Bauwerk

Wohn- und Bürogebäude Schlachthausgasse
Coop Himmelb(l)au - Wien (A) - 2005
Wohn- und Bürogebäude Schlachthausgasse, Foto: Michael Hierner

Ein gewagter Griff in den Farbbottich

14. Oktober 2005 - Wojciech Czaja
Für einen großen Coup eignen sie sich immer: Coop Himmelb(l)au, jenes Architekturbüro mit dem eingeklammerten „l“. Irgendwie muss man ja darauf aufmerksam machen, dass nun nicht mehr einzig und allein ins Himmelblaue hinein geträumt, sondern tatsächlich auch gebaut wird. Gestern, Donnerstag, fand die feierliche Eröffnung des aktuellsten Wiener Projekts von Coop Himmelb(l)au statt. Unter Beisein von Bürgermeister Michael Häupl und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch wurde der neue Hauptsitz der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) in Wien-Landstraße eingeweiht. Dass die GPA den Enfants terribles des Dekonstruktivismus gegenüber große Sympathie hegt, hatte sie schon vor einigen Jahren bewiesen - damals ließ sie Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky einen Gasometer umbauen.

Das ehemalige Mautner-Markhof'sche Kinderspital wurde abgerissen. Dort, am Alfred-Dallinger-Platz 1 - benannt nach dem ehemaligen Vorsitzenden der GPA -, entstand nun das neue Flaggschiff der Gewerkschaft. Die Baukosten des Komplexes (Wohn- und Bürohaus) betragen cirka 24 Mio. Euro. In die unteren fünf Bürogeschoße ist die GPA eingezogen; die Stockwerke fünf bis sieben werden ans Berufsförderungsinstitut Österreich vermietet.

„Für die Menschen, die in diesem Haus arbeiten, ist die interne Kommunikation ein Quantensprung“, so GPA-Vorsitzender Wolfgang Katzian,

Und die Architektur? Grau, metallisch, silbrig - und nach langer Zeit erstmals ein derart gewagter Griff in den Farbbottich, standesgemäß im Corporate-würdigen GPA-Rot. Zur Schlachthausgasse hin ziert eine Symphonie an Vordächern den unüberschaubaren Portikus. Einmal hier rechts, dann wieder dort oben mittig, nebenan eine große schlanke Stele ganz aus Licht.

Die rote Tröte

An der Rückseite zeigt sich das - dereinst so hoch beworbene - dekonstruktive Element von Coop Himmelb(l)au. Dynamisch zwar, aber wohldesignt und penibel gestaltet, schiebt sich der Veranstaltungssaal über die Gasse hinaus. Im Jargon der GPA-Mitarbeiter schlichtweg „Tröte“ genannt, ist diese architektonische Geste der unmissverständliche Beweis, dass - zumindest in Wien - die Ära des wilden Dekonstruktivismus endgültig vorbei ist.

Die internationalen Glas-Stahl-Projekte in Lyon, Frankfurt, München oder etwa Guadalajara - allesamt noch im Planungsstadium - glauben nach wie vor an ihre ureigentliche Aura des dynamischen Chaos. Doch das massiv geziegelte und betonierte Wien will sich auf diesen quirligen Kraftakt irgendwie nicht einlassen.

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