Bauwerk

Haus Oberlik
Wolfgang Oberlik - Brand-Laaben bei Neulengbach (A) - 1998
Haus Oberlik, Foto: Margherita Spiluttini
Haus Oberlik, Foto: Margherita Spiluttini

Das Haus des Architekten

In der südsteirisch anmutenden Hügellandschaft um Brand-Laaben verwirklichte sich das Architektenpaar Oberlik einen Lebenstraum. Ein kompromissloses Idealhaus als naturnahe Bühne für exzessive Geselligkeit, kreative Entfaltung und persönliches Wachstum.

2. Oktober 2004 - Isabella Marboe
Im eigenen Landhaus wollte das Architektenpaar Oberlik endlich kompromisslos planerische Ideale realisieren. Es sollte ihre großzügige Architektur-und Lebensauffassung auf den Punkt bringen. Als intelligentes, modernes Low-Budget- Projekt bettet sich das materialechte Haus nun harmonisch in die Natur, sein offener Innenraum mit Landschaftspanorama wird zur lichten Bühne geselliger Kochevents mit bis zu 70 Freunden, aber auch zum individuellen Rückzugsort zu kreativer Entfaltung und persönlichem Wachstum.

Der Weg dorthin war weit: zwei Jahre suchte das Paar nach einem Ort in Wiennähe, der nach einer stressigen Arbeitswoche absolut entrücktes Feriengefühl bietet. Seinen Idealplatz fand es in Brand- Laaben, etwa 30 Kilometer westlich der Stadtgrenze. Hier, wo der Wienerwald in lichtungsreicher Weite ans Mostviertel grenzt, scheint die Zeit still zu stehen. Die sanften Hügel mit Obstbaumwiesen, grasendem Vieh und alten Gehöften wirken südsteirisch.

Als ein Landwirt 44 Hektar verkaufte, zog der Architekt die Konsequenz zum kompromisslosen Bau: er wurde Nebenerwerbsbauer. Auf einer 560 Meter hohen Anhöhe, den konkurrenzlos schönsten Blick bis zum Ötscher zu Füßen, steht das Haus. Bruchsteine aus dem Felsaushub flankieren den Vorplatz der Südzufahrt, darauf wuchern Pflanzen und exotische Gewürze als Referenz an den Bauerngarten im Nutzbeet der ambitioniert kochenden Bauherrin. Innovativ zitiert das Haus die ortsprägende Stadel-Typologie.

Ein Stahlskelett bildet die Tragstruktur des rudimentären, ca. 8,80 m breiten, 30 Meter langen satteldachgedeckten Baukörpers. 7,5 Meter misst er bis zum von Mattglasscheiben aufgelösten First, 80 cm hohe Fensterbänder flankieren beide Längsfronten unter der Traufe. Sie kragt als Wartungsumgang und baulicher Sonnenschutz ein Meter aus. Innen und außen unverputzte Betonsteine bilden mit 10 Zentimeter hinterlüfteter Dämmung als Speichermasse ein energetisch optimiertes Dreischichtmauerwerk, die Heizkosten der Riesenkubatur betragen ca. 540 Euro/Jahr, der perfektionistische Eigenbauer Oberlik drückte den Quadratmeter-Preis auf 726 Euro brutto.

Archaisch ländlich wirkt die Südfront mit rauen Betonsteinen und Bank vor marillenbaumberankter Lärche. Ein großes Fenster und zwei Eingänge zitieren das Scheunentormotiv, zentral überm acht mal acht Meter Keller mit Holzschnitzelheizungsappendix ist die Haustür, vom Entree betritt man den Lebenseinraum im Westen oder das mit Kuhfellbank und Hockern als Bar designte Weinlager. Der Bauherr liebäugelt mit dem Betrieb einer Schnapsbrennerei, die vom zweiten Portal leicht zu beliefern wäre. Im Osten steigt das Gelände, extern betritt man hier zwei Gästeappartements mit Miniküche, Sanitärboxen, reduzierten Stahltreppen, Raummöbeln und Ausblick. Mit Wohnplattform und abgehängter Schlafgalerie folgen sie dem Loos’schen Raumplan.

Die Toilette am Entree ist der einzige Abschlussraum im Wohnhaus, selbstverständlich markiert der freistehende Herd mit schwebender Glasablage, großer Tafel mit Eckbank im Süden den Essbereich, die Gastroküche im Norden genügt allen Ansprüchen. In der Mitte führt eine einläufige Treppe auf die Galerieebene. Hier hat die professionell malende Bauherrin ihr Atelier mit Oberlicht, vis à vis steht das Bett, dahinter der offene Sanitärraum.

Unterm weit vorgezogenen Dach im Westen öffnet sich eine hohe Glastür zur Terrasse vor der riesigen Lebensraumbühne. Das ganze Jahr verfolgt man hier den Sonnenstand, im Sommer fällt sie mit 65° ein, wie ein Ofen strahlt die Betonwand im Rücken Wärme ab. Noch im Spätherbst sind so bis in die Nacht Sonnenuntergänge, jagende Bussarde, Hasen und Rehe zu genießen. Im Winter weht ein starker Westwind beängstigende Schneemassen an, wie eine Zugbrücke kann man dann die Lärchenholzterrasse komplett hochklappen.

Im kontinuierlichen work in progress baute der Architekt im Norden einen Werkstattstadel zu, gerade wurde die freistehende Stahlkonstruktion der Sauna fertig. Dreiseitig von verzahnten Wänden aus geschichtetem Lärchenholz umgeben, öffnet sie sich mit Panoramaglas zur Landschaft. Das auskragende Flachdach schenkt der Sauna eine geschützte Terrasse mit Kühlbassin. Der heurige Winter in Brand-Laaben wird finnisch, dann kommen die Bonsais dran.

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