Bauwerk

Museum der Moderne
Friedrich Poerschke Zwink Architekten Stadtplaner - Salzburg (A) - 2004

Lockende Stufen

Moderne Klassizität statt falscher Aufgeblasenheit: Salzburg hat für sein Museum der Moderne ein spannungsvolles Gebäude bekommen. Eines, das nicht wichtiger sein soll als die Kunstwerke, die es beherbergt.

23. Oktober 2004 - Walter Zschokke
Diese Kiste da auf dem Mönchsberg . . ." - „Entschuldigen Sie, eine Kiste wäre aus Holz.“ - „Na dann, diese Schachtel . . .“ - „Ist auch falsch, denn eine Schachtel bestände aus Karton oder dünnem Holz.“ - „Ja, darf man denn überhaupt keine griffigen Metaphern mehr verwenden?“ - „Nein, dürfen Sie nicht, denn Ihre Metaphern greifen daneben und sind maßstäblich falsch. Sagen Sie großer, liegender Quader, und schon stimmt's.“ - „Aber . . .“ - „Halten Sie jetzt die Klappe!“

Neben der gedrungenen Vertikalen des vertrauten Wasserturms, dessen historisierendes Äußeres seit über hundert Jahren erfolgreich um Akzeptanz des camouflierten Zweckbaus bettelt, ist ein horizontal betontes Element dazugekommen. Rahmenartig fasst die zur Stadt gerichtete Ostfassade ein breites Fenster, das den Hochblickenden signalisiert, wie bequem man von dort oben herunterschauen kann. Auf sich aufmerksam macht das Bauwerk mit der massiven Verkleidung aus dem fast weißen hellen Untersberger Marmor, der aus der Nähe stammt und, von nahe besehen, feine rote Äderungen aufweist. Modisches Schwarz hätte den Bau verschwinden lassen; doch wäre das gescheit gewesen? Schließlich sollen Besucher darauf aufmerksam gemacht werden, müssen sie doch mit dem Lift hinauffahren. Und besser als falsche Aufgeblasenheit ist moderne Klassizität allemal. Die neun Zentimeter starke Vormauerung weist Körper und Masse auf, und der lagerhafte Steinschnitt vermittelt Klassizität, subtil gebrochen durch die aufgeraute Oberfläche und ein nach Musikthemen mathematisch umgesetztes Muster schmaler Vertikalschlitze, die der Entlüftung dienen.

Das Haus für die Sammlung Welz, etliche Dauerleihgaben und Ankäufe vieler Jahre, reiht sich somit in die Gruppe jener Muse-umsbauten, die nach außen Dauerhaftigkeit, Sicherheit und Wertkonservativismus vermitteln. Aber ist das Bewahren und Herzeigen von Werken der Moderne, ja selbst zeitgenössischer künstlerischer Arbeiten nicht eine konservierende Tätigkeit? So kommen äußerer Eindruck und Funktion des Hauses zur Deckung.

Doch wechseln wir zum Inneren des mehrgeschoßigen Bauwerks der Münchner Architekten Klaus Friedrich, Stefan Hoff und Stefan Zwink, das hinter dem Aussichtscafé, dem das breite Ostfenster gewidmet ist, quasi versteckt liegt. Der Mönchsberg wird durch einen Torbogen auf dem Niveau des Stadtkerns betreten. Drei schnelle Aufzüge heben die Besucher aus der Kaverne in die Höhe. Sie enden in einer niedrigen Halle, aus der zwei Stiegenläufe hinauf ans Licht und an die Brüstung über der Felswand locken. Der Zugang zum Museum führt aber in die andere Richtung, weiter in den Berg hinein, wo eine geräumige Querhalle die Besucher vorerst zur Ruhe und ans Kassenpult bringt und von wo Garderoben, Shop sowie ein Vortrags- und Mehrzweckraum zugänglich sind. Eine wirklich breite Treppe lädt nun ein, tiefer in den Berg einzudringen, doch zugleich ansteigend auf einen Lichtschein zuzugehen. So gelangt man in eine schluchtartige Querhalle, von der die erste Ausstellungsebene zugänglich ist. Hoch über Kopf schützt ein Glasdach, und rechts führen weitere breite Stiegenläufe zum nächsten Geschoß, denn noch ist man nicht aus dem Berg heraus. Die Säle weisen Kunstlicht auf, es sind Rundgänge, aber auch eine freie Wegsuche möglich. Die Wände sind hier neutral weiß, während die Gang- und Treppenhallen von Mauern aus glattem Sichtbeton umfangen sind, dem ein heller Zuschlagstoff beigemischt wurde, so dass er freundlicher wirkt als der übliche Tiefbaubeton. Eine feine Maßnahme, knapp über der Wahrnehmungsschwelle, aber enorm wichtig.

Natürlich kann man auch den Aufzug nehmen, um in die oberen Geschoße zu gelangen, doch der Weg durch die Treppenschlucht ist architektonisch attraktiver. Nun hat man auch die zur Terrasse befestigte Oberfläche des Berges erreicht. Breite Fenstertüren öffnen sich zum Skulpturenhof im Schatten des Wasserturms. Zwei lange, parallele Säle liegen vor und hinter der Treppenschlucht; im vorderen Gebäudeteil befindet sich auf dieser Ebene das Café.

Nochmals lockt eine Treppe unter gläsernem Dach zum weiteren Aufstieg ins oberste Geschoß, wo die Oberlichtsäle sich S-förmig um die beiden Treppenschluchten legen und Verbindungsgänge sowie ein luftiger Steg einem direkten Zugang dienen. Hier sind mit Bedacht teils sehr große Ausblicksfenster gesetzt, die sich zu den nahe stehenden Bäumen öffnen oder einen Ausblick nach Süden erlauben. Allerdings wird die Durchsicht wegen der starken Filterwirkung gegen UV-Licht beeinträchtigt, wenn zugleich die Sonne aufs Glas scheint. Hier muss die räumliche Konzeption vor den konservatorischen Bedingungen kapitulieren.

Die flach in die Decke eingesetzten Oberlichter beruhigen deren Wirkung, so dass von dort kaum eine visuelle Störung ausgeht. Etwas schwieriger ist es in den unteren Geschoßen mit dem Kunstlicht, das aus stark präsenten, parallelen Leuchtbalken an der Decke kommt. Aber da das Museum nicht streng als neutraler weißer Raum ausgelegt ist, ist dies ein Nebenaspekt in der attraktiven räumlichen Vielfalt, die mittels zusätzlicher Wände variiert und für kleinere Formate und Bildkombinationen anders definiert werden kann.

Dass das Präfix „Star“ nicht immer Erfolg garantiert, gilt nicht nur im Fußball, sondern auch in der Architektur. Dies erweist sich an der von Matteo Thun stammenden Einrichtung des Cafés von der modischen Stange. Lässt sich in dem Gewirr abgeworfener Geweihstangen, welche die Deckenbeleuchtung kaschieren, noch so etwas wie Witz vermuten, sind die Farbkreise an der Rückwand im Café eines Kunstmuseums peinlich. In einer Werkskantine hätte man gesagt: „okay, gut gemeint“. Doch wer weiß, wie flüchtig solche Inszenierungen sind, wird sich nicht aufregen.

Denn die Art und Weise, wie sich das Bauwerk innenräumlich aus dem Berg heraus entwickelt, ist spannungsvoll und engagiert gemacht. Die Trennung von Aufstieg und Abstieg von den Raumfolgen im Ausstellungsbereich sowie die Differenzierung der Geschoße sind sinnvoll. Doch vor allem ist angenehm, dass das Gebäude nicht wichtiger sein soll als die darin auszustellenden Kunstwerke und deren Zusammenschau. Es ist ein dienendes Bauwerk, dessen räumliche Entwicklung in vertikaler und horizontaler Ausdehnung die notwendige „Passegiata“ zwischen einer Bildersequenz, einer Thematik, einer Künstlerpersönlichkeit oder einer Epoche und der nächsten anbietet, also trotz der beachtlichen Ausstellungsfläche von 2300 Quadratmetern, abwechslungsreich bleibt. Salzburg hat damit ein attraktives Haus für seine Sammlung der Moderne und darüber hinaus zielenden Ausstellungen erhalten, dessen Innenleben den Vergleich mit anderen Häusern nicht zu scheuen braucht.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Verein Museum der Moderne am Mönchsberg

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie