Bauwerk

River and Rowing Museum
David Chipperfield - Henley-on Thames (GB) - 1998
River and Rowing Museum, Foto: Margherita Spiluttini
River and Rowing Museum, Foto: Margherita Spiluttini

Cool Britannia?

Der Architekt David Chipperfield in Henley-on-Thames

Dank Mode, Design und Kunst steht London gegenwärtig im Rampenlicht. Im Bereich der Architektur hingegen macht Cool Britannia fast nur mit schrägen Bar- und Restaurantumbauten Schlagzeilen. Die beiden wohl wegweisendsten neuen Gebäude aber sind das Medienzentrum von Future Systems in London und David Chipperfields River and Rowing Museum in Henley.

11. Dezember 1999 - Roman Hollenstein
London rüstet sich auf das Jahr 2000, und allenthalben entstehen neue Bauten. Doch Begeisterungsstürme können sie kaum entfesseln. So wurde etwa das Royal Opera House in Covent Garden durch den postmodern anbiedernden Umbau von Jeremy Dixon und Edward Jones in eine gigantische Banalität verwandelt. Das mehr als eine halbe Milliarde Franken teure Machwerk veranschaulicht, dass die thatcheristische Theorie von der Architektur als überflüssigem und teurem Beiwerk zum Bauen grundlegend falsch ist.

Dennoch konnte oder wollte bisher auch New Labour nicht für eine Besserung sorgen, sehr zum Leidwesen der jungen Architekten, die sich - anders als die YBAs - mehr schlecht als recht mit Kleinstaufträgen über Wasser halten. Von ihnen stammen einige der schrägen Laden-, Bar- und Restaurantumbauten, die der gegenwärtigen Londoner Architekturszene einen Hauch von Cool Britannia verleihen. Sonst jedoch dominiert fast allenthalben Phantasielosigkeit, selbst wenn der dank James Bond nun auch ausserhalb Englands bekannt gewordene, nachts mit seiner silbrig schimmernden Kuppel und den rot glühenden «Landestegen» zum Ufo mutierende Millennium Dome von Grossmeister Richard Rogers durchaus Emotionen wachrufen kann.

Frostiges Architekturklima

Doch vermag auch der Dome, für den sich sogar Stars wie Zaha Hadid als Innendekorateure zur Verfügung stellen, nicht dem Vergleich mit der am Südufer der Themse ihrer baldigen Eröffnung entgegenstrahlenden Tate Modern von Herzog & de Meuron standzuhalten. In der gegenwärtigen Krise der etablierten britischen Architektur sucht selbst die einst durch die exzentrischen High-Tech-Visionen von Archigram geprägte Architectural Association (AA), immerhin eine der führenden Architekturschulen weltweit, vermehrt bei Kontinentaleuropäern Inspiration: Nachdem sie bereits 1996 Peter Zumthors Thermalbad in Vals als Meilenstein zelebriert hatte, lässt sie zurzeit das wohl interessanteste Berliner Büro, Sauerbruch & Hutton, im hauseigenen Ausstellungssaal zu Wort kommen. In einer mitunter geradezu an Lohse gemahnenden Installation präsentieren die einstigen AA-Absolventen neben ihren bisherigen Hauptwerken, dem Berliner GSW-Hochhaus und dem Photonik-Zentrum, auch ihre neusten Projekte in Form von Plänen, Zeichnungen und etwas bizarren 3-D-Darstellungen: das Bundesumweltministerium in Dessau, eine Polizeiwache in Berlin, eine Fabrik in Magdeburg sowie zwei Londoner Wohnhäuser.

Die von Koryphäen wie Foster oder Rogers und einigen Grossunternehmern dominierte britische Architektur ist gegenwärtig derart ausgelaugt, dass für die Jury, die vor wenigen Tagen den begehrten Stirling Prize des Royal Institute of British Architects zu vergeben hatte, nur zwei Bauten ernsthaft zur Debatte standen: das modisch spektakuläre Retro Piece des über dem Lord's Cricket Stadium schwebenden Medienzentrums von Future Systems (NZZ 25. 11. 99) sowie das einem komplexen Minimalismus verpflichtete, John Soanes Raumgefühl mit der Materialsinnlichkeit der Neuen Einfachheit verbindende River and Rowing Museum in Henley-on- Thames von David Chipperfield - beides vergleichsweise preisgünstige Bauten, die für sogenannt konservative Auftraggeber realisiert wurden. Schliesslich fiel die Wahl auf Future Systems. Das hat wohl auch damit zu tun, dass man sich in Grossbritannien selbst dann noch an die High- Tech-Heilsbotschaft klammert, wenn sie - wie im Fall des preisgekrönten Medienzentrums - längst ironisch gebrochen wird.

Von seinen architektonischen und urbanistischen Qualitäten her kann das harmonisch in die Flussauen der Themse eingebettete River and Rowing Museum in Henley aber durchaus mit dem Medienzentrum rivalisieren, auch wenn es mit seinen steilen Giebeldächern und der das Obergeschoss umhüllenden Holzverkleidung zunächst eher etwas traditionell wirkt. Chipperfield hat das aus zwei parallel angeordneten Baukörpern bestehende Museum, seinen ersten Grossauftrag in England, sorgsam aus den Gegebenheiten des Ortes entwickelt. Doch anders als Terry Farrells etwas flussabwärts im Zentrum von Henley gelegenes postmodernes Hauptquartier der Royal Regatta von 1985, das auf die alten Landsitze am Fluss Bezug nimmt, ist Chipperfields neues Museum ebenso zeitgenössisch wie seine Bauten in Kyoto oder sein gigantisches Projekt für die Berliner Museumsinsel.

Ein Meisterwerk an der Themse

Indem das River and Rowing Museum sich auf massiven Pfeilern über der sumpfigen Flussaue erhebt, verweist es gleichermassen auf die Idee der Urhütte als auch auf die Häuser der Pfahlbauer, womit die Vergangenheit dieser alten Kulturlandschaft schon im Gebäude selbst angedeutet ist. Das in der Art eines Zentempels von einer hölzernen Plattform gerahmte Eingangsgeschoss im Hochparterre ist verglast. Darüber schweben wie umgekehrte Schiffe die an Louis Kahns Kimbell Art Museum erinnernden Galerien, die der Geschichte des Flusses und des Städtchens Henley, vor allem aber dem Rudersport - Henley ist jeweils im Juli Austragungsort der legendären Royal Regatta - gewidmet sind.

Das Museum besitzt auch eine Galerie für temporäre Veranstaltungen, in der zurzeit eine Ausstellung über Chipperfields jüngste Bauten und Projekte zu sehen ist. Der 46jährige Londoner Architekt beschränkte die für ein breites Publikum gedachte Schau weitgehend auf seine überaus attraktiven Holzmodelle. Sie repräsentieren realisierte Arbeiten wie die vieldiskutierte Villa in Berlin-Schöneberg oder das elegante Bürohaus am Düsseldorfer Hafen, aber auch die Entwürfe für ein Theaterzentrum in Bristol, die Friedhoferweiterung in Venedig, den Justizpalast und die Altstadtsanierung von Salerno, das Museum der Weltkultur in Göteborg sowie das Kunstmuseum in Davenport, Iowa. Die Modelle können zwar eine Vorstellung von Chipperfields formalem Erfindungsgeist, nicht aber von seinen Raumerfindungen vermitteln. Hier kommt nun das gleich mit zwei Modellen vorgestellte River and Rowing Museum, Chipperfields bisheriges Chef d'œuvre, als direkt erlebbares Originalexponat zum Zuge. Wer nach einem Rundgang durch das Haus Chipperfields atmosphärische Raumsequenzen auch noch auf einem alltäglicheren, aber nicht weniger gelungenen Niveau kennenlernen möchte, dem sei anschliessend zu einer Besichtigung des japanischen Nudelrestaurants Wagamama an der Lexington Street in London geraten.

[ Die Chipperfield-Ausstellung im River and Rowing Museum in Henley-on-Thames dauert bis zum 12. März; Begleitpublikation £ 18.50. - Die Ausstellung Sauerbruch & Hutton in der AA am Bedford Square dauert bis zum 22. Januar; kein Katalog. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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