Bauwerk

Schweizerische Hochschule für die Holzwirtschaft
Marcel Meili, Markus Peter Architekten - Biel (CH) - 1999

Ein Kultbau mit Schattenseiten

Der Neubau der Hochschule für die Holzwirtschaft in Biel wurde zum Inbegriff des Innovativen hochstilisiert. Die Zürcher Architekten Meili & Peter haben die Erwartungen nur teilweise erfüllt.

21. September 1999 - Christoph Allenspach
Marcel Meili und Markus Peter haben sich, zusammen mit Zeno Vogel, in Biel einen Traum erfüllen können, den Architekten immer wieder in der Wirklichkeit umzusetzen versuchen. Sie haben eine Art ideale Architektur gebaut und ihr oft publiziertes Modell ohne Kompromisse umsetzen können. Die Holzstruktur ist in der Grossform ebenso eindrücklich und lebendig wie im Kleinformat.

Noch selten sind einem Gebäude so grosse Erwartungen vorausgeeilt. Die Holzarchitektur wurde von Anfang an zu einem Kultbau hochstilisiert, der verschiedene Aspekte der aktuellen Debatte in der Schweizer Architektur auf den Punkt bringen und die Entwicklung vorantreiben würde. Für eine Besichtigung der Baustelle vor rund einem Jahr reisten die Architekten scharenweise an.

So fest wie Beton

Erstmals seit langer Zeit konnte in der Schweiz wieder ein grosser Holzbau realisiert werden. Bereits die Überwindung der feuerpolizeilichen Schranken sind eine beachtenswerte Leistung. Mit seinen vier Geschossen und den annähernd hundert Meter Länge, ist das Gebäude ausserdem von eindrücklicher Erscheinung. Die Architekten setzten sich aber auch bei der Konstruktion ehrgeizige Ziele. Sie wollten mit innovativen Methoden die Fesseln des traditionellen Zimmermannsbaues zerreissen und die Masse von Spannweiten und Öffnungen der Fassaden erweitern. Das ist ihnen mit Unterstützung des Ingenieurs Jürg Conzett auch gelungen.

Das Prinzip ist die Stapelung von vorfabrizierten Holzkasten im Verbundsystem. Die horizontal und vertikal geschichteten Grosselemente bilden selbsttragende und unabhängige Raumkuben, die wiederum aufeinander gestapelt wurden. Das System ist unabhängig vom Betonkern, der aus feuerpolizeilichen Gründen gebaut werden musste. Das Eichenholz hat in dieser Kombination die Festigkeit von Beton. Die Elemente bringen bei 50 Prozent Material 120 Prozent der Leistung eines herkömmlichen verleimten Trägers

Das Ergebnis sind neben den grossen Räumen auch die grossen und zahlreichen Fenster. Die Leistung des Ingenieurs ist beachtlich, übrigens auch beim Betonkern, wo die Bodenplatten lediglich von den Gehäusen der Treppen, Lifte und Sanitäranlagen getragen werden und frei auskragen.

Spröde und sperrig steht das neue Schulgebäude inmitten von traditionellen und nostalgisch anmutenden Holzbauten. Er soll gegenüber dem Heimeligen neue Akzente setzen. Die Materialien, neben dem halben Dutzend verschiedener Hölzer auch der Beton, sind provokativ roh verarbeitet worden. Der Wille zu einem zeitgemässen hölzernen Ausdruck ist offensichtlich, wirkt aber irgendwie verkrampft, eine Spur zu heroisch.

Architektur ohne Licht

Eine Enttäuschung sind die Innenräume. Offensichtlich waren die Architekten derart mit der Konstruktion und den Raumfiguren beschäftigt, dass sie ein Grundprinzip der Architektur aus den Augen verloren: funktionale und gut belichtete Räume zu schaffen. Hier hat die Realität nicht mehr viel mit dem Traum gemein. Die Korridore sind auf sämtlichen Geschossen düster wie in einem Keller. Das Tageslicht, das dann und wann seitlich oder von oben einfällt, verpufft wirkungslos und erzeugt kaum die erhofften Effekte. Kunstlicht muss sogar an hellen Sommertagen aushelfen. Die Klassenräume ihrerseits sind zwar durch die grossen Wandöffnungen grosszügig belichtet, wirken aber irgendwie freudlos und fade.

Unverständlich sind die fehlenden Bezüge zwischen den Innen- und Aussenräumen. Das Innere scheint geradezu abgeschottet. Selbst von den grosszügigen, zweigeschossig hohen Loggien führt kein Weg und keine Treppe nach draussen. Als ob es die Architekten geradezu auf Barrieren abgesehen hätten, müssen sich die Hundertschaften von Schülerinnen und Schülern durch enge Eingänge zwängen.

Vollends ernüchternd ist das Foyer, der eigentliche Fixpunkt des Gebäudes. Die 10 Meter hohe und 25 Meter lange Holzkiste, mit einem einzigen Fenster auf Augenhöhe und einer Reihe unter der Decke, soll offenbar ein reines Raumerlebnis vermitteln. Doch das Dasein in der (fast) hermetisch abgeschlossenen Welt wirkt bedrückend. Der Mensch wird klein in diesem Volumen, und riesige Lichtröhren, die von der Decke hängen, drohen ihn zu erschlagen.

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Für den Beitrag verantwortlich: TagesAnzeiger

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