Bauwerk

Balloonart Halle
BEHF Architects - Wien (A) - 2005

Alte Halle, voll mit heißer Luft

Bestimmte Unternehmensstrukturen verlangen auch der Architektur so manch Bestimmtheit ab. Was passiert, wenn beispielsweise ein Pneu-Hersteller auf eine alte Backsteinhalle aus dem Jahre 1907 trifft? Ein Umbau von BEHF, Lokalaugenschein in Wien-Favoriten.

11. Februar 2006 - Wojciech Czaja
Wie verbindet man Alt mit Neu? Nun, da gibt es zunächst einmal die Möglichkeit, mit dem Neuen das Alte zu erschlagen. Dann kann man mit dem Neuen das Alte irgendwie durchbohren. Alternativ kann man sich wie ein UFO bedingungslos draufsetzen. Ach ja, und dann kann man so tun, als wäre man ja gar nicht neu, und tut ganz einfach ein bisschen auf Alt. Diese unethische Mimikry tarnt sich auf dem Immobiliensektor übrigens gerne als „Stilaltbau“. Eine eher fragwürdige Herangehensweise.

Ein gänzlich anderes Schicksal ist einem Backsteinbau aus dem Jahre 1907 widerfahren, Produkt industrieller Stadterweiterung im einst noch dünn besiedelten Wiener Gemeindebezirk Favoriten. Die mittlerweile denkmalgeschützte Halle, in der anno dazumal noch große Baumaschinen gefertigt worden waren, stand die letzten Jahre hindurch leer. Alles, was nicht gerade aus Stahl und Ziegel war, knirschte schon unter dem Zahn der Zeit und moderte vor sich hin.

Mit dem Neubau-Implantat inmitten dieser historischen Backsteinhalle haben die BEHF-Architekten einen mustergültigen Dialog zwischen Denkmalschutz und cooler Sichtbeton-Architektur in Gang gesetzt. Armin Ebner, das E-Teilchen des Architekturbüros: „Mit dem Bundesdenkmalamt wurde vereinbart, die äußere Erscheinung nicht zu verändern, und an der Fassade nur Substanzsicherung vorzunehmen.“

Alt darf alt bleiben

Auch im Inneren sind die Spuren der Vergangenheit und des Vergänglichen beibehalten worden. Alte Mauer ist nach wie vor alte Mauer, auch der nicht so hübsche Putz darf noch das sein, was er das letzte Jahrhundert hindurch schon gewesen ist. Das Glasdach wird ausgetauscht, die Holzbeplankungen werden erneuert und die Stahlkonstruktion wird nur saniert, wo der Statiker es gefordert hat, ansonsten wird sie sandgestrahlt und lackiert. Fertig.

Doch dann kommt das Neue. Anstelle der alten modrigen Holzgalerie im Obergeschoß gesellt sich nun das rundumlaufende Bürogeschoß aus Beton-Fertigteilen, ganz glatt und sehr sexy. Ein flächenbündiges Fensterband verbindet die Zuschauerloge mit dem Motiv der unten liegenden Hallenmitte. Architekt Armin Ebner: „Als einzig ablesbare Intervention ist von uns die Galerie eingezogen worden. Außerdem ist Beton in diesem Gebäude das einzige Material, das wir neu dazugenommen haben.“ Und das gilt an der Wand genauso wie am Boden und an der Decke.

Fazit dieses architektonischen Eingriffs: Im Erdgeschoß eine alte Industriehalle, darüber fesch geschniegelte Büroräume. Hier ein schöner Neubau, dort hingegen altbewährte Altbauspuren, die sich schon vor längerer Zeit abgezeichnet haben. Fragt sich letztlich nur, wer mit so einem speziellen Raumprogramm und mit so einem zielbewussten Konzept etwas anfangen kann.

Raum für Luftschlösser

Balloonart Vienna nennt sich der neue Hausherr dieser Liegenschaft in der Wiener Siccardsburggasse. Was das Unternehmen macht, lässt sich mit zwei Worten erklären: heiße Luft. Und zwar in Form von herumkreisenden Zeppelinen, frei schwebenden Werbeträgern oder auch in Form diverser pneumatischer Konstruktionen.

Auf den Büroalltag umgemünzt heißt das, dass im Obergeschoß hauptsächlich verhandelt, telefoniert, entworfen und genäht wird, während in der großen Halle die angefertigten Sonderkonstruktionen im Anschluss daran zur Generalprobe kurz noch aufgeblasen werden, ehe sie abheben und in die himmlischen Gefilde der jeweiligen Auftraggeber entschwinden. Auch knatschbunte Hüpfburgen sind in dieser Manipulationshalle schon so manches Mal herumgestanden.

BEHF spricht von den gleichermaßen funktionalen Trennungen wie optischen Verbindungen innerhalb des neuen Firmenstandorts. Alexander Munninger, Bauherr und Geschäftsführer von Balloonart Vienna: „Ich hatte von Anfang an das Gefühl, BEHF beschäftigt sich tatsächlich mit dem Projek. Die anderen Architekturbüros haben teilweise nur UFOs präsentiert.“

Alte Halle, endlich wieder neu. Keine Frage, das ist eine sehr maßgeschneiderte Aufgabe. Doch wenn es Luftschlösser in Sonderanfertigung gibt, warum dann nicht auch Architektur?

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