Bauwerk

Evangelische Kirche
Heinz Tesar - Klosterneuburg (A) - 1995
Evangelische Kirche, Foto: Margherita Spiluttini
Evangelische Kirche, Foto: Margherita Spiluttini
Evangelische Kirche, Foto: Margherita Spiluttini
1. September 2006 - ORTE
Im Hinterland der Geländeterrasse, auf der dominierend das Stift Klosterneuburg thront, bereits wieder auf leicht ansteigendem Terrain, erhebt sich als weißer Solitär die bauliche Hülle, die den Sakralraum für die evangelische Kirche formt. Der ausgedehnte parkartige Garten des neubarocken Pfarrhauses, dessen Rasen mit hohen Bäumen bestanden ist, lässt dem mittelgroßen Bauwerk genügend Umraum, dass es in dem teils offen, teils geschlossen bebauten Quartier Geltung erlangt. Der Zugang führt am hochaufragenden Chor vorbei, sanft ansteigend zu dem von einer Linde überwölbten Eingangsvorplatz und dem westseitig ansetzenden Vorraum. Die Richtung Zugang schildartig bergende Chorwand löst sich für den Weiterschreitenden im flacheren Rund der Südflanke in ein vielfach von kleinen quadratischen Fenstern durchbrochenes Gitter auf. Die Mauer folgt weiter dem Verlauf einer stetigen, aus Ellipsenabschnitten komponierten Kurve. An der Nordostseite nähern sich die versetzten Mauerkanten einander an, lassen aber einen begehbaren, schmalhohen Lichtspalt als Zwischenraum offen, der Chorwand und Altarbereich streifend mit Himmelslicht versorgt. Ein Kranz von quadratischen Fenstern säumt das Maueroval knapp unter der Krone und läßt die Sonnenstrahlen der Tageszeit entsprechend in den Innenraum scheinen. Beschirmt wird der Sakralraum von einer Segmentbogentonne aus Stahlbeton. Da die Verschneidung von elliptischem Zylinder und Tonnengewölbe einem sanften Kurvenschwung folgt, wirkt das vom Material her harte Dach weich, als würde es wie eine plastische Decke drüberhängen. Fünfundzwanzig Lichtkuppeln sind in das Dach geschnitten und lassen Zenitallicht in den Kirchenraum eindringen. Das Innere erweist sich, obwohl der bergende Charakter der Mauern nie nachläßt, mit allseits quellender Lichtfülle ausgestattet. An dieser Lichtflut läßt sich am ehesten der protestantische Charakter der Kirche festmachen. Aus dem Vorraum, der von einer sich aus dem Oval lösenden, niedrigeren Mauer räumlich definiert wird, führt der Zugang, vom Kurvenschwung der Mauer umgelenkt, seitlich in den Versammlungsraum der Gemeinde. Unter dem von einer runden Betonstütze hochgestemmten, von Kreuzarmen getragenen kreisrunden Schirm der Orgelempore hervor gelangt man in den Einraum. Dem Eingang gegenüber, im konkaven Rund des Ellipsenscheitels liegt der Kanzelaltar, ausgezeichnet durch ein Gemälde in schlankem Hochformat von Hubert Scheibl. Die von den vielen Fenstern in verwirrend geregeltem Muster durchbrochene Südwand streut den Blick auf die Bäume des Gartens. Auf der anderen Seite wirkt die Nordwand mit vertikal gestülpter Akustikverkleidung weniger als Mauer, denn als schützender Wandschirm. Der Versatz beim hohen Nordfenster löst die Spannung des Zentralraumes, der aber in seiner Bipolarität viel ausgleichender wirkt als etwa eine kreisrunde Konzeption. Die Abweichungen von der exakten Ellipse mittels Überlagerungen verschieden großer Ovalformen erzeugen ein Wechselspiel leichter Asymmetrien und außermittiger Achsen, das knapp über der Wahrnehmungsgrenze liegt. Die Summe architektonischer Maßnahmen macht deutlich, dass es sich hier nicht um irgendein Haus, sondern um einen Sakralraum handelt, dessen raumbildende Hülle sich hinter dem Lichtraum und dem mehrdeutigen Spannungsfeld «Innenraum» zurückhält. (Text: Walter Zschokke)

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Für den Beitrag verantwortlich: ORTE architekturnetzwerk niederösterreich

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Evang. Pfarrgemeinde Klosterneuburg
Evangelische Pfarrgemeinde Klosterneuburg

Fotografie