Bauwerk

Kunsthaus Weiz
Dietmar Feichtinger Architectes - Weiz (A) - 2005
Kunsthaus Weiz, Foto: Paul Ott
Kunsthaus Weiz, Foto: Paul Ott

Material ist gleich Farbe

Wie man mit zwei Gebäuden eine Gasse formt. Und wann ein Schwung im Dach mehr ist als eine modische Geste. Das oststeirische Weiz hat sein Zentrum belebt. Mit einem Kunsthaus inklusive Vis-à-Vis.

13. August 2005 - Karin Tschavgova
Ein Kulturhaus zu bauen, das mehr bieten soll als einen Ballsaal für Vereine, ist für kleinere Gemein den immer ein Wagnis. Selbst wenn man vor Ort auf Künstler oder die Tradition eines Festivals verweisen kann, ist noch nicht garantiert, dass sich ein solches Haus ganzjährig mit Leben füllen lässt. Dazu braucht es gewachsene, fest in der Bevölkerung verankerte Strukturen für kulturelle Aktivitäten, die Kunstsinn, Interesse und Eigeninitiative einer breiten Schicht zu fördern vermögen. Gibt es diese nicht, so wird das feinste Festival vorwiegend Kulturtouristen anlocken und das beste Jahresprogramm vor leeren Reihen stattfinden.

Weiz in der östlichen Steiermark wird seit mehr als 100 Jahren mit Elektroindustrie assoziiert. Die Bezirkshauptstadt mit knapp 10.000 Einwohnern ist der Standort der Elin AG, einem Hochtechnologie-Zweig der VATech, die vor wenigen Tagen vom Siemens-Konzern übernommen wurde, der die hierorts produzierte Hydrotechnik aus kartellrechtlichen Gründen allerdings weiterverkaufen muss. Die Weizer sind verunsichert. Schließlich ist das Werk mit rund 1000 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber der Kleinstadt. Als hätte sie ihre Hilflosigkeit gegenüber den Gesetzmäßigkeiten der internationalen Finanzmärkte schon lange kommen gesehen, baut die Gemeinde unter einem ambitionierten Bürgermeister seit Jahren weitere Standbeine auf. Weiz wurde zum regionalen Fachschulzentrum und profiliert sich nicht erst seit der Landesausstellung 2001 zum Thema „Energie“ als Stadt, die die Entwicklung und Anwendung ressourcenschonender Technologien forciert. Kultur wird in der Stadt, die sich einen Kulturbeauftragten leistet, groß geschrieben, wobei man nicht ausschließlich in Gastspiele investiert, sondern das heimische Potenzial an Kunstschaffenden und dadurch hohe Identifikationswerte fördert.

Seit kurzem hat Weiz ein neues Kunsthaus. Es ist ein ehrgeiziges Projekt, das den Außenstehenden erst einmal staunen lässt. Wie kann ein Saal mit 645 Sitzplätzen adäquat bespielt werden? Man wird aufgeklärt, dass der Vorgängerbau mit zwei längst unzureichenden Sälen an 250 Abenden im Jahr bespielt wurde und 50 bis 60 Prozent aller Veranstaltungen örtliche Initiativen waren. 1998 schrieb die Gemeinde deshalb einen Wettbewerb für ein Veranstaltungsgebäude aus, das schon zur Landesausstellung fertig sein sollte. Ein durch Umsiedlung der Feuerwehr frei gewordenes innerstädtisches Areal sollte mit einem Mix aus Kultur-, Geschäfts- und Bürohaus den Stadtkern nahe dem Hauptplatz und dem etablierten kleinen Kulturzentrum „Weberhaus“ beleben. Dietmar Feichtinger, Absolvent der Technischen Universität Graz, den es schon in den späten 1980er-Jahren nach Paris zog, wo er heute nicht nur die letzte Brücke über die Seine bauen darf, sondern auch ein europaweit agierendes Büro führt, konnte die Jury mit seinem Entwurf überzeugen.

Gewonnen hat der Architekt mit einem Konzept, das den geforderten Veranstaltungssaal auf die Ebene des ersten Obergeschoßes hebt, ihn überhöht und als geschlossenen, eckigen Nukleus ins Zentrum seiner Bebauung setzt. An drei Seiten legt er ein Foyer, Garderoben und Nebenräume an - als weitgehend offene Vorzone mit geschwungener, transparenter Fassade, die in ihrer Höhenentwicklung auf die verschiedenen Traufenlinien der benachbarten Bestandsbauten reagiert.

So wird das Dach zu einer Welle, die hoch über der Ausstellungsgalerie an der Straßenfront entsteht und über die Längsseite des Foyers sanft zur Bühnenrückseite hin abrollt. Wer Feichtingers rationale, zurückhaltende Entwürfe kennt - zurzeit baut er in Krems den Campus der neuen Donau-Universität -, der weiß, dass dieser sanfte, formgebende Schwung im Dach keine modische Geste ist. Seine Intention ist, ein fließendes räumliches Kontinuum an zwei ganz unterschiedliche stadträumliche Situationen heranzuführen: straßenseitig an den stattlichen dreigeschoßigen Bau der Elin-Verwaltung und am anderen Ende an die niedrige historische Häuserzeile der Rathausgasse.

Die Rückseiten der Hofgebäude angrenzender Grundstücke wären ein unattraktives Vis-à-vis des längs gerichteten Foyers gewesen, hätte das Konzept nicht vorgesehen, ihnen einen lang gestreckten hakenförmigen Bau vorzusetzen, mit dem sich nun eine neu geschaffene Gasse formt. Die formale Analogie zum Kunsthaus ist gewollt. Das zweigeschoßige Gebäude mit noch zu mietenden Geschäfts- und Büroflächen zeigt eine durchgehende Glasfront, die mit öffenbaren verblechten Paneelen rhythmisiert ist und sich nur minimal öffnet, wo der Hinterhof des Weberhauses an die neue Gasse grenzt. Kontrastiert werden die glatten Fassaden durch die raue Oberfläche der Pflasterung des Vorbereichs, die für viele gewöhnungsbedürftig ist.

Vorpatiniertes Kupferblech in Form von gekanteten, abwechselnd breiten und schmalen Streifen bildet im Foyer wie über dem Dach die Außenhaut des überhohen zentralen Mehrzwecksaals. Von höher gelegenen Punkten der Stadt aus zeichnet er sich als geschlossene Figur deutlich im Stadtgefüge ab. Der Saal ist mit fixer Bühne, stapelbarer Tribüne, einem Balkon und High Tech ausgestattet. In Material und Farbe ist er kühl und dunkel gehalten. Als Gemütsaufheller fungiert eine Lichtinstallation, die die Seitenwände hinter dem vorgeblendeten Metallgewebe farbig verändert und den Saal in unterschiedliche Lichtstimmungen tauchen kann.

Generell postuliert Dietmar Feichtinger in der ihm eigenen Art: Material ist gleich Farbe. Außerhalb des Saals hält er sich auch daran, Beton, Rigips, Verblechung und Glas in ihren Eigenfarben wirken zu lassen. Die Fassade des Sockelgeschoßes, das demnächst ein Einkaufszentrum beherbergen wird, lässt er hinter die tragende Säulenreihe zurücktreten. Damit wird das darüberliegende Foyer, das mit Transparenz und abendlicher Beleuchtung einladende Offenheit signalisieren soll, ganz ohne grelle Inszenierung akzentuiert.

In Verbindung mit gekonnt gelösten Details - etwa den Deckenanschlüssen der vorgesetzten Glasfassade, die deren Aufbauhöhe optisch zum Verschwinden bringen - entstand ein nobel zurückhaltender, absolut städtischer Gebäudekomplex. Er ist augenscheinlich der Moderne verpflichtet, dabei von zeitloser Eleganz. Und er ist im heterogenen Stadtraum so präsent, dass man der Gemeinde nur wünschen kann, es möge ihr gelingen, das Haus mit Klängen, Farben - und Besuchern zu füllen.

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