Bauwerk

Langen Foundation
Tadao Ando - Neuss (D) - 2004
Langen Foundation, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES
Langen Foundation, Foto: Tomas Riehle / ARTUR IMAGES

Samtiger Kunstbunker am Rande der Raketenbasis

Vor einer Woche verstarb Erwin Heerich, dessen Architekturskulpturen den Grundstein in Hombroich legten. Mit Tadao Andos Langen Foundation ist nun ein weiterer Baustein hinzugekommen

13. November 2004 - Olaf Winkler
Ruhig zieht die Zeit über dem kargen Betonbogen zwischen Äckern und Weiden. Keine große Geste, schlicht eine Skulptur auf der Wiese längs des schmalen Asphaltweges, so selbstverständlich, dass man darin kaum das Portal zu einem Museum erkennen mag. Noch weisen daher Zettelchen den Weg vom Parkplatz herüber; doch sie werden verschwinden müssen, unbedingt: Tadao Andos neues Gebäude für die Langen Foundation in der weiten, flachen Landschaft bei Neuss am deutschen Niederrhein ist zu still, um die Gäste in Scharen anzuziehen, und zu asketisch, zu konzentriert, um derlei Unreinheiten zu verzeihen. Darin liegt die Faszination dieses Baus und, vielleicht, seine Bürde.

Denn es ist eine „unweltliche“ Welt, die der japanische Großmeister des samtenen Betons am Rande einer ehemaligen Nato-Raketenstation gebaut hat. Das Haus selbst weicht zurück, hinter jene geschwungene Wand, hinter die grasbewachsenen Schutzdämme der einstigen militärischen Einrichtung, hinter einen künstlichen Teich, ins Erdreich sogar. Zwei Quader stehen im 45-Grad-Winkel zueinander, der eine lang gestreckt und mit gläserner Hülle um einen massiven Kern, der andere in zwei Hälften geschnitten durch eine Freitreppe, die hinab führt zum sechs Meter tiefen Grund (und dort, leider, als theatralische Sackgasse endet). Die Teilung der Baukörper entspricht der privaten Sammlung, die Marianne Langen und ihr vor 13 Jahren verstorbener Mann Viktor in Jahrzehnten zusammengetragen haben: Wunderbare japanische Zeichnungen auf Papier und Seide finden sich ein im fünf mal 43 Meter messenden Inneren des überschlanken Baukörpers, die Werke der klassischen Moderne in den acht Meter hohen Zwillingssälen des anderen. Dazwischen: Rampen, einfache Bewegungen, Räume mit Ausblick, als träte die raue Landschaft herein.

Natur, Architektur, Kunst: Das ist der berückende Dreiklang, der hier die klare Luft durchzieht. Tatsächlich ist Andos Bauwerk nur jüngster und kleiner Beitrag zu einem einzigartigen Kulturraum, der vor mehr als 20 Jahren zu wachsen begann. Sein Kernstück bildet, rund einen Kilometer entfernt, ein knapp 20 Hektar großes Areal, das der Sammler und Immobilienhändler Karl-Heinrich Müller 1983 rund um einen verfallenen Industriellen-Landsitz aus dem 19. Jahrhundert erwarb. Zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte und Künstlern wie insbesondere Erwin Heerich verwandelte er es zum längst international beachteten Museumspark „Insel Hombroich“. Weit gestreut liegen heute in den Auen die geometrisch strengen Ziegelbauten Heerichs, als begehbare Skulpturen im Licht oder als Raum für Müllers reiche Sammlung. Unbehelligt von Aufsichtspersonal finden sich Khmer-Skulpturen neben Corinth-Blättern, Rembrandt-Zeichnungen oder Graubner'schen Farbkissen und, wenn man hinaustritt auf die kiesbestreuten Wege, Enten und Reiher zwischen Krokussen und Kopfweiden.

1994 kam die Raketenstation, mit dem heutigen Standort des Ando-Baus an seinem Rande, als Arbeits- und Forschungslabor hinzu. Bildhauer und Künstler wirken hier Seite an Seite mit Gästen - etwa eines internationalen Instituts für Biophysik in alten Hallen - und neuen Heerich'schen Bauten, durchsetzt mit Bauten und Skulpturen von Oliver Kruse, Katsuhito Nishikawa, Per Kirkeby oder Eduardo Chillida.

Eine Lebens-, nicht allein eine Kunstvision ist hier entstanden, ein respektvolles Miteinander, dem mittlerweile in ein gemeinsames Manifest von Müller, befreundeten Künstlern und einer noch größeren Zahl international renommierter Architekten vorangestellt wurde: Zur Architekturbiennale in Venedig präsentierte man ein „Raumortlabor“, aus dem weitere Planungen im Geiste Hombroichs auf den umliegenden Feldern hervorgehen sollen. Skizzen von Raimund Abraham, Krischanitz & Frank, Hoidn Wang Partner, Daniel Libeskind, Àlvaro Siza und anderen gibt es bereits, doch es entspricht dem Rhythmus von Hombroich, dass sie sich noch stetig ändern können.

Auch Ando entwarf seinen Bau zunächst ohne konkrete Nutzung. Er selbst besuchte Hombroich erstmals vor zehn Jahren und war sofort angetan von der Nähe zwischen Natur und Kultur. Marianne Langen fand die fertigen Pläne, „das größte Kunstwerk, das ich jemals erworben habe“, auf der Suche nach einer Heimstatt für ihre Sammlung. Doch sie selbst hat den Einzug der japanischen Arbeiten und der Gemälde, etwa von Klee, Rothko, Magritte, nicht mehr erleben können; sie starb im letzten Februar. Und seltsamerweise scheint die Tragik spürbar, wenn man zur Moderne hinabsteigt. Ando hat eine Bauskulptur entworfen, die meditative Kraft entfaltet und dabei den Bildern - für ein Wohnen mit der Kunst gesammelt und daher kleinformatig - luxuriösen Raum zugesteht. Zur Eröffnungsausstellung „Bilder der Stille“ hängt ein Cézanne allein und zentral an einer der hohen Stirnwände der sakral anmutenden Säle. Doch die aufgereihten Bilder an den Längswänden lassen Melancholie anklingen; metertief unter der Erde und dem hohen Raum wirken sie ein wenig wie Grabplatten, als läge das eigentliche Werk in seiner letzten Ruhestätte dahinter, was aber zu sehen ist, sei nur Inschrift, Verweis. Berührend ist das und vielleicht angemessen für den Nachlass einer mit Liebe zusammengetragenen, privaten Kollektion. Wenn die Ausstellung wechselt - auch fremde Stücke sollen gezeigt werden -, wird man dies aber bedenken müssen: Ando hat einen eigenen Ort gesetzt, mit eigenen Regeln, trotz seiner Freude an den Vorstellungen, die die Landschaft umher in zwei Jahrzehnten geprägt haben. Erst wenn man wieder hinaufsteigt in den gläsernen Umgang mit Blick auf das spiegelnde Wasser und die Dämme, über die struppige Wipfel lugen, kehrt man nach Hombroich zurück.

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