Bauwerk

Toiletten im Café Korb
Manfred Wolff-Plottegg - Wien (A) - 2004

Sinnlichkeit im Keller

Manfred Wolff-Plottegg, Verfechter einer psychoanalytischen Baukunst, hat das Café Korb um ein erotisches Klo bereichert.

21. Juli 2004 - Jan Tabor
Das Café Korb auf den Tuchlauben wurde unlängst von einem verheerenden Wasserrohrbruch heimgesucht. Das Inzident im Kellergeschoß sowie der Umstand, dass das Café Korb Peter Weibels Stammlokal ist, haben sich als Glücksfall für den Bestand an aktuell vorzeigbarer zeitgenössischer Architektur in Wien erwiesen: Endlich gibt es hier ein Baukunstwerk von Manfred Wolff-Plottegg, das öffentlich zugänglich ist. Der Professor an der TU Wien und Freund von Peter Weibel ist der führende, um nicht zu sagen einzige Proponent einer aktionistisch inspirierten und psychoanalytisch angehauchten Architektur in Österreich.

Auch Plottegg ist eine Art Wiener Architekturlegende. Man erzählt sich von einem tollen Klo, das der Grazer Architekt bereits vor Jahren einem namhaften Wiener Psychoanalytiker und Verfechter der Analtheorie Freuds derart raffiniert mit Spiegeln ausgestattet haben soll, dass die Klobenutzer an ihren Ausscheidungsprozessen teilnehmen können, was sich für das seelische Gleichgewicht zwischen Es und Ego heilbar auswirken soll. In der Architekturszene kursieren Beschreibungen, die an Erfindungsreichtum und sinnlichen Farbigkeiten mit den klassischen Schilderungen von Junggesellenmaschinen wetteifern können, jene von Franz Kafka inbegriffen.

Offensichtlich hat keiner der begeisterten Überbringer der Klokunde das wunderbare Ding der periskopen Autoinspektion mit eigenen Augen gesehen. Man erzählt davon mit glänzenden Augen und fügt Erinnerungen an das legendäre Café Costes in Paris an, wo es am Klo eine spiegelnde Pissoirwand gab. Sie war derart berühmt, dass auch Damen das kommunikative Männerabteil in Scharen aufzusuchen pflegten. Dieses von Philippe Starck 1984 gestaltete Café, das den Weltruhm des Designers begründete, gibt es längst nicht mehr. Nun rückt Plottegg eindrucksvoll nach.

Die Toiletten im Café Korb befinden sich im Untergeschoß. Dort befindet sich auch die „artlounge“, ein fensterloses Kellerverlies, das von Günter Brus, Peter Kogler, Manfred Wolff-Plottegg und Peter Weibel gemeinsam gestaltet wurde und seither von einem Hauch des wahren Wiener Undergrounds durchweht wird. Hier pflegen führende Philosophen und Kunstrhetoriker der Stadt ihre theoretischen Diskurse abzuhalten. Der Zugang zum Untergeschoß ist ein einfaches türloses Loch in der Wand mit der eleganten Holztäfelung aus den 1950er-Jahren. Das Café Korb ist eines der letzten, die im mehr oder weniger originalen Zustand erhalten geblieben sind.

Direkt über dem Locheingang hängt das Foto einer Aktion von Valie Export. Es stellt die Künstlerin dar, wie sie sich liegend an den Rand eines abgerundeten und mit einer roten Linie markierten Gehsteigs anschmiegt. Es geht um Körpersprache. Diese rote Gehsteiglinie korrespondiert mit den Linien der beiden Handläufe, die mit roten Kunststoff belegt sind, der wiederum mit dem roten Linoleum der Stufen harmoniert. Es handelt sich um erotisches Rot.

Erst nach dem Besuch der tollen neuen Toilette fällt auf, wie erotisch die Gestaltung des Café-Interieurs aus den frühen 1950er-Jahren war. Neben dem Export-Foto hängt jenes Plakat, mit dem die kunstsinnige Cafetiere Susanne Widl im Frühjahr 2002 zur Eröffnung der im einstigen Kegelbahnkeller eingerichteten Artlounge eingeladen hat. Das Motto der Artlounge stammt wohl von Weibel selbst: „Die Rückkehr der Kommunikation“.

Die Rückkehr der Klommunikation. Das neue Klo im Korb von Manfred Wolff-Plottegg ist ein Meisterstück der kommunikationsfördernden Innenarchitektur - dies fällt bereits vor den beiden Milchglas-Flügeltüren mit ihren großen schwarzen Piktogrammen auf. Die Benutzer erscheinen als Schatten. Allenfalls sieht man deren Füße. Denn die beiden Abteile befinden sich in ein und demselben Raum, die betriebliche Trennung der Geschlechter erfolgt durch ein endloses Paravent, das in der Luft zu hängen scheint. Die Lichtkörper befinden sich hinter dieser reich gekurvten Wand, die wie eine endlose Schleife in den orthogonalen Raum hineingewickelt wurde, als handelte es sich um einen weißen Schleier.

Die Paraventwand ist aus pulverbeschichtetem weißem, matt glänzendem Alublech, welches das indirekte Licht weich zu reflektieren und dank der Krümmungen so zu verteilen vermag, dass man sich in der Mitte der Lichtquelle wähnt, meint, eine Lichtgestalt zu sein. Der Fußboden, ein terrazzoartiger Belag in sattrotem Ton, reflektiert das Licht, glänzt derart, dass man die Klovisite als ein glamouröses Raum-Licht-Ton-Erlebnis auffassen kann. Das frivole Spiel des Architekten mit der Balance zwischen der Intimität des Klobesuches und dem Klobesuch als eine Form der Kommunikation ist gewagt. Und geglückt. Das Klo im Korb ist schön.

Offensichtlich ist es ein Spiel mit der sinnlichen Form- und Farbensymbolik des ursprünglichen Stiegenzugangs. Vermutlich ist diese neu erreichte Einheit zwischen der Toilette und der Treppe eine Anspielung an die Treppenmetapher in der Traumdeutung Freuds.

Keine falsche Deutung erlauben die Türpiktogramme. Sie schließen an die Konkrete Poesie der Wiener Schule an. Aus einem I und zwei Beistrichen wurde ein Penis, aus zwei Klammern eine Vagina. Die beiden Zeichen sind so angebracht, dass man es nicht anders lesen kann, als dass der Penis in die Vagina will.

Wenn man beginnt, aufrichtig darüber nachzudenken, was die Einheit der hübschen Piktogramme wirklich bedeuten könnte, stellt man fest: Eigentlich müssten die Männer hinter das Frauenparavent wollen, die Frauen hingegen in die Männerabteilung. Dort aber befindet sich die Urinalmuschel, das unverkennbare Zeichen der maskulinen Vorgangsweise. Der Architekt ist also nicht konsequent gewesen. Die Spiegel hängt in beiden Coupés ausschließlich über den Waschbecken.

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Architektur

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Susanne Widl