Bauwerk

Oberstufenschulhaus
Valerio Olgiati - Paspels (CH) - 1998

Ein Dorf leistet sich Architektur

31. Juli 1999 - Isabell Teuwsen
Es gibt stattlichere Ortschaften im Domleschg als Paspels, 406 Einwohner, 1 Gasthaus, 1 Kirche ohne Uhr, 1 Kindergarten, 1 neues, 1 älteres und 1 uraltes Schulhaus. Betritt die Ortsfremde, von Norden her anreisend, das Dorf, dann ist sie froh, rechter Hand noch einen Volg zu entdecken. Vor der Türe warten Geranien darauf, in Blumenkisten gepackt zu werden, um in Erfüllung der Tradition Fenstersimse zu schmücken. Den Kinderspielplatz, auf dem bei schönem Wetter tatsächlich Kinder dem freien Spiele zugeführt werden, hat die Ortsfremde links hinter sich gelassen, hat sich, der engen und sanft ansteigenden Strasse folgend, in den Ortskern begeben. Umsonst hat sie eindeutiger Düfte wegen die Nase ausgerichtet. Rechts hat sie das Gasthaus «Hirschen» liegen gelassen, das erst am Nachmittag seine Türe öffnet, hat Kirche, Friedhof, eine bescheidene öffentliche Parkanlage und das ehemalige Pfarrhaus passiert, ist scharf links abgebogen, um das Objekt ihrer Sehnsucht am östlichen Dorfrand endlich zu erblicken.

Das Oberstufenschulhaus von Valerio Olgiati hat seit seiner Eröffnung im Juni 1998 eine Architektenplage ausgelöst. Die Pilgerschar entstammt allen Ecken Europas. Gerne würde so mancher Dorfbewohner ein Kässeli aufstellen, damit er auch vom Architekturtourismus profitiere. Erstaunlich ist, was sich da wie ein Monolith erhebt. Die Sichtbetonfassade, das Pultdach, der Neigung des Hanges folgend, die Gebäudewinkel um etwa 5 Grad verschoben, Fensterbänder, teils bündig, teils vertieft, in breiten Bronzerahmen gehalten, in den beiden Stockwerken gegeneinander in die Ecken verschoben. Dort, wo die lieblichen Wiesen an die Berge stossen, wird der Solitär von betongrauen Felsbändern überragt. Architektur brut sei sein Schulhaus, sagt der vierzigjährige Olgiati.


Edwin Riedi ist 51 Jahre alt. Seine von Pflichtbewusstsein gebremste Leidenschaftlichkeit lässt kaum vermuten, dass den ehemaligen Gemeinderat noch immer die Glut der Begeisterung erfasst, wenn er «sein» Schulhaus der Fremden bis in den letzten Winkel vorführt. Bis Dezember 1997 war der Unermüdliche zuständig für Wasserversorgung, Strassennetz, Polizei sowie die gemeindeeigenen Bauten. Riedi machte in seiner Jugend eine Lehre als Maschinenmechaniker und arbeitet in Rothenbrunnen für das Zervreila-Kraftwerk.

Treten wir hinein ins Schulhaus, das am Wochenende seine kinderlose Pracht entfaltet. Beginnen wir im Mehrzweckraum, wo ein Plan den Besucher auf künftige Besichtigungsfreuden vorbereitet. Die grosszügige Breite der Eingangshalle wird beherrscht vom Treppenaufgang. Beton die Treppe, Beton der Boden, die Wände. Wir stehen im ersten Stock. Und sind sprachlos. In der Gebäudemitte drängt die ganze Welt herein. Im nordöstlichen Panoramafenster wird das Stück «Sommerwiese» inszeniert, nach Südosten verjüngt sich der Gang ins Grau der Felsen, nach Nordwesten im leicht verschobenen Flur spielen sie das Stück «Neubau in Paspels», und im Fenster nach Südwesten wird das Dach des älteren Schulhauses gezeigt. Die Wände sind nackt. Hier eine winzige Steckdose, dort ein Schalter. Nichts, was das Grau bremsen würde, ausser der malerischen Zeichnung der Betonverschalung. Im zweiten Stock hat Olgiati den Grundriss um die Achse gedreht, so dass die Schüler in den oberen Klassenräumen höchstens den Lehrern im Lehrerzimmer auf dem Kopf herumtrampeln. Beton, Bronze und in den sechs Klassenräumen allüberall Schweizer Lärche.

Was nur ist in die Paspelser gefahren, sich gegen alle Konvention ein solches Schulhaus zu gestatten? Edwin Riedis Freude an der Arbeit fürs Volk hat auch andere Spuren hinterlassen. Gehen wir ins Dorf zurück. Fangen wir bei den Toten an. Gegenüber der kulturhistorisch nicht gerade überwältigenden Kirche hat sich die Gemeinde Anfang der neunziger Jahre eine Aufbahrungshalle gewünscht. Man wollte, wenn denn schon ein Gemeindemitglied diese allmählich immer schöner werdende Welt in Paspels verlassen musste, den Leichnam nicht einfach irgendeinem Schragen überlassen, und beauftragte Rudolf Fontana aus Ems mit dem Bau einer Aufbahrungshalle, die seltsamerweise viel umstrittener war als der Olgiati-Bau. Kein Meisterwerk ist entstanden, obwohl Fontana der Ruf eines renommierten Architekten vorauseilt. Riedi führt der Besucherin die praktischen Mechanismen des Katafalks vor, und wie beim Gedrängel von zwei Toten der zuletzt Gestorbene in der Kühlbox warten muss. Zu reden gab auch die Friedhofsanierung, als der Gemeinderat den Einbau von zwanzig Urnengräbern in der Friedhofsmauer vorschlug. In der einst vorherrschend katholischen Gemeinde glaubten einige voraussagen zu können, dass die Kabäuschen niemals einen Besitzer finden würden. Inzwischen sind schon zwölf davon belegt, von Katholiken. Im ehemaligen Pfarrhaus, der Pfarrer ist schon in den siebziger Jahren ausgezogen, hat sich die Gemeinde eingemietet. Eine moderne Kanzlei, ein kaderverdächtiges Sitzungszimmer, ein Kindergarten picobello im obersten Stock. Der Umbau erfolgte ohne die zeichnende Hand eines Architekten.


Wie das Märchen vom Schulhaus begann? Paspels ist Standortgemeinde für das Oberstufenschulhaus im Ausser-Domleschg mit den Gemeinden Almens, Pratval, Rodels, Rothenbrunnen, Tomils, Trans, Scheid und Feldis, wobei die Oberstufenschüler von Feldis noch mit der Seilbahn nach Rhäzüns fahren, solange die Strasse zum Bergdorf auf 1500 Metern Höhe nicht ausgebaut ist. Die Gemeinden zahlen an die Schulgemeinde Paspels Miete, hatten aber kein Mitspracherecht beim Neubau. Im Juli 1995 begann die Gemeinde die künftigen Schülerzahlen zu eruieren. Möglichst schnell sollte ein neues Schulhaus gebaut werden. Die Gemeindeversammlung beschloss einen Projektierungskredit.

Im April 1996 wurde das Wettbewerbsprogramm an acht geladene Architekten abgegeben. Zuerst aber rief der 67jährige Rudolf von Planta, seit 22 Jahren Gemeindepräsident, die Jury zusammen, die sich unter seinem Vorsitz aus den Architekten Fortunat Held, Rudolf Fontana, Valentin Bearth sowie Gemeinderat Riedi zusammensetzte. Ersatzmitglieder waren Gemeinderat Rico Caviezel und der Architekt Beat Consoni. Beratende Stimmen hatten Gemeinderat Christian Obrecht, die Schulratspräsidentin Maria Küntzel sowie Stefan Niggli vom Amt für Volksschule und Kindergärten in Chur. Eingeladen wurden zwei Architekten aus Paspels, fünf waren wohnhaft im Kanton, einer kam - wenn man es genau nahm - aus Zürich, auch wenn er eine kleine Dépendance in Flims hat. Das Wettbewerbsprogramm sah einen eigenständigen Bau vor, ohne Verbindung zum alten Schulhaus. Dessen Kernbau stammt aus den vierziger Jahren. 1981 wurde unter der Regentschaft von Planta schon einmal angedockt mit einem Erweiterungsbau, von dem Olgiati behauptet, es sei ein Epigonenbau nach seinem Vater Rudolf Olgiati. Die runden Säulchen sind dem berühmten Papa nachempfunden.

Zwei Monate Zeit hatten die Herren Architekten. Olgiati kam, sah den künftigen Standort und machte sich an die Arbeit. Das Ergebnis gefiel ihm nicht, damals: der Grundriss so «verkrüppelt», so brut, so unharmonisch. Er würde, sagt er, als er an einem regnerischen Tag vor seiner Schule sitzt, gerne viel wilder bauen.

Der 1. und der 2. Juli 1996 waren denkwürdige Tage in der Geschichte des Dorfes Paspels. Am Morgen schritt Rudolf von Planta an der Spitze der Jury voran, um die Modelle des anonymen Wettbewerbs zu begutachten: zählte eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, und seine Augen hingen nur am achten Projekt. Riedi folgte ihm. Magisch zog dies eine an. Rudolf von Planta war klar, das konnte kein hiesiger und nur Olgiati gewesen sein. Die sieben anderen Projekte wurden angeschaut. Am Ende des ersten Tags war fast allen klar, dass es das Spezielle sein müsse. Ein grauer Kristall leuchtete aus der Projektmasse. Am zweiten Morgen kündigte sich plötzlich ein Stimmungswechsel an. Eine Verunsicherung liess den grauen Kristall erblassen. Als Riedi einmal kurz weg war, hatten aber die anderen ihre Meinung endgültig zugunsten Olgiatis gemacht. Bei seiner Rückkehr wusste Riedi sofort, woher der Wind wehte. Fortan war er der grösste Olgiati-Fan. «Wir mussten dem konservativen Stil etwas entgegensetzen. Mischmasch wollten wir nicht», begründet auch FDP-Mitglied von Planta seinen Entscheid. Er rief Olgiati an: «Der Kerl war vor Freude ganz aus dem Häuschen.» Sieben haben sich nicht gefreut. Einer der Architekten aus Paspels verstand die Welt nicht mehr. Entgegen allen Usanzen hatte ein Auswärtiger die Jury bezirzt. Doch weil eh nur wenige Arbeiten direkt in Paspels vergeben werden können, hat der Gemeinderat gut lachen: Er muss nicht Rücksicht nehmen auf die Interessen des Gewerbes.


Wir stecken mitten drin im Märchen vom «attraktivsten Schulhaus der Schweiz» (Riedi). Noch gab es viel zu tun. Wie sage ich es meinem Volke? Es kam die Stunde von Edwin Riedi. Dem Mann, sagt Valerio Olgiati, hätte man die Expo 01 anvertrauen sollen. Riedis Frau Antonia führt den «Hirschen». Viel gab es nicht zu reden am Stammtisch. Die Wirtin hält sich da sowieso heraus. Sekundarlehrer Theo Pally hat hier manchmal mit Niklaus Meienberg gesessen, wenn dieser auf seine Freundin Nina von Albertini wartete, die «Bündnerhexe Windsbraut auf dem grellen Feuerstuhl». Theo Pally, 62 Jahre alt, Lehrer für Mathematik, Physik und ein bisschen Chemie, ist für das Wilde und das Ungewöhnliche. Als er vor 37 Jahren aus dem Bündner Oberland kam, war er ein konservativer Lehrer nach Vorschrift. Er hat als Lehrervertreter in der Baukommission eine leidenschaftliche Rede vom «Schloss Neu-Betonstein» bei der Einweihung gehalten. Er ist auch Präsident der Vormundschaftsbehörde im Domleschg. Am Tage unseres Gesprächs trägt er ein Veilchen auf dem linken Auge, das er in Ausübung seines Amtes von einer Klientin verpasst gekriegt hat. Wenn er in einigen Jahren das Pensionsalter erreicht haben wird, dann möchte er an der ETH Zürich Physik studieren. Er schwört auf Olgiatis Schulhaus. Und seine Schüler, glaubt er, habe die Architektur des neuen Schulhauses positiv beeinflusst. Er wohnt gleich nebenan. Und nach gut einem Jahr ist das Haus noch immer sein Freund. Der schützt ihn vor der Bise. Als die «Jünger Naegelis» eines Tages vorbei schlenderten und den zufällig anwesenden Pally auf die vorzügliche Eignung des Eingangs für künstlerische Aktivitäten hinwiesen, konnte er sie überreden, von ihrem Vorhaben abzulassen.


Paspels war einst ein Hotelangestelltendorf. In der Vorkriegszeit brachte es eine Familie im Durchschnitt auf zehn Kinder. In der Saison schwärmten die Männer und die jungen Frauen aus ins Engadin, um in den Hotels zu dienen. Armut herrschte, bis die Emser Werke in den vierziger Jahren Arbeitsplätze schufen. Dann kam der Nationalstrassenbau. Heute wohnen in Paspels auch Mehrbessere, Zugezogene. Die Jungen fräsen am Abend oft schnell nach Chur. Vor vierzig Jahren gab es ausser zahlreichen Gasthäusern auch noch 35 Bauern im Dorf. Heute sind es deren vier. Ein Traktor vor dem «Hirschen» verrät schnell seinen durstigen Besitzer.

Christian Obrecht ist einer von ihnen. Er hat seinen Hof in Alt- Sins neben dem Schloss, wo ein Arzt wohnt. Er ist Mitglied im Gemeinderat seit acht Jahren und war in der Jury. Als seine Mutter das Projekt sah, fuhr erst mal ein Schreck in sie. Obrecht aber gefiel die Gradlinigkeit des Hauses von Anfang an. Da war alles konkret, wurde nichts vorgetäuscht. «Je mehr ich das angeschaut habe, desto mehr hat mir das gefallen.» In den anderen Gemeinden habe man gelästert: «So was go baue!» Er hat nicht mehr gut geschlafen. Erst als auch das Volk dieses Schulhaus wollte und kein anderes, erst da habe er wieder beide Augen schliessen können. «Wir in der Gemeinde haben ein offenes Denken.»

Dass einer ein Reformierter ist, war früher ein Grund, den mit dem falschen Glauben zu verlachen. Auch Rudolf von Planta war so ein Aussenseiter. Die Reformierten mussten für den Religionsunterricht hinunter ins Tal nach Rodels laufen. «Grauenhaft konservativ sind die hier gewesen.» Von Planta verwaltet das Geschlecht derer von Planta. 200 sind's in der ganzen Welt. Weitab vom Schuss wohnt er auf seinem ererbten Hof. Nur so habe er die lange Präsidentschaft ausgehalten. Mitten im Dorf? Um Gottes willen. Schaut er von seinem Anwesen hinunter ins Tal, so sticht ihm das Schulhaus von Rodels scharf ins Auge. So was hätten die Paspelser nicht gewollt. Heute wählt das Dorf wie der schweizerische Durchschnitt. Für Parteienpolitik ist es sowieso viel zu klein. Wenn einer in den Gemeinderat gewählt wird, dann ist das eine Personenwahl. Von Planta hat viel Land im Dorf. Christian Obrecht bewirtschaftet mit seinem Bruder 45 Hektar. Olgiatis Projekt beeindruckte den biologisch produzierenden Bauern auch wegen seines knappen Landverbrauchs. Er mäht die Wiese, die sich an den Beton schmiegt.


Kaum hatte die Jury entschieden, ging nicht nur Riedi flugs ans Werk, sondern auch jener Architekt, der mit seiner Wohnsitznahme ein Recht auf Aufträge erworben zu haben glaubte. Man munkelte von Stimmungsmache gegen das Projekt des Preisträgers. Es hat nicht geholfen. Im September 1996 bestätigte die Gemeindeversammlung den Juryentscheid. Ohne Diskussion stimmten 52 Personen pro und 26 contra den Olgiati-Bau und genehmigten den Projektierungskredit von 200 000 Franken. Edwin Riedi, der Macher, hatte alles bestens vorbereitet. Der Souverän musste nur noch nicken. Anfangs hatte Olgiati Angst gehabt vor dem «Büffel» Riedi, bis er merkte, welche Dampfmaschine sich da vor sein Projekt gestellt hatte. Als das Vertrauen sich beiderseitig unerschütterlich eingenistet hatte, war das Gemeinschaftswerk nicht mehr zu bremsen. Alle zogen mit. Olgiati: «Riedis Ziel war, dass der Bau gut herauskommt. Da war ihm alles recht.» Am 17. Dezember 1996 steht Olgiatis Schulhaus im Modellformat auf dem Tisch vor der Gemeindeversammlung. Das Bauprojekt konnte drei Tage lang besichtigt werden. Mit einer Gegenstimme erlässt die Gemeindeversammlung den Baubeschluss und genehmigt den Baukredit von 4 Millionen Franken. 61 Mitglieder der Gemeinde sind anwesend. Von Planta dankt den Einwohnern und den Gegnern des Schulhausbaus für das entgegengebrachte Vertrauen.

Die einzige Hand, die sich bei der Endausmarchung gegen das Projekt erhebt, gehört der Schwiegermutter von Stephan Schmid. Schmid, 39 Jahre alt, zog 1991 mit seiner Familie vom katholischen Fricktal ins Domleschg. Er ist Betriebselektriker beim Getränkehersteller Rhäzünser, der heute der Feldschlösschen-Hürlimann- Gruppe angehört. Im Kirchenchor sang sich der Unterländer gemeinsam mit seiner Frau in die Herzen der Paspelser, wedelte im Skiklub mit und löschte bei der Feuerwehr. Als vor drei Jahren die Wettbewerbsmodelle in der Turnhalle zur allgemeinen Begutachtung freigegeben wurden, gefiel ihm das Projekt des erzürnten einheimischen Architekten, aber überzeugt hatte es auch ihn nicht. Jener habe «in eigener Sache» orientiert, aber aufgehetzt habe er die informationswilligen Bürger von Paspels nicht. Nein, das nicht. «Wenn einer kommt und sagt, ich mache alles aus Beton, dann stehen mir die Haare zu Berge.» Heute schätzt Schmid die Zweckmässigkeit und den geringen Landverbrauch des Hauses. Mit der äusseren Ästhetik kann er sich immer noch nicht ganz versöhnen. «Olgiati hat es gewagt, einen Stein in meinen Garten zu setzen. Ein frecher und ein mutiger Bau.» Schmids Haare hatten sich bei unserem Schulhausbesuch wieder friedvoll niedergelegt.

Eines Tages, als das Haus längst aus dem Boden gestiegen war, machten sich die Paspelser in einem Bus auf, um jenseits der Landesgrenze Peter Zumthors Kunsthaus in Bregenz zu besichtigen. Und als sie feststellten, dass ihr Beton mindestens genauso gut gegossen war, die Vibrierung stimmte, begaben sie sich zufrieden auf die Heimreise.


Im Dezember 1997, das Werk war fast vollbracht, trat Edwin Riedi aus dem Gemeinderat zurück. Er hatte das Letzte gegeben, war gerannt und gewieselt. Am 1. April 1998 wurden das Haus von den Schulkindern aus Berg und Tal bezogen und im Sommer die Einweihung des vorläufig letzten grösseren Bauvorhabens der Gemeinde gebührend gefeiert. Theo Pally hatte sich im Gratisanzeiger «Pöschtli» in blumenreicher Sprache für die Sache stark gemacht und hielt auch die Einweihungsrede. Pally war glücklich. Was tat's, dass der Volksmund wegen des Velounterstands den geteerten Vorplatz «Autobahn» getauft hatte. Vielleicht waren es die, die sich nicht an der Gemeindeversammlung hatten blicken lassen. Die den Betonklotz für immer und ewig unter Hässlichkeiten einordneten.

Ulrich Ritz, so darf man sagen, gehört mit seinen 34 Jahren der Zukunft an. Er ist Bauingenieur und Riedis Nachfolger im Gemeinderat. Die coole Wuchtigkeit des Baus hat ihn bei der Planung gestört. Er mag Burgen, wie sie im Domleschg stehen, die wuchtig, aber nicht gross sind. Ein Alteingesessener ist er. Und hat sich inzwischen an das Schulhaus gewöhnt. Aber er sei kein gewandelter Saulus. Fragt man ihn, was sein Missfallen erregt, dann sind es eher Petitessen. Das Gemeindeleben funktioniere nicht mehr so vortrefflich wie auch schon. Die ausgeglichenen Finanzen lobt er. Wäre der Steuerfuss geklettert, hätte es schon Gemotze gegeben.

Es ist still in Paspels in diesem unwirtlichen Frühsommer. Im «Hirschen» ist der Stammtisch besetzt. Zum Schulhaus haben die Höckler aus den Nachbardörfern nichts zu sagen. Haben sie es überhaupt gesehen? Es steht am Dorfrand. Wenn der Bauplatz neben der Kirche gelegen hätte, vielleicht, vielleicht hätten dann Riedi und von Planta ein Schulhaus mit Giebeldach bauen müssen. Und der Abwart, der treuherzig der Fremden die Existenz eines Maulkorbs in Sachen Schulhausbau anvertraut, hätte im Sommer Geranien auf die Fenstersimse stellen dürfen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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