Bauwerk

Centre Pompidou
Renzo Piano, Richard Rogers - Paris (F) - 1977
Centre Pompidou, Foto: Margherita Spiluttini

Monster für die Massen

Das Centre Pompidou gilt bis heute als Phänomen - teuer, aber erfolgreich.

2. Februar 2002
Manchen erinnert es an eine Ölraffinerie mitten in der Stadt, andere sehen es als architektonisches Monster. Von einer „Gymnastikhalle für King Kong“ war kurz nach der Eröffnung des Gebäudes die Rede.

Das Ungeheure (oder Ungeheuer, wie einige meinen) steht im Pariser Marais-Viertel. Die Welt kennt es als Centre Pompidou, benannt nach dessen geistigem Vater, Frankreichs Ex-Staatschef Georges Pompidou. Neben dem Eiffelturm und dem Mont Saint Michel ist es heute die am häufigsten besuchte Sehenswürdigkeit Frankreichs.


25.000 Besucher täglich

Vor 25 Jahren wurde die Kulturmaschine für die Öffentlichkeit geöffnet und schon wenig später von den Massen gestürmt. Mehr als 25.000 Besucher täglich drängten sich über Jahre hinweg in das vom Italiener Renzo Piano und dem Briten Richard Rogers entworfene Centre.

Zwanzig Jahre danach schlug man Alarm: Das Gebäude aus Stahl und Glas mit den außen geführten Rohren, Aufzügen und Leitungen drohte ob der intensiven Nutzung zusammenzubrechen.


Ein Gebäude wie ein Magnet

Der Grund für die große Anziehung war klar: Das Gebäude war so markant, dass alles, was man an Großartigem in der Welt der Kunst präsentieren wollte, im Centre Pompidou gezeigt werden sollte.

Das Museum der Modernen Kunst mit den Hauptwerken des 20. Jahrhunderts lockte ebenso wie eine Serie spektakulärer Großausstellungen und, nicht zu vergessen: die jahrzehntelang einzige funktionierende öffentliche Großbibliothek in Paris. Alleine Letztere zog täglich Tausende Leser an.


Der kostenlose Blick über Paris

Viele Besucher des Centre nutzten den Weg über die Aufstiegsröhren auf das Dach auch dazu, um einen Gratisausblick auf Paris zu genießen. Andere gingen auf die zwei Plätze vor dem Centre, um teilzuhaben an Straßenspektakel und Speaker's Corner.


Schluss mit gratis

Das Gratiserlebnis Centre Pompidou ist nun stark eingeschränkt. Seit einer großen Renovierung zwischen 1997 und 2000 ist das Centre zwar rundum erneuert, aber nicht mehr so leicht begehbar wie früher. Wer heute auf das Dach hinauf will, der braucht eine Eintrittskarte für das Museum Moderner Kunst.


Teurer Kuss

So mancher Pariser bedauert das. War man früher noch am Abend mit der Geliebten auf das Dach gefahren, um mit den Augen über die Dächer von Paris zu flanieren, so hält einen heute ein bulliger Türsteher am Fuß der Treppenröhren von dem Billigvergnügen ab.


Kostspieliger Umbau

Umgerechnet etwa 87,2 Mio. € (1,2 Mrd. S) kosteten die Renovierungsarbeiten, bei denen die Pariser „Kunstmaschine“ mit der extravaganten Architektur aus Glas und den bunt gestrichenen Metallröhren innen komplett neu gestaltet wurde.


Mehr Platz für alle

Durch die Auslagerung der Hausverwaltung in ein Nachbargebäude konnten 8.000 Quadratmeter gewonnen werden, sodass das Centre nun auf acht Ebenen über eine Gesamtfläche von 70.000 Quadratmetern verfügt.

Insgesamt wurde das Centre bei weitem heller und übersichtlicher als bisher gestaltet. Piano ließ vor allem den Eingangsbereich umgestalten und vergrößern. Im Untergeschoß wurden vier Veranstaltungssäle für Musik und Tanztheater sowie ein Foyer mit Cafe neu geschaffen.

Auch das Nationale Museum für Moderne Kunst im vierten und fünften Stock wurde komplett umgestaltet. Statt bisher rund 800 Objekte können nun rund 1.400 ausgestellt werden. Und auch in der Bibliothek gibt es jetzt 2.000 Sitzplätze mehr.


Das Centre als Phänomen

Die Entstehungsgeschichte des Centre und sein Erfolg gelten bis heute als Phänomen. Angeregt wurde der avantgardistische Neubau 1969 von dem konservativen Staatspräsidenten Georges Pompidou, der ein Kenner und Förderer moderner Kunst war.

1971 wurde der Auftrag an die Architekten erteilt, die Fertigstellung erlebte der krebskranke Präsident nicht mehr - er starb 1974.


Kühner Formwille der Architekten

Beachtung fand das Gebäude vor allem durch den kühnen Formwillen der beiden Architekten. Um mehr Fläche im Gebäude zu gewinnen, wurden alle Funktionselemente des Gebäudes sichtbar nach außen verlegt und farblich sogar noch akzentuiert.

Was von Architekten davor bei Monstergebäuden dieser Art sorgsam verborgen wurde, das stellen Piano und Rogers deutlich zur Schau.

Mit dem Gebäude war das Industriedesign in das historische Zentrum einer Stadt gezogen. Deutlicher als bei vielen anderen Gebäuden stand stets eines im Fordergrund: die Funktion, nicht die ästhetische Gestaltung. Die Menschen haben dieses Prinzip zumindest beim Centre angenommen.

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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