Bauwerk

Science Center Phæno
Zaha Hadid Architects, Mayer Bährle - Wolfsburg (D) - 2005
Science Center Phæno, Foto: Martin Foddanu / ARTUR IMAGES
Science Center Phæno, Foto: Klemens Ortmeyer

Wissenschafts-Ufo mit fliegendem Teppich

Heute, Freitag, wird im deutschen Wolfsburg das von Stararchitektin Zaha Hadid geplante Science Center „Phaeno“ eröffnet: ein wissenschaftlicher Vergnügungspark für Jung und Alt, in dem physikalische Phänomene begeistern sollen.

25. November 2005 - Axel Bojanowski
Es scheint, als wäre ein Raumschiff gelandet. Neben dem Hauptbahnhof in Wolfsburg thront ein geschwungenes futuristisches Betongebäude. Darin haust die „Experimentierlandschaft Phaeno“, ein Vergnügungsmuseum, das ab heute Besucher für Naturwissenschaft, vor allem für physikalische Phänomene begeistern will.

Und der Funke springt tatsächlich über - jedenfalls jede halbe Stunde. Denn in dieser Zeitspanne entzünden Techniker des neuen Wissenschaftsparks eine kleine Flamme, die schließlich als brennende Säule an die Decke schießt. Neben diesem „Feuertornado“ sollen weitere 250 Experimente das Publikum erstaunen. Das Veranstalter-Konzept „Lustvolles Lernen“ verlangt persönlichen Einsatz, bisweilen sogar körperlichen: Beim „Smack-Test“ etwa rennen die Besucher mit vollem Tempo gegen eine gepolsterte Wand. Die Wucht des Aufpralls wird gemessen, und jeder erfährt, was Airbags aushalten müssen. Das Kräftemessen gewinnen häufig Kinder gegen Erwachsene - sie sind nämlich furchtloser.

Hirnströme gemessen

Auch das „Kraftwerk“ bedeutet Anstrengung, dort erkurbelt sich jeder Besucher Strom für einen CD-Spieler, und es wird deutlich, wie viel Energie das Abspielen der Musik kostet. Doch es gilt, entspannt zu bleiben. Ansonsten hat man beim neurowissenschaftlichen Spiel „Mind Balls“ keine Chance. Dabei sitzen sich immer zwei Besucher, deren Hirnströme mit empfindlichen Sensoren gemessen werden, an einem runden Tisch gegenüber. Der an den Köpfen gemessene Strom aktiviert Magneten, die einen Ball antreiben. Der Ball rollt auf jenen Spieler zu, der unruhiger ist - und somit verliert.

Das „Phaeno“ will alles Mögliche sein: abwechslungsreich, eine Experimentierlandschaft und interaktiv - nur ja kein Museum im traditionellen Sinn. Es unterscheidet sich schon auf den ersten Blick: Die Besucher wandeln in der 9000 Quadratmeter großen Ausstellungshalle mit runden Wänden durch Höhlen und Krater, auf Balkone und Terrassen. Auf 180.000 Besucher pro Jahr hoffen die Veranstalter. Manche lockt die neue Attraktion mit ungewöhnlichen Erlebnissen wie dem Ritt auf einem „fliegenden Teppich“ - Luftkissen machen es möglich. Andere sollen mit klassischer naturwissenschaftlicher Aufklärung gelockt werden. Dabei gilt: Neugierde und Spieltrieb sind Ursprung der Erkenntnis. Die Entstehung von Wellen macht sich folglich jeder selbst an einem Wassertank begreiflich: Auf Knopfdruck lassen sich kleine Erdbeben erzeugen, die sichtbar die Wassersäule stauchen. Daraufhin rollen Tsunamis an den Beckenrand.

Weitere physikalische Gesetze stehen auf dem Plan: An Messingkugeln lässt sich mit Blitzen elektromagnetische Energie sichtbar machen. Einige Schritte weiter ergründen Besucher die Natur von Farben: Ein vermeintlich weißes Licht strahlt gegen eine Wand. Es erweist sich nach näherer Erkundung mit einem durch den Lichtkegel schwingenden Faden als Mischung aus Rot, Blau und Grün. Schulklassen können die Themen vertiefen: in drei Experimentierlabors.

Von schulischer Stringenz wollen die Veranstalter jedoch nichts wissen - sie setzen auf „emotionale Interaktivität“. Alle Sinne sollen angesprochen werden. Vielleicht erscheinen manche Experimente deshalb wie Zaubertricks. Mit dem Unterschied, dass im „Phaeno“ die Kniffe am Ende erklärt werden: An jedem Exponat hängen Erklärtafeln, zudem stehen Mitarbeiter des Science Center parat. So erfährt beispielsweise jeder, warum Gegenstände nicht immer dort sind, wo man sie wähnt - Spiegel sind im Spiel.

Für die Experimentiermeile gab die Stadt Wolfsburg gut 79 Millionen Euro aus. Die Exponate konzipierte der auf dem boomenden Gebiet der Wissenschaftsparks erfahrene US-Amerikaner Joe Ansel. Der Großteil des Geldes floss jedoch in das Aufsehen erregende Betonbauwerk, das von der Stararchitektin Zaha Hadid und dem deutschen Architekturbüro Mayer-Bährle entworfen wurde. Manche erinnert der Sockel des Kolosses mit seinen sich konisch verengenden Füßen an ein archaisches Höhlensystem. Vom Bahnhof aus gesehen, gleicht das Gebäude aber einem Ufo. Die Veranstalter hingegen hoffen, dass Besucher mit dem „Phaeno“ vor allem eines verbinden: ein schönes Erlebnis.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Bildagentur

ARTUR IMAGES