielfältigste Lichtstimmungen. Die zahlreichen sowohl durch die Geländeneigung als auch durch die Baufluchten verursachten Schrägen werden mit den unterschiedlichen Dachebenen zitiert.

Exakt am Übergang zwischen dem Kopfbau und dem Bettenflügel zeigt die geschossübergreifende Befensterung das entschiedenste architektonische Element im Innern an, einen als Scharnierfungierenden Treppenschacht, der dank raffinierter Lichtführung den trapezförmigen Freiraum vor den Patientenzimmern mit den schmalen Gängen des Büro- und Schultraktes verbindet. Hier intensivierte die bereits in der Projektierungsphase zugezogene Künstlerin Carmen Perrin das Spiel der durch Glaspaneele und Glasbrüstungen initiierten Spiegelungen mittels einer zusätzlichen Schicht aus schwarzem Eisenoxid, die von der Künstlerin auf Hochglanz poliert wurde. Die übrigen Eingriffe von Perrin sind ausgesprochen spartanisch, aber subtil auf die Funktion des neuen Gebäudes abgestimmt. Von ihr ausgesuchte Zitate - poetische Gedanken von Frauen - zieren die Wände, wobei die Schriftzüge aus durchsichtigem Harz nur bei austariertem Lichteinfall erkannt werden können. Diese unprätentiösen Interpretationen sind die einzig adäquate Antwort auf eine Architektur, die Präsenzschafft, ohne auf eine aufdringliche Zeichenhaftigkeit angewiesen zu sein.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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