Bauwerk

Chiesa del Giubileo
Richard Meier - Rom (I) - 2003
Chiesa del Giubileo, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES
Chiesa del Giubileo, Foto: Klaus Frahm / ARTUR IMAGES

Weiß, pur, klar

Rom jubelt, Rom schimpft. Zwei Bauten Richard Meiers: eine Kirche, die weiß ist und weiß bleibt, und ein Museum, das ein Monument einhüllt - und manche an eine Tankstelle oder eine Kläranlage erinnert.

10. September 2006 - Franziska Leeb
Ein jüdischer Architekt hat den Wettbewerb für den Neubau einer Kirche in Rom gewonnen", vermeldete Radio Vatikan vor zehn Jahren. Es ging nicht um irgendeine Kirche, sondern um die „Jubiläumskirche“ für das Heilige Jahr 2000. Fertiggestellt wurde sie erst drei Jahre später. Und jetzt, wo die Jubelhymnen des internationalen Architekturfeuilletons über den spektakulären Sakralbau verstummt sind, der Ansturm der Architekturtouristen sich gemäßigt hat und das effektvoll publizierbare Gotteshaus sich im Alltag bewähren muss, kann mit Fug und Recht behauptet werden, dass es nicht unbedingt einen guten Katholiken als Architekten braucht, um hochklassige, spirituelle Kirchenarchitektur zu planen. Richard Meier - bekannt für seine ausgeprägte architektonische Handschrift und die stets weißen Bauten - gewann den Wettbewerb gegen seine renommierten Kollegen Frank Gehry, Günther Behnisch, Santiago Calatrava, Peter Eisenman und Tadao Ando. Fast zeitgleich beauftragte der damalige römische Bürgermeister und jetzige Kulturminister Francesco Rutelli den New Yorker Pritzker-Preisträger direkt mit der Planung einer neuen, heuer fertiggestellten Einhausung der Ara Pacis im historischen Zentrum und sorgte damit für eine hitzige Architekturdebatte. Doch davon später.

Den Akzent des schwarzen Priesters, der im August den Pfarrer vertritt, versteht die rüstige Pensionistin nicht recht und zieht deshalb ein Schwätzchen auf dem Kirchenvorplatz der Predigt vor. Aber auf die neue weiße Kirche ist sie ebenso wie die anderen Gemeindemitglieder sichtlich stolz.

Wie ein Schiff mit drei riesigen, vom Wind geblähten Segeln steht der strahlend weiße Bau inmitten des Wohnviertels Tor Tre Teste am östlichen Stadtrand von Rom. Auf den ersten Blick ist er ein Fremdkörper zwischen den hohen Wohnblocks. Eine weitläufige, mit Travertin gepflasterte Piazza liefert dem glamourösen Schiff einen adäquaten Ankerplatz. Mauern umgeben den schlichten, unmöblierten Platz. Die profane Umgebung ist weitgehend ausgeblendet. Die Vermutung, es sei Überheblichkeit und Effekthascherei bei der Konzeption dieses katholischen Prestigebaus im Arbeiterviertel zugange gewesen, zerschlägt sich vor Ort sofort. Kirche und Platz sind ein Hort der Ruhe und eine städtebauliche Mitte in einer disparaten Umgebung. Schnell erschließt sich das Gebäude, das trotz der eigenwilligen Form durchaus klassischen Kirchenkonzeptionen mit Hauptschiff, Seitenschiffen und Glockenturm entspricht. Viel Tageslicht - und im August auch die Sommerhitze - erfüllen den Kirchenraum durch die verglasten Dächer, die zwischen die weißen Betonscheiben gespannt sind. Innovative Technologie soll das Weiß der Kirche „Dives in Misericordia“ langfristig erhalten.

Mehl aus Carraramarmor macht die Betonfertigteile strahlend weiß, und beigemengte Partikel aus Titanoxid - das Ganze nennt sich fotokatalytischer Zement - sorgen dafür, dass organische Schmutzpartikel durch Sonneneinstrahlung abgebaut werden.

Neben der lichtdurchfluteten Kirche beinhaltet der Komplex ein viergeschoßiges Gemeindezentrum, das im Norden an den hohen Kirchenraum anschließt. Es ist erstaunlich, wie pur sich das Innere auch nach einigen Jahren Gebrauch präsentiert. Keine Spur von Gummibäumen und Teppichen, mit denen in modernen Kirchen oft hilflos wirkende Versuche zur Vergemütlichung eines kargen Raumes unternommen werden. Meier gelang trotz der Klarheit und Absenz von Farbe ein Raum von hoher Spiritualität, der selbst ohne Hintergrundwissen zum Symbolgehalt sich den Besuchern und Gläubigen zu erschließen vermag. So richtig überzogen wirken eigentlich nur die von Bulgari für die Kirche hergestellten liturgischen Gegenstände aus Silber, die wie in einem Juwelierladen präsentiert werden.

Wenig schmeichelhaft hingegen sind die Attribute, die Meiers zweitem Bau in Rom zugedacht wurden: Tankstelle oder gar Kläranlage nennen die Römer die neue Einhausung der Ara Pacis. Der ursprünglich an der Via Flaminia, der heutigen Via del Corso, situierte Altar wurde unter Mussolini zum 2000. Geburtstag des als Vorbild gut tauglichen Imperators Augustus an einer im Stadtbild wirkungsvolleren Stelle als dem Fundort, zwischen Augustus-Mausoleum und dem heute stark vom Verkehr frequentierten Lungotevere wiederhergestellt. Überbaut wurde er nach Plänen des Architekten Vittorio Ballio Mopurgo (1890 bis 1966) mit einem für damalige Verhältnisse ungewöhnlich großzügig verglasten tempelartigen Pavillon.

Da der alte Schutzbau angeblich die Konservierung des zur Erinnerung an die Pax Augusta und zur Huldigung des Kaisers im Jahr neun vor Christus eingeweihten Altares mit seinen kostbaren Reliefs nicht mehr gewährleistete, beschloss Bürgermeister Rutelli den Abriss und bestellte bei Richard Meier einen räumlich umfassenderen Neubau für ein Ara-Pacis-Museum, der zwangsläufig größer als der Vorgängerbau werden musste. Die Römer standen dem Vorhaben von Anfang an skeptisch gegenüber, forderten gar den Abriss, und selbst nach der unter Polizeischutz vorgenommenen Eröffnung am 21. April, dem Jahrestag der Gründung Roms, haben sich die Wogen der Entrüstung nicht geglättet. Zu massiv sei der Bau, er gebe nach außen hin zu wenig vom Altar preis, und es wurde „in architektonischer, archäologischer und historisch-städtebaulicher Hinsicht mit dem Neubau der Bezug zum Kontext radikal verfehlt“, wie es einer der vehementesten Gegner, der Architekt Giorgio Muratore (bauwelt, Juni 2006), formuliert, dem eine unspektakuläre Sanierung des Bestandes lieber gewesen wäre.

Mehrmals musste Meier den Entwurf überarbeiten und zum Beispiel die zum Lungotevere hin abschirmende Natursteinwand verkleinern. Und obwohl die in den harten Kontroversen vorgebrachten Argumente der Gegner nicht ganz nachvollziehbar sind, wünschte man sich heute doch, das Projekt wäre mit weniger Sturheit seitens der römischen Stadtregierung durchgeboxt worden. Im Vergleich zur Kirche am Stadtrand ist das Ara-Pacis-Museum in architektonischer Hinsicht wenig aufregend. Es erfüllt die Funktion, dem antiken Bauwerk eine bestens klimatisierte Hülle und den Besucherscharen eine höchst angenehme Besichtigung zu gewährleisten - viel mehr aber nicht.

Jener Zeitgenosse, der auf der Abbildung am Bauzaun das Gebäude mit einem „Ikea“-Logo versah, hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Ordentliches Design, gut brauchbar, aber für die ganze große Klasse reichte es halt nicht.

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