Bauwerk

MuseumsQuartier Wien - MQ
O&O Baukunst, Manfred Wehdorn - Wien (A) - 2001

Kein sichtbares Zeichen

„Überall fragt man mich, warum wir kein deutlich sichtbares Zeichen nach außen haben“, stellt Museumsquartier-Geschäftsführer Wolfgang Waldner vor der offiziellen Eröffnung des neuen Kulturbezirks fest.

7. Juni 2001
Wenn Museumsquartier-Chef Wolfgang Waldner vor ausländischen Journalisten den neuen Wiener Kunstbezirk vorstellt, der vom 28. bis 30. Juni mit einer dreitägigen Reihe von Festen eröffnet wird, dann gibt es einen Moment, den er besonders liebt: die Präsentation von Grundriss-Grafiken, auf denen weltweit bekannte Kunstzentren wie das Tate Modern in London, das Pariser Centre Pompidou oder das Paul-Getty-Center in Los Angeles und das Areal des Museumsquartiers übereinandergelegt werden - und dabei ziemlich klein aussehen.

„Die ausländischen Kollegen sind dann sehr beeindruckt, dass so etwas heute entstehen kann.“ Denn das Museumsquartier (MQ) ist das achtgrößte Kunst- und Kulturzentrum der Welt, für das jährlich 1,1 Millionen Besucher erwartet werden. Es wird zwei Milliarden Schilling kosten. 75 Prozent davon kommen vom Bund, 25 Prozent von der Gemeinde Wien. Seit 1998 wird - nach zahlreichen vorangegangenen Diskussionen, Planungen und Umplanungen - nun gebaut.


Noch Großbaustelle

Obwohl seit drei Wochen die ersten Räume - die kleinere Ausstellungshalle der Kunsthalle Wien und die beiden Veranstaltungshallen in und unter der ehemaligen Winterreithalle - bereits bespielt werden, ist das Museumsquartier derzeit noch eine Großbaustelle. In den letzten Tagen haben sich die Bauarbeiten nun auf den Innenhof des neuen Museumsviertels verlagert. Nach Aufstellung der Beleuchtungskörper und der Sitzbänke hat man bereits einen ersten Eindruck vom endgültigen Aussehen des Areals. Auf dem 18.000 Quadratmeter großen Vorplatz herrscht dagegen noch Chaos.


Ungelöste Probleme

Vor der endgültigen Fertigstellung gibt es aber noch ungelöste Probleme: So wird z.B. der erhöhte Vorplatz vor dem Eingang des Museums Moderner Kunst (Mumok) sowohl von den Lokalbetreibern der Kunsthalle als auch vom Mumok beansprucht. In diesem Fall steht noch eine Einigung aus. Die Gesamteröffnung der Kunsthalle am 11. Juni muss nun umgeplant werden, nachdem Waldner keine Zustimmung zur Nutzung des Hofes durch „pyromantische Serenaden“ gegeben hat. Der Grund: er will sich vor seiner eigenen Eröffnungsparty nicht die Show stehlen lassen.


Neues „Quartier 9“

Währenddessen gehen die Planungen für die noch nicht endgültig vergebenen
Flächen weiter. So soll der Durchbruch zur Breite Gasse künftig auch mit Kunst- und Architekturprojekten bespielt werden. Das „Quartier 21“ hat „Zuwachs“ bekommen: das sogenannte „Quartier 9“. „Das ist vorläufig nur ein Arbeitstitel“, präzisiert Waldner die von Kunststaatssekretär Franz Morak kürzlich bei der Kulturreferententagung in Linz vorgestellten Pläne.

Damit wolle man dem Interesse der Bundesländer Rechnung tragen, die wesentlich zur Finanzierung beitrügen. Da die Präsenz der Bundesländer sowohl aus Platz- als auch aus Finanz-Gründen abgelehnt wurde, soll nun ein eigener Q9-Kurator auf Vorschlag der Bundesländer und in Abstimmung mit dem Q21-Beirat ein eigenes Programm erstellen. Vorgesehen für das Projekt sind dafür rund 150 Quadratmeter, erklärt Waldner.


MQ-Eröffnung am 29. Juni

Am 29. Juni, wenn um 11.00 Uhr der Bundespräsident das Museumsquartier festlich eröffnen wird, soll alles fertig sein. „Zeitlich ist alles im Plan, auch der Vorplatz wird rechtzeitig fertig“, beruhigt Waldner. Während im Fischer-von-Erlach-Trakt noch hektisch gearbeitet wird, herrscht im Inneren der beiden größten Baukörper bereits Ruhe. Denn der Muschelkalkbau des Leopold-Museums und der graue Basalt-Kubus des Museums Moderner Kunst sind im Wesentlichen fertig. In den nächsten Wochen wird mit den Hängungen begonnen. Denn erst im September - lange nach der allgemeinen Eröffnung - werden das „Mumok“ am 15. und das Leopold-Museum am 21. September ihre Pforten öffnen.


Waldner will Leseturm

„Ich wünsche mir ein Signal, ein Zeichen, wenn Sie so wollen: Einen Turm. Denn wir brauchen uns nicht zu verstecken. Das Museumsquartier spielt in der obersten Liga der Welt“, weist der sonst zufriedene Waldner auf jenes Defizit hin, auf das er bei seinen Auslandsaufenthalten immer wieder angesprochen wird. Es ist also zu erwarten, dass Waldner auch in den Eröffnungstagen die Politiker wieder auf den zu Fall gebrachten Leseturm hinweisen wird.


Weh gegen Turm

„Das letzte, was das Museumsquartier jetzt noch brauchen würde, ist ein Leseturm. Das ist nur ein monumentales architektonisches Zeichen. Was wir wirklich brauchen, ist das, was das Museumsquartier immer ausgezeichnet hat: eigenverantwortliche Perlen“, widerspricht Vitus H. Weh, Leiter des „Kunst auf der Baustelle“-Projektes, heftig den Forderungen des MQ-Geschäftsführers.


„Kunst auf der Baustelle“
Als letzte Aktivität von „Kunst auf der Baustelle“ wird die Ausstellung „Unsichtbare Architekturen“ am 8. Juni im barocken Haupttrakt sowie in einem von Studentinnen und Studenten des niederländischen Ateliers van Lieshout gebauten Mini-Gebäude namens „Keks“ eröffnet. Sie soll die Geschichte der vielfältigen Aktivitäten auf dem Areal zeigen. „Damals war das Museumsquartier lebendig, heute läuft es Gefahr, dass es in kristalliner Härte erstarrt “, sagt Weh. Er hat daher vier kleine Architekturwettbewerbe für weitere Gestaltungen im MQ initiiert, deren Ergebnisse ebenfalls gezeigt werden.


Plattform statt Leseturm?

„Wir wollten kein Abschluss-Event unserer Aktionen, sondern den Ansatz der kleinen, unsichtbaren architektonischen Eingriffe weiterführen, überall dort, wo noch etwas aussteht. Und es steht noch viel aus“ meint Weh. Unter den Wettbewerbs-Siegern findet sich auch ein Vorschlag, der eventuell als Ersatz für den Leseturm realisiert werden könnte.

Die Gruppe „The Next Enterprise“ schlägt für den Durchgang zur Breite Gasse eine Aussichtsplattform vor, die einen Rundblick nicht nur über das Museumsquartier, sondern über die ganze Stadt bieten würde. Der Bezirksvorsteher sei davon ebenso begeistert wie Wolfgang Waldner. Allerdings gebe es noch kein Geld dafür. „Da ist Waldner jetzt gefordert“, so Weh. Die weiteren Wettbewerbe betrafen u.a. die Kunstbuchhandlung Prachner im alten Trakt, die Innengestaltung der Künstlerateliers - eines davon wird Heimo Zobernig gestalten - sowie die Einrichtung des Glacis-Beisls.


[Tipp:
„Unsichtbare Architekturen. Systemerweiterung im MQ Areal“, Ausstellung im Museumsquartier, Halle H1 im barocker Haupttrakt und im „Keks“ auf Vorplatz oder Innenhof, Eröffnung: 8. Juni, 19.00 Uhr, geöffnet vom 9. Juni - 29. Juli, 13.00 - 19.00 Uhr.]

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