Bauwerk

Haus mit Arztpraxis
Mühlbacher Marschalek - Wien (A) - 2004

Mäander im Schatten der Schutzzone

Drei Fliegen auf einen Schlag traf ein Bauherr am schmalen Grund mit altem Hauerhaus in der Schutzzone. Im Garten planten ihm die Architekten Mühlbacher &Marschalek ein offenes, lichtdurchflutetes Wohnhaus, die sorgfältig sanierte Fassade des Altbaus birgt nun die neue, durchdesignte Ärztepraxis seiner Frau, unterm Dach fand sein Hobbyraum Platz.

18. Dezember 2004
23 Jahre träumte das Ärzteehepaar vom eigenen Haus, so lange lebte man in der zirka 100 Quadradmeter großen Startwohnung in Währing. Die jugendlichen Kids brauchten mehr Raum, die Praxis der Baufrau Facelifting, der Bauherr ist leidenschaftlicher Modellbauer, fürs Hobby mietete er einen Keller zu. Endlich fand sich ein Grund mit niedrigem Hauerhaus, der exakt auf ihre Bedürfnisse passte. 14 Meter schmal, erstreckt er sich von der Geymüllergasse zur Pötzleinsdorfer Staße, wo der Altbau mit Steildach aus der Straßenflucht lugt.

In desolatem Zustand war er ein Fall umsichtiger Sanierung in der Schutzzone. Vis-a-vis vom Elternhaus der Baufrau, neben der alten Praxis gelegen, bot er der neuen die ideale Hülle. Umsichtig planten Mühlbacher & Marschalek ein neues Haus an und das alte um. Im Warteraum läuft platzsparend und kommunikationsfördernd die ergonomisch geformte Bank ums Eck, die Lehne endet unterm Fenster. Eine Patientin mit Rückenleiden schwärmt vom neuen, gesunden Sitzen. Das mittige Lese-Spielzeugmöbel begeistert Alt und Jung. Ein Garderobenteil hat Kindformat, das Pult der Sprechstundenhilfe integrierte Ablageflächen, die Praxis u. a. einen durchdesignten Schreibtisch. Der Linoleumboden setzt sich an den Möbeln fort, sein Ocker und helles Holz erzeugen warme Farbigkeit. Außen wahren originalgetreu gezimmerte Holzfenster und Putzgesimse den Charakter des Hauerhauses. Das neue, taschenziegelgedeckte Dach folgt der Neigung des alten. Unter dezenten Dachflächenfenstern frönt nun der Bauherr oberlichtgeflutet mit Blick ins neue Heim seinem Hobby. Als Verbindungselement überwindet die glasgedeckte, offene Stiege souverän Niveausprünge zwischen Alt und Neu. Drei Stufen führen fließend in den Privatwohnraum der obersten Ebene des andockenden Hauses. Eingefasst von mäandernden Wand- und Deckenkanten schält es sich aus begrenzenden Feuermauern, um sich vollverglast mit Terrassen zum Garten im Südwesten zu öffnen.

Über die passantenblickschützende Mauer an der Geymüllergasse blickt man auf Tiere und eine blattwerkumrankte Skulptur im Pötzleinsdorfer Schlosspark. Hier erlaubte die Bauordnung 10,50 Meter, in der Schutzzone war die Traufkante auf 4,50 Meter beschränkt. Die Architekten hielten den Garten mit den Schatten und Muße spendenden Bäumen frei und dockten am Altbau an. Durch Abgraben des Geländes brachten sie drei vollwertige Geschosse unter. Der entwurfsprägende Mäander, der die großen Glasflächen einfasst, gibt dem Haus seine spezifisch dynamische Façon. Als terrassenflankierende Nordwest-Wand hebt er am abgesenkten Niveau an, wird zur horizontalen Wohnraumbodenkante, knickt die Südost-Wand hoch, läuft die Terrasse retour, springt keck hinauf und zur abschließenden Dachkante zurück. Sie folgt der Bauflucht, während sich die vorstehenden Untergeschosse an die Straße halten.

Im abgesenkten Sockel ist das Reich der Kids. Ihre demokratisch gleichen Räume haben Licht, Gartenblick und -zugang auf die gedeckte Terrasse. An ihrer Südost- Wand steigt man zum Eingang in die erste Ebene empor. Ein großer Raum, dem die Architekten eine Bibliothekswand und Hi-Fi-Nische mit optimaler Akustik entwarfen. Durch die Glasflächen genießt man erhöht Parkpanorama, am transparenten Eck steht ein edler Tisch aus dunkler Nuss und heller Eiche, der Boden ist aus demselben Holz. Am offenen Gang liegen die Küche und die helle Stiege. Sie verbindet Wohnen und Arbeiten, Neu und Alt, führt zu Kellergewölbe, Praxis und Hobbyraum im Dach und in den Neubau an Garten und Licht. Ganz oben hat das Paar Rücken an Rücken zwei Arbeitsplätze, Schlafund Wohnraum mit Terrasse. Dafür, dass kein Straßenlaut die Ruhe stört, sorgt der Altbau.

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