Bauwerk

Wohnbau Spittelau
Zaha M. Hadid - Wien (A) - 2005
Wohnbau Spittelau, Foto: Rupert Steiner
Wohnbau Spittelau, Foto: Margherita Spiluttini

Die Lichtbringerin

Die in London lebende Baukünstlerin Zaha Hadid im Gespräch über Stadtplanung in Wien und ihr Projekt für die Spittelau.

6. November 2000
„Ich bin keine Spezialistin für Wiener Stadtplanung, aber da ich jetzt in Wien lehre, werde ich da wohl einiges nachholen müssen“. Die in Bagdad geborene, in London arbeitende und seit diesem Jahr an der Universität für Angewandte Kunst in Wien lehrende Architektin Zaha Hadid (50) ist vielleicht nicht gerade als Stadtplanerin bekannt, dennoch zählte sie zu den Stars des vom Publikum förmlich gestürmten Symposiums „Zukunft der Städte“ am Dienstag und Mittwoch im Wiener RadioKulturhaus.

Komplexe Präsentation

Mit Skizzen und Zeichnungen stellte Hadid ihre Gedanken über die Organisation von Räumen und Plätzen dar, aus denen sich konkrete Raummodelle entwickeln; unterstützt von einer fulminanten Videoanimation präsentierte sie einige ihrer aktuellen Projekte, mit denen die Exponentin der dekonstruktivistischen Architektur in den kommenden Jahren ihren Ruf der bedeutenden Baukünstlerin auch in der Praxis unterstreichen möchte. Denn bislang konnte sie erst mit wenigen Bauten wie dem Vitra-Feuerwehrmuseum in Weil am Rhein unter Beweis stellen, dass jene Unrecht haben, die munkeln, ihre aufwendig gestalteten Präsentationen versprächen mehr Glanz als ihre Bauten in Wirklichkeit einlösen könnten.

Projekt Spittelau

Neben Kunstmuseen in Cincinnati und Rom, einem Hotel in Lugano und einem Wissenschaftszentrum in Wolfsburg stellte sie im Parforceritt gestalterischer Fantasie und geometrischer Strenge auch zwei österreichische Projekte vor, die nach langer Planungsphase nun endgültig ihrer Realisierung entgegensehen dürften. Eines davon befindet sich in Wien.

Für das städtebauliche Brachland an der Spittelauer Lände zwischen U-Bahn, Wirtschaftsuniversität und Müllverbrennungsanlage plant Hadid eine raffinierte spangenförmige Überbauung der funktionslos gewordenen Stadtbahnbögen Otto Wagners. „Dadurch, dass Otto Wagners Viadukt nicht mehr für den Verkehr genutzt wird, ist er zur Landschaft, zum Gelände geworden. Die spezielle Geometrie des Ortes interessiert mich sehr.“

Für die gemischte Nutzung sind Wohnungen und Büros ebenso vorgesehen wie Geschäfte und Bars. Schließlich will Hadid eine Belebung des Donaukanalufers erreichen. „Die freie Bewegung der Menschen von der Straße in Gebäude halte ich für wichtig. Im Erdgeschoß lassen sich Begegnungs- und Veranstaltungsräume gestalten, die für das Stadtleben enorm wichtig sein können. Negativbeispiele lassen sich derzeit in Berlin studieren. Viele Neubauten schließen sich dort ab und wirken wie Festungen.“ Baubeginn des Projekts soll im kommenden Frühjahr sein, mit einer Fertigstellung ist bis 2004 zu rechnen.

Tabubrecherin

Wie beurteilt sie die Städteplanung in Wien? „Interessant ist, dass in Wien - ähnlich wie in Venedig - das Zentrum immer sakrosankt war. Es ist für die Entwicklung jeder Stadt schwierig, wenn es Tabuzonen gibt. Dadurch wird der Stadtkern zu einem historischen Monument, das nicht neu interpretiert wird. Dabei besteht die Gefahr, dass er zum Fossil wird. So erreicht man, dass die bauliche Zerstörung verhindert wird, die programmatische Zerstörung aber fortschreitet.“

Zaha Hadid betrachtet deswegen auch die umfangreichen baulichen Aktivitäten etwa im Bereich der Donau oder des Wienerberges mit gemischten Gefühlen: „Ich finde es seltsam, Schutzzonen auszurufen und nur an den Rändern eine Stadt weiterzuentwickeln. Das verschafft zwar größere Freiheiten, gleichzeitig vermeidet man jene Integration der verschiedensten Dinge, die eigentlich anzustreben wäre.“

Projekt Berg Isel

Das zweite österreichische Projekt, das Zaha Hadids Londoner Büro seit längerem beschäftigt, ist der Neubau der Skisprungschanze in Innsbrucker. Der spektakuläre Entwurf, der heuer auch als Teil des österreichischen Beitrags bei der Architekturbiennale in Venedig gezeigt wurde, hätte sich eigentlich bereits im kommenden Jänner als fertig gebaut präsentieren sollen. Doch jetzt scheint endgültig Grünes Licht gegeben worden sein: „Alle Probleme, die es gegeben hat, schienen gelöst. Wir starten bald die Detailplanung und versuchen im nächsten Jahr damit fertig zu sein.“

Mobile Architektur

Noch ein drittes Mal wird das österreichische Publikum in nächster Zeit mit einer Arbeit Hadids konfrontiert werden. Die Architektin, die auch bereits mehrere Ausstellungsgestaltungen besorgte, betätigt sich gelegentlich als Bühnenbildnerin. Den Pet Shop Boys baute sie eine bewegliche Konzertbühne, für die Charleroi Dance Company entwarf sie eine Ausstattung, in der die Tänzer mit ihren Kostümen zum Teil des von ihr gebauten Ambientes wurden. Für die Brücken auf der Bühne verwendete sie das gleiche Material wie für die Kostüme der Tänzer: Eine Sorte Aluminium, die normalerweise im Flugzeugbau Verwendung findet. „Das war eine wirklich interessante Arbeit.“

Beim Festival steirischer herbst soll sie nächstes Jahr möglicherweise mit einer Ausstellung, jedenfalls aber mit der Ausstattung eines Musik-Tanz-Projektes von Beat Furrer und Reinhild Hoffmann vertreten sein. „Darüber kann ich leider noch gar nichts verraten. Wir haben die Arbeit daran noch nicht begonnen. Aber Musik hat immer einen enormen Einfluss auf Architektur, im Rhythmus, in der Organisation des Raumes. Die Auseinandersetzung mit diesen Dingen erweitert unser Denken und unser Vokabular.“

Professorin Hadid

Über ihre Arbeit mit Wiener Architekturstudenten möchte sie noch nicht viel sagen: „Sie sind sehr enthusiastisch. Man kann ihnen ohnedies nicht beibringen, wie sie denken sollen. Man kann ihnen nur vermitteln, dass sie ihren Job Ernst nehmen sollen, und dass es wirklich erfreulich ist, mit seiner Arbeit einen so großen Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen zu können. Lehren ist ein bisschen wie das Öffnen von Fenstern: Man muss sehen, woher das Licht kommt.“

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