Bauwerk

Justizzentrum Leoben
Hohensinn Architektur - Leoben (A) - 2004
Justizzentrum Leoben, Foto: Paul Ott
Justizzentrum Leoben, Foto: Blair/Seidl
22. Juli 2005 - Az W
Den landläufigen Vorstellungen von einer Justizanstalt mit der programmatischen Tristesse aus grauen Betonwänden, lichtlosen Gängen und beklemmenden Sicherheitsvorrichtungen entspricht das neue Justizzentrum Leoben in keiner Weise. Der Grazer Architekt Josef Hohensinn, der im Jahr 2000 aus einem nach genauen Parametern des Justizministeriums ausgeschriebenen internationalen Architektenwettbewerb als Sieger hervorging, konzipierte eine Anlage, die sich als kommunikationsfördernde Dienstleistungseinrichtung versteht und den Strafvollzug – ganz im Sinne heutiger Auffassung – nicht mit dem baulichen Gestus inhumaner Abschreckung zu unterstützen gedachte.

Dem Stadtzentrum zugewandt öffnet sich die lange Nordfront des Gerichtsgebäudes gläsern, zur Auflockerung der Baumassen wurde die funktionale Trias von Landesgericht, Bezirksgericht und Staatsanwaltschaft in drei Turmbauten mit Zwischenhöfen aufgelöst, was der Wegführung und Durchlichtung zugute kommt sowie die Größe des Komplexes städtebaulich fasst. Ein Verbindungssteg auf Höhe des 2. Obergeschosses führt – von den öffentlich zugänglichen Flächen abgeschirmt, aber im Blickfeld der in den oberen Arbeitsräumen tätigen Richter und Staatsanwälte – zur eigentlichen Justizanstalt hinüber, die in ihrem strukturellen Aufbau die Gratwanderung zwischen Sicherheit und größtmöglicher Bewegungsfreiheit souverän bewältigt.

Von außen ist es eine Suggestion von Offenheit: Im Gegensatz zum Sichtbeton der Umfassungsmauer und des Eingangesgebäudes besteht die Fassade des Haftgebäudes aus Industrieglas, durch das die dahinterliegende Wärmedämmung gelb-grün changierend schimmert. Im Grundriss zeigt sich der humane Ansatz „innerlich“: Die Auflösung der Zellenmonotonie in kleinere Haftraumgruppen ermöglicht räumliche Vielfalt mit Gassen, Küchenbereich sowie Aufenthalts- und Gymnastikraum und greift so bestimmte Aspekte der Resozialisierung auf. Häftlinge im gelockerten Vollzug verfügen über einen eigenen Zellenschlüssel und können sich relativ frei bewegen. Es gelang dem Architekten sogar (bislang eine Einzigartigkeit im Strafvollzugswesen), Loggien zu realisieren, die es den Häftlingen gestattet, ins „Freie“ zu treten. Eine weitere Besonderheit der Planung liegt in der stimmigen Integration der Kunst am Bau, an der sieben Künstler:innen beteiligt waren: Barbara Holub, Mona Hahn, Johann Jascha, Johann Feilacher, Gerhard Roth, Flora Neuwirth, Lois & Franziska Weinberger und Eugen Hein. Letzterer ließ an der Haftmauer den Artikel eins der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anbringen: „Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würden geboren...“ Im Kontext der Justizanstalt eine besondere Mahnung und im vorliegenden Fall sogar frei von Zynismus. (Text: Gabriele Kaiser)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at