Bauwerk

Palais Equitable - Umbau Mezzanin
RLP Rüdiger Lainer + Partner, Werner Silbermayr - Wien (A) - 1997
Palais Equitable - Umbau Mezzanin, Foto: Margherita Spiluttini
Palais Equitable - Umbau Mezzanin, Foto: Margherita Spiluttini

Im Mezzanin des k. k. Bauraths

Im gründerzeitlichen Palais Equitable am Wiener Stock-im-Eisen-Platz haben Rüdiger Lainer und Werner Silbermayr ein Stockwerk in zeitgemäße und repräsentative Büroräume verwandelt. Ein Umbau mit Mehrwert.

29. März 1997 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es ist schon ein ganz besonders imposantes Gebäude, das Palais Equitable des ehrwürdigen „k. k. Baurathes“ Andreas Streit auf dem Stock-im-Eisen-Platz in Wien. Nach Rüdiger Lainer bildet sich in seiner gründerzeitlichen „Kombinatorik der Stile und Stimmungen“ eine Art New Yorker Interpretation von „old Europe“ ab, denn Streit hat das Bauwerk 1888 für die amerikanische „Equitable“ Life Assurance Society geplant. Diese Lesart kann man teilen oder auch nicht, mit seinem rundum verkachelten, glasgedeckten Innenhof - einem atmosphärisch ganz und gar unwienerischen Ort - zählt es jedenfalls zu den architekturtouristischen Sehenswürdigkeiten der City.

Andererseits: So besonders ist es dann auch wieder nicht, daß ein Architekt davor zurückschrecken müßte, sich daran zu „vergreifen“. Vor die Aufgabe gestellt, das Mezzanin des Equitable in zeitgemäße, dabei repräsentative Büro- und Besprechungsräume zu verwandeln, zögerten Rüdiger Lainer und sein Partner, Werner Silbermayr, daher nicht, sogar einen ganz leisen, aber auch von außen lesbaren Hinweis auf ihre Intervention im Inneren zu liefern. Dieser Hinweis wird zwar nur abends, in der Dunkelheit sichtbar - er besteht in einer Art Lichtinszenierung, dem ein wenig irrealen Flirren und Leuchten der breit dimensionierten Fenster im Mezzanin - , aber mehr wäre auch sicher zuviel. So sticht einem, vom Stephansplatz, von der Kärntner Straße oder dem Graben kommend, das leuchtende Fensterband zwar ins Auge, aber es verstärkt eher die Wirkung der gewaltigen Baumasse, die sich darüber auftürmt, als daß es sie stört.

Es ist übrigens ein sehr einfacher Kunstgriff, dessen sich Lainer und Silbermayr bei dieser kleinen Geste nach außen bedienen: Sie haben in den Kastenfenstern links und rechts jeweils zwei Leuchtstoffröhren installiert, die ein bläulich-weißes, jedenfalls nicht gelbliches Licht geben und so für diesen unaufdringlichen Irritationseffekt sorgen.

Der Weg hinauf ins Mezzanin führt über eine Prunkstiege, die diese Bezeichnung wahrhaftig verdient. Und da, plötzlich und unvermutet: ein Moment der Überraschung, der neuerlichen Irritation. Denn der Besucher wird hier mit einer Eingangskonstellation konfrontiert, die einer Parallelaktion gleichkommt: Links ist die ein wenig schäbige gründerzeitliche Eingangstür immer noch da, rechts leuchtet eine Glastür, die eigentlich eine Art Paravent ist, ein sandgestrahltes Glaselement, das nur den Namenszug des Unternehmens zeigt, und schiebt sich lautlos auf.

Über eine Lichtschwelle im Boden geht es in den großen, dreifenstrigen Empfangsraum hinein, und wenn man hier steht, dann versteht man auch gleich das Grundprinzip der architektonischen Intervention, das bei diesem Umbau sehr konsequent durchgehalten wurde. Denn von innen betrachtet, treffen im Eingangsbereich drei höchst disparate Elemente aufeinander: ein altes Fenster in einen Lichthof, der neue Eingang und die ursprüngliche Eingangstür. Durch dieses unvermittelte Aufeinandertreffen von altem Bestand und neuen Implantaten kommt atmosphärisch gerade soviel Spannung auf, wie es braucht, um nicht in die eher fade Glätte neureicher Repräsentation zu verfallen.

Die Frage, wie man mit historischem Bestand richtigerweise umgeht, steht ja relativ häufig im Raum. Die Strategie, den Bestand einerseits nicht anzutasten, andererseits aber doch einen Kollisionskurs einzuschlagen und auf diese Weise eine neue Qualität herzustellen, geht aber trotzdem nur selten auf. Im wesentlichen bestand das Mezzanin des Equitable aus einer Abfolge großer Räume zwischen Außenfassade und Mittelmauer, wobei die Öffnungen in der Mittelmauer teilweise rechteckig, teilweise bogenförmig waren.

Zwischen der Mittelmauer und der Fassade zum Hof beziehungsweise zu den Lichthöfen waren unterschiedliche Resträume untergebracht. Diese „Resträume“ haben die Architekten entfernt und damit die Möglichkeit einer großzügigen Erschließung geschaffen. Die vorhandenen Öffnungen in der Mittelmauer blieben so, wie sie waren, auch wenn sie jetzt, nach dem Umbau, teilweise eben doch ganz anders sind.

Die extremste Umsetzung dieser architektonischen Strategie findet sich bei einem Fenster in einen Lichthof, das ganz am Ende der jetzigen Erschließungszone vorhanden war. Wie gesagt: Es war da. Es wurde zwar nicht gebraucht, aber es war da. Und da der Bestand nicht angetastet werden sollte, mußte es bleiben. Rüdiger Lainer hat sich mit vorwitzigem Esprit aus dieser Affäre gezogen: Man könnte auch sagen, er hat das Fenster weggestrichen, durchgestrichen. Denn er hat eine etwas durchscheinende Glasscheibe davorgesetzt, die das Fenster zwar nicht antastet, die es noch nicht einmal ganz unsichtbar macht, die es aber doch auslöscht.

Wenn man die breite Erschließungszone entlanggeht, stößt man unweigerlich auf eine weitere Kollision dieser Art. Zum Hof hin ist ein fast möbelartiges, mit seinem leichten Schwung auch sehr elegantes Raumelement mit Garderoben und ähnlichem da, das sich hinter einer Leuchtwand des Künstlers Michael Kienzer tatsächlich zu einem Raum mit kleiner Küche weitet. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Mittelmauer mit ihren unterschiedlichen Öffnungen zwar unberührt geblieben, aber wo es gebraucht wurde, wurde auch ganz rücksichts-, aber nicht reizlos eine neue Schicht davorgesetzt.

Wie gesagt, dem Bestand ist nichts passiert. Aber die Architekten drücken doch unmißverständlich aus, wenn sie etwas in der vorhandenen Form eigentlich nicht brauchen. Und dann aber auch gleich wieder die architektonische Gegenrede: Die neuen Zwischenwände, die ein Büro vom anderen trennen, machen zum Beispiel respektvoll einen Schritt vor der Außenmauer halt. Das heißt, sie berühren die Außenmauer an keiner Stelle; ein verglaster Schlitz zeigt die volle Länge des jeweiligen Geschoßteils sogar sehr effektvoll auf.

Grundsätzlich hat sich Rüdiger Lainer für eine relativ puristische Materialsprache entschieden. Auf dem Boden durchgehend der warme Farbton von Doussie-Parkett - wohl eine Art Tropenholz - , ansonsten viel und ganz unterschiedliches Glas, schließlich ebenfalls ganz unterschiedliche Weißtöne und Materialqualitäten bei den Oberflächen von Wänden, eingeschobenen Raumelementen und eingebautem Mobiliar.

Da trifft man auf einen scheinbar rauhen Anstrich in der Art einer Grundierung, man trifft auf die grobe Handschriftlichkeit des Pinselstrichs von Michael Kienzer bei der Leuchtwand, aber auch auf die edle und aufwendige Technik des glatten, ein wenig glänzenden Stucco lustro.

Ganz ähnlich ist es beim Glas: Es kann durchsichtig sein oder nur durchscheinend, sandgestrahlt oder sogar verspiegelt, wie im Fall des Ornamentglases an den Wänden der Waschräume.

Lainer hat einige sehr schöne Möbel entworfen. Besonders im Eingangsbereich sind ihm mit einem flexiblen, würfel- oder modulartigen System Ausstattungselemente gelungen, die gleichzeitig frei aufgestellte Objekte und doch vielfältig nutzbare Einrichtungsgegenstände sind.

Eine ausgetüftelte weiße Schrankwand ist von einer rechtwinkeligen Struktur verschieden großer Felder (den Türen) überzogen und hat Lainer selbst zu einem treffenden Kommentar inspiriert: Mondrian meets Ryman.

Ein sehr großer, in einer schwungvollen Kurve geformter Konferenztisch aus Stahl wirkt wie das programmatische Gegenstatement dazu. Er ist aus mehreren Einzeltischen zusammengesetzt und derzeit gerade Gegenstand „gestalterischer“ Experimente, denn die Tischplatte soll mit Leder überzogen werden. Aber welches nimmt man? Rüdiger Lainer wurde von der jähen Einsicht überwältigt, daß der Größe von Tierhäuten ein natürliches Limit gesetzt ist und die Wahlmöglichkeit daher recht beschränkt.

Unter dem Strich ist es ein höchst bemerkenswerter Umbau geworden, den Lainer und Silbermayr im Mezzanin des Equitable realisiert haben. Auch wenn man sagen kann, daß ein neuer Innenausbau im Haus des Andreas Streit leichter zu rechtfertigen - und wohl auch lockerer zu handhaben - ist als etwa in einem Gebäude von Wagner oder Loos, bleibt immer noch der Anspruch des besonderen Ortes, hier, im Mittelpunkt der Innenstadt.

Und es bleibt eine Gefahr, die immer häufiger auch sehr anspruchsvolle Umbauten zur Strecke bringt, nämlich die eines uninteressanten, langweiligen, weil allzu vordergründigen und modischen Purismus. Gerade der wurde aber äußerst erfolgreich vermieden. Denn Purismus war zwar - schon auf Grund der umfangreichen und spektakulären Kunstsammlung des Bauherrn, die in den Räumen präsentiert wird - ein Thema, durch die Art des Umgangs mit dem Bestand hat er aber Irritationen erfahren, die einen atmosphärischen Mehrwert bedeuten.

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