Bauwerk

´Turning Torso´
Santiago Calatrava - Malmö (S) - 2006

In den Himmel gedreht

Der «Turning Torso» von Santiago Calatrava in Malmö

7. Oktober 2005 - Roman Hollenstein
In den vergangenen Jahren ist der Hochhausbau weitgehend zur Fassadenarchitektur verkommen. Nur noch wenige Wolkenkratzer können es heute in der Übereinstimmung von Konstruktion und äusserer Erscheinung mit Meisterwerken wie der Torre Velasca von BBPR in Mailand aufnehmen. Zu diesen gehört zweifellos der «Turning Torso», den der in Zürich tätige Spanier Santiago Calatrava als Wahrzeichen des boomenden Stadterweiterungsgebiets Västra Hamnen (Westhafen) in Malmö entworfen hat. Das soeben vollendete Bauwerk mag von einem gewissen Manierismus zeugen. Dennoch beweist es, dass man in der Hochhausarchitektur die Ingenieurtechnik noch immer zeichenhaft inszenieren kann.

Blickt man an der Küste Seelands hinaus aufs Meer, so erscheint bei klarer Sicht der Turm jenseits des Öresunds wie der Mast eines Segelschiffs. Doch auf der Fahrt hinüber nach Malmö erkennt man, dass Calatravas Wolkenkratzer nicht nur ein Zeichen ist, sondern auch eine selbstbewusste Antwort auf die von vier riesigen Pylonen getragene Schrägseilbrücke, die das Mittelstück der vor fünf Jahren eröffneten Verbindung zwischen Dänemark und Schweden darstellt.

Möglich wurde Calatravas raffinierte Vereinigung von freier Kunst, strenger Geometrie und moderner Technologie dank der Initiative des vormaligen Direktors der schwedischen Wohnbaugesellschaft HSB, der den Valencianer mit einem Hochhaus in der Art von dessen Skulptur «Twisting Torso» beauftragte. Calatrava entwarf daraufhin einen 190 Meter hohen, 54-geschossigen Turm, dessen neun gigantische Wirbel sich um einen zentralen Erschliessungskern aus Stahlbeton drehen. Aufgefangen wird die Bewegung von einem stählernen «Rückgrat», das Erinnerungen wachruft an die Schubladenfrauen auf Salvador Dalís «Brennender Giraffe». Während der Turm in den beiden untersten Volumen Büros beherbergt, finden sich in den sieben oberen Wirbeln Wohnungen. Die 147 unterschiedlich grossen Apartments bieten zwar eine weite Sicht über Sund und Stadt, sind aber wegen des voluminösen Erschliessungskerns vom Grundriss her weder sehr praktisch noch wirklich innovativ.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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