Bauwerk

OeNB - Technisches Zentrum
Wilhelm Holzbauer - Wien (A) - 1998
OeNB - Technisches Zentrum, Foto: Rupert Steiner

Das neue Haus fürs neue Geld

Funktional, städtebaulich eingebunden und der Bedeutung des Gebäudes angemessen: so wünschte sich die Österreichische Nationalbank ihr neues „Technisches Zentrum“. Wilhelm Holzbauer erfüllte die Vorgaben auf dem Gelände des Wiener Alten AKH souverän.

23. Januar 1999 - Judith Eiblmayr
Die Beziehung zwischen Geld und Architektur ist von einer selten artikulierten wechselseitigen Abhängigkeit geprägt. In erster Linie ist die Architektur fundamental vom Geld abhängig: Erst wenn die geistige und zeichnerische Arbeit eines beziehungsweise einer Kreativen zum Bauwerk wird, ist es auch ein Werk der Architektur. Die Realisierung dieses Werkes allerdings ist teuer, zum Bauen benötigt man verhältnismäßig viel Geld. Ohne materielle Basis kann kein Bauprojekt „materialisiert“ werden.

Umgekehrt ist aber auch das Geld von Architektur abhängig. Werte wollen schließlich geschützt sein. Es gibt wenig, was baulich derartig gutgesichert wird wie die Lagerstätten von Geld. Darüber hinaus soll natürlich die Wertigkeit der Geldgeschäfte über die Architektur dargestellt werden, Bauen als Repräsentationszweck ist ein ganz wesentlicher Faktor der Bankenarchitektur.

Das neue, als „Geldzentrum“ bezeichnete, „Technische Zentrum“ der Oesterreichischen Nationalbank von Wilhelm Holzbauer, in dem unter anderem die Banknotendruckerei und der Tiefspeicher als Werte-Lagerraum untergebracht sind, hat durch die glatte, steinerne Fassade durchaus Festungscharakter, der die sichere Verwahrung eines kostbaren Schreins ausstrahlt. Das Gebäude in der Garnisongasse im 9. Wiener Gemeindebezirk Ist jedoch kein Bankgebäude im herkömmlichen Sinn, sondern ein Industrie- und Verwaltungsbau, der keinen bedeutenden Kundenverkehr aufzunehmen hat. Es wurde errichtet, um einige Abteilungen aus dem unter akutem Platzmangel leidenden Hauptgebäude am Otto-Wagner-Platz auslagern zu können.

1990 wurden zehn internationale Architekten zu einem Wettbewerb geladen, um auf dem Areal des Alten AKH, dessen primäre Nachnutzung als Campus der Universität Wien bereits beschlossen war, das Gebäude des Geldzentrums zu planen. Im Anforderungsprofil an das Bauwerk wurde nicht nur die Gewährleistung „optimaler Funktionsabläufe“ und der „städtebaulichen Einbindung“ formuliert, sondern auch, daß der architektonische Entwurf„ der Bedeutung und Aufgabe des Gebäudes entsprechen“ solle; das heißt: einerseits der Entwicklung, Produktion und Lagerung von Wertpapieren adäquate Räumlichkeiten bieten, die einen reibungslosen Arbeitsablauf garantieren, andrerseits im äußeren Erscheinungsbild entsprechend sein.

Der Wunsch nach einer repräsentativen Gestaltung des Gebäudes wurde nicht explizit artikuliert, das Image der OeNB sollte vielmehr durch den Einsatz innovativer Umwelttechnologie, wie eine der größten fassadenintegrierten Photovoltaikanlagen Europas, geprägt werden. Investitionen wie diese zeugen vom verantwortungsvollen Umgang mit dem Baubudget. Von großer Bedeutung für das Geldzentrum war die durch den Campus neue städtebauliche Struktur, in der es errichtet werden sollte: nämlich im Zentrum eines durch die planerischen Eingriffe homogenisierten Stadtteils von höchster Qualität.

Dem geplanten Neubau fiel nun innerhalb dieses Viertels die Aufgabe zu, den Universitätscampus und das angrenzende Wohngebiet miteinander zu verzahnen, gleichzeitig jedoch, sich mit der eigenen, für die Umgebung völlig neuen Nutzungsfunktion architektonisch zu behaupten. Der Architekt mußte definieren, in welcher Form dieses Gebäude seine Spezifität als katalytische Qualität im städtebaulichen Zusammenhang entwickeln kann.

Wilhelm Holzbauer, der mit seinem Projekt den Wettbewerb gewann, hat durch eine von ihm selbst als „pragmatisch“ bezeichnete Herangehensweise die erwünschte Integration des Gebäudes geschafft. Holzbauer sagt, ihm gehe es bei jedem Entwurf primär ums Erforschen und Untersuchen der Machbarkeit im Kontext der Umgebung. Gerade beim Technischen Zentrum sei durch die eigenartige Grundstückskonfiguration und durch die Bestimmungen der Bauordnung für den Entwurf die Konzentration auf eine gedachte Hülle geblieben, auf die man mit Einstülpungen und Ausnehmungen kompositorisch reagieren konnte. – Die „gedachte Hülle“ umschreibt dabei eine gewaltige, mit Granit verkleidete Kubatur. Holzbauer nimmt in diese sehr wohl Elemente der Baukörperstruktur des AKH-Komplexes auf, allerdings ohne sich formal anzubiedern. Im U-förmigen Grundriß des Technischen Zentrums sind zwei langgestreckte, parallele Trakte ausdifferenziert. Zwischen ihnen liegt ein über die ganze Länge reichender Hof, der von drei verglasten Verbindungsbrücken überspannt wird.

Während der im Süden liegende Trakt dem Schwung der vis-à-vis liegenden Bebauung nachgeht und gegen Westen hin zu einem bugförmigen Spitz zusammenläuft, ist der zweite Trakt als südseitig nach oben zu gleichmäßig terrassierter Baukörper ausgebildet. Seine Nordseite gleicht einem Brückenbauwerk, ist ihm doch der Drucksaal eingeschoben, der als schachtelförmiges Element in seiner konstruktiven Eigenständigkeit erkennbar gemacht ist.

Um die Schwingungen von den Druckmaschinen nicht auf das gesamte Gebäude zu übertragen, ist dieser Bauteil separat fundamentiert.

Vielleicht ist es eine Art des going public der OeNB, daß gerade jener Teil des Technischen Zentrums, der dem Laien besonders geheimnisumwittert scheinen mag, nämlich der Saal, in dem das Äquivalenzprodukt alles Materiellen – das Geld – erzeugt wird, am weitesten in den öffentlichen Raum hineinragt. Jedenfalls führt entlang der mit zwei durchlaufenden Fensterbändern versehenen Wertpapierdruckerei die Fuß- und Radwegverbindung zum Campus.

Wenn man sich von der Van-Swieten- Gasse her nähert, wird der Blick unweigerlich auf die 30 Meter hohe Stahl-Glas-Konstruktion des Feuerwehrlifts gelenkt. Durch den Kunstgriff der überhöhten Ecke wird die Horizontalentwicklung des quaderförmig liegenden Drucksaales in ein relevantes Verhältnis gesetzt, das heißt: optisch verkürzt, was dem oben erwähnten Weg in der Verlängerung der Van-Swieten-Gasse eine einladende Proportion verleiht.

Auch in der Garnisongasse, wo am Eingang in das neue Gebäude „die große Geste gesetzt wurde“ (Holzbauer), kommt in keinem Bereich ein Gefühl von Maßstabsverletzung in bezug auf die umgebende Bebauung auf. Durch die zurückversetzte Baufluchtlinie, die gegenüber dem Baubestand gewahrte Traufenhöhe und die Pflanzung einer Baumreihe hat sich die Gasse zu einem – wenn auch kurzen – avenueartigen Straßenabschnitt gewandelt, der in dem mittig sitzenden Uhrturm des Garnisonspitals einen malerischen Abschluß findet.

Das OeNB-Gebäude zeigt sich in diesem Bereich von seiner – vermeintlich – transparenten Seite. Der Vorplatz geht schwellenlos, ohne Materialwechsel ins Innere des Gebäudes über. Die dreigeschoßige Loggia über dem Eingang und die dahinterliegende Halle, deren Raumhöhe nach innen zu immer niedriger wird, wirken als ein einziger Raum und sind lediglich durch eine vollflächige Übereckverglasung voneinander separiert.

Natürlich ist die Offenheit, die dieses Glasportal vermittelt, eine vordergründige: Wer die Lobby erst einmal betreten hat – vielleicht um sich an der hier befindlichen neuen Banknoten und Münzenkassa einen zerrissenen Tausender einzutauschen –, wird rasch bemerken, daß ab der „Sicherheitsschleuse“ kein weiteres Vordringen ins Gebäude möglich ist. Hinter ihr liegt das repräsentative Stiegenhaus mit einem großzügig dimensionierten Luftraum.

Holzbauer läßt durch zwei raumhohe Fensteröffnungen die Öffentlichkeit an dem Raumerlebnis teilhaben, auch das zwölf Meter hohe Gemälde „Das blaue Tor“ von Eduard Angeli ist von der Gasse her sichtbar. Im Inneren des Komplexes erfolgt die räumliche Orientierung in den Innenhof. Hier sind sämtliche Fassaden aus Glas, um einen starken Bezug zwischen Innen- und Außenraum herzustellen. Durch die Terrassierung der Baukörper nach oben zu und die Reflexion erhält der Hof die Funktion des hellen, ruhigen zentralen Raums.

Ebenerdig sind zwei von der Gartenarchitektin Maria Auböck gestaltete Patios ausgebildet. Den Blick auf diese Grünbereiche hat man nicht nur von den Büros aus, sondern auch von drei verglasten Brücken, die auf verschiedenen Ebenen die beiden Längstrakte miteinander verbinden.

Es ist ein Beweis für die Kunstfertigkeit des Architekten, wenn bei einem enorm voluminösen Bau, dessen äußeres Erscheinungsbild von Granit geprägt ist, jegliche einschüchternde Monumentalität vermieden wurde. Holzbauers abwechslungsreiches Spiel von Granitflächen und Fensterbändern im Raster der Steinteilung unter Vermeidung von demonstrativer Achsialität ist trotzdem nie willkürlich, sondern Ergebnis eines planerischen Selbstverständnisses, das der pragmatisch interpretierenden Komposition fähig ist.

Die Oesterreichische Nationalbank leistet sich selbstverständlich qualitativ hochwertige Materialien, ohne jedoch „Pomp und Prunk“ zu demonstrieren. Man wollte keinen Bau zum Repräsentieren, sondern ein Bauwerk, das per se Wertbeständigkeit präsentiert. Wilhelm Holzbauer hat mit seiner betont unpathetischen Interpretation dieser Bauaufgabe eine eindeutige Aussage gekonnt formuliert: Hier ist das Geld zu Hause.

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