Bauwerk

Langen Foundation
Tadao Ando - Neuss (D) - 2004
Langen Foundation, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES
Langen Foundation, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES

Konzeptlose Leidenschaft

Tadao Andos Museum für die Langen Foundation in Hombroich

30. Oktober 2004 - Klaus Englert
Die «Museumsinsel Hombroich» gilt schon lange nicht mehr als Geheimtipp. Denn immerhin zieht der Kunst- und Landschaftspark bei Neuss mittlerweile jährlich 70 000 Besucher an - darunter Niederländer, Schweizer und Franzosen, ja sogar Japaner. Mittlerweile ist das aussergewöhnliche Gebiet um eine Attraktion reicher. Der seit 1983 bestehende Park konnte vor etwa zehn Jahren auf eine angrenzende Raketenstation der Nato ausgeweitet werden, wo zuvor Sprengköpfe für Pershing-Raketen und Cruise-Missiles lagerten. In der folgenden Zeit verwandelten bildende Künstler wie Eduardo Chillida, Erwin Heerich und Peer Kirkeby die ehemals verbotene Stadt in den «Kulturraum Hombroich» - mit Skulpturen sowie wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen. Zu einem wahrhaft architektonischen Zugewinn führte aber erst der Entschluss des Sammlerehepaars Viktor und Marianne Langen, auf der «Raketenstation Hombroich» ein privates Museum von Tadao Ando bauen zu lassen. Der japanische Architekt sorgte für eine wohltuende Abwechslung, nachdem Erwin Heerich mittlerweile seit zwei Jahrzehnten an jeder Ecke Hombroichs seine sattsam bekannten Klinkergebäude mit kubischen Grundmustern errichtet hatte.

Licht und Schatten

Ando hat sich die Erdwälle der Raketenstation zunutze gemacht und die zwei Riegel seines Museums wie in eine Mulde eingebettet. So beherbergen die «Schutzwälle» einen langgestreckten gläsernen Quader, zu dem erst gelangt, wer zunächst eine japanische Gartenanlage überquert - durch das Tor eines konvexen Kreissegments hindurch, dann zwischen Kirschbäumen, einer konkav gestalteten Rohbetonwand und einem Spiegelteich entlang. Durch diesen zauberhaften Eingangsbereich erweist sich Ando als Meister einer «architecture parlante»: Die vordere Seite des Museumsriegels ragt wie ein Bug in den künstlichen Teich und lässt, je nach Sonnenstand, zwischen durchlaufender Glasfront und Betonkern vielfältige Schattenreflexe entstehen. Das Spiel von Licht und Schatten, der sensible Einsatz von Wasser innerhalb begrenzender Erdwälle, das Changieren zwischen opakem Sichtbeton und transparentem Glas, das Nebeneinander von funktionalen und szenischen Elementen - diese architektonische Welt Tadao Andos fügt sich wie ein Mysterium zum rationalen Baustil eines Erwin Heerich.

Die allseitige Erwartung war nicht gering, als die Langen Foundation eine Eröffnungsausstellung ankündigte, die ein interessantes Wechselspiel zwischen Architektur und Kunst versprach: «Bilder der Stille. Die Tradition Japans und die westliche Moderne». Der erste Teil der Ausstellung befindet sich in einem hermetischen Raum im Innern des Betonkerns, einem schlauchartigen Saal, der das Herzstück der Sammlung umfasst - rund neunzig, darunter höchst anmutige, japanische Rollbilder aus dem 12. bis 19. Jahrhundert. Von frühen buddhistischen Kultbildnissen über narrative Zeugnisse der höfischen Tradition bis zur profanen japanischen Malerei. Diese Schatztruhe bleibt dem Besucher auch nach der laufenden Ausstellung zugänglich.

Für den Sammlungsbestand aus der westlichen Moderne hat Tadao Ando zwei parallele Trakte, die aus einem angedockten Gebäudekomplex bestehen, sechs Meter tief ins Erdreich verlegt. Das spektakulärste Entrée zu den unterirdischen Sälen ist eine zum Hof führende Freitreppe. Allerdings zeigt sich auch hier wieder Andos Hang zur Theatralik - der Zugang endet nämlich vor einer verriegelten Glastür. Auch die Rampe hinunter zum ersten Ausstellungssaal erweist sich nicht unbedingt als sehr funktional, da die Hängung der Bilder dem architektonischen Effekt geopfert wer- den musste.

Cézanne - japanisch

Was Viktor und Marianne Langen in ihrem Leben an moderner Kunst gesammelt haben, überrascht durch etliche hochkarätige Werke, von Paul Cézanne bis Anselm Kiefer. Auffällig an den ausgestellten Arbeiten ist, dass sie mehr eine Sammelleidenschaft als ein klares Konzept verraten. Die Liebe zur alten japanischen Kunst, zu den lyrischen Graphismen und zarten Tuschezeichnungen hinterlässt ihre Spuren allenfalls in den Bildern eines Paul Klee und Joan Miró. Und es fragt sich, ob der Ausstellungstitel «Bilder der Stille» angesichts der Unterschiedlichkeit der ausgestellten Werke nicht doch etwas willkürlich gewählt wurde.

Aber zumindest bei einigen Gemälden ist unverkennbar, dass die suggestive Farbgebung besonders in der amerikanischen Nachkriegsmalerei das Sammlerehepaar beeindruckt haben musste. Wovon nicht nur die monochromatischen Ölbilder eines Mark Rothko zeugen. Auch frühere Kunstrichtungen, die sehr stark auf Reduktion bildnerischer Mittel setzen, scheinen das Interesse des Ehepaars geweckt zu haben. Beispielsweise Cézannes spätes Bild der «Montagne Sainte-Victoire». Diesen berühmtesten Berg der modernen Kunstgeschichte hat er mehrfach gemalt. Aber dieses Gemälde von 1906 ist sein einfachstes und «japanischstes».

Bilder der Stille. Die Tradition Japans und die westliche Moderne. Langen Foundation, Hombroich bei Neuss. Bis 15. Mai 2005. Katalog Euro 15.-.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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