Bauwerk

Hypobank Klagenfurt
Morphosis, Thom Mayne - Klagenfurt (A) - 2000
Hypobank Klagenfurt, Foto: Angelo Kaunat
Hypobank Klagenfurt, Foto: Angelo Kaunat
Hypobank Klagenfurt, Foto: Angelo Kaunat
14. September 2003 - Az W
Architektur ist unsichtbar*
* nach einem Motto von Hans A. Vetter und Heidulf Gerngross.
Die Postmoderne als Gesellschaftsform hat uns einen Zustand ideologischer Ambivalenz und Indifferenz beschert. Andersherum gesagt: spätestens seit dem Bankrott des Real-Sozialismus ist offenbar alles relativ geworden. Da versuchen jetzt die alten „Linken“ krampfhaft, die besseren Manager zu sein, und da outet einer unserer besten Essayisten den neuen Kärntner Landeshauptmann als „Neuen Linken“. Auf der Ebene der Objektqualität wurde feuilletonistisch alles genießbar, was sich allein durch spektakulären Aufmerksamkeitswert und Quotenträchtigkeit rechtfertigt. Auf der Ebene der Planung sind die letzten Imaginationen öffentlich legitimierter Kompetenz gefallen: die lokalen Organe fungieren heute als zumeist überforderte „trouble-shooter“ zwischen Investorendiktat und populistisch manipulierten Bürgerinteressen.
Ein führender Büro-Einrichter punktet neuerdings mit dem Slogan: „Arbeiten sie schöner als sie wohnen.“ Zugleich ist der Kampf um Plätze in dieser schönen neuen Arbeitswelt härter als je zuvor. Eine zum überregionalen Player avancierte Landesbank realisiert in Klagenfurt von Null weg ihre neue Zentrale als „signature-building“ der Fünf-Sterne-Kategorie, und das mediale Echo schwelgt in Lobpreisungen der Gebäudeskulptur, ignoriert jedoch dessen völlig unzeitgemäße innere, funktionelle Performance. Der schöne Slogan der Firma „Bene“ ist da auf urösterreichische Art auf den Kopf gestellt, indem hier ja niemals zählte, was jemand konkret zu leisten verstand, sondern primär, welchen formalen Rang sein Outfit, die schöne Uniform bzw. der Amtstitel repräsentierte.
Die Postmoderne revidierte die alte Formel der Avantgarde zu „function follows form“, und übersah dabei, dass das nichts Neues bringt, dass vielmehr die gesamte Kulturgeschichte ihre Dynamik aus dem ständigen Oszillieren der beiden „F“ bezog, und dass jedenfalls die formalen Fortschritte der Bau-Moderne sich entscheidend vorangegangenen, außerkünstlerischen Innovationen von Technologie und Funktionalität verdankten.
Anlässlich der Jury zum Kärntner Landesbaupreis 1999 hatte ich mit Hermann Kaufmann, Ales Vodopivec und Dietmar Müller die Gelegenheit, die neue Hypo-Zentrale in Klagenfurt zu besichtigen. Ich zitiere dazu aus unserem Jurybericht:
„Das Verfahren zur Projektfindung wurde hier mit beachtlichem Anspruch durchgeführt, und der Neubau bildet an der Osteinfahrt der Landeshauptstadt nun eine attraktive „landmark“. Sosehr die virulente Außenerscheinung auf den ersten Blick faszinieren mag, das eigentliche Thema dieser Anlage jedoch - die nachhaltige Herstellung von zukunftsweisenden Arbeitsflächen - , das wurde klar verfehlt.
Die Jury kam nach mehr als einstündiger Besichtigung zur Auffassung, dass an dem baukünstlerisch hochmotivierten Gebäude die Realitäten von äußerer Anmutung und innerer Raumqualität einander fundamental widersprechen: Außen eine expressive Architekturskulptur, innen ein Gewirr von Resträumen, in dem irgendwie Arbeitsplätze angeordnet sind, zum Teil dunkel, zum Teil überbelichtet.
Im Vergleich mit ähnlich hochrangigen, neuen Bürozentren in Vorarlberg, Tirol, in Deutschland, Schweiz oder Frankreich kann hier die Mehrzahl der Arbeitsplätze in puncto Lichtqualität, struktureller Offenheit, Flexibilität, Potential wechselnder Gruppenbildung, Qualität eines informellen Arbeitsumfeldes, Innen-Außen-Bezug, Energiekonzept etc. nicht überzeugen.
Viele Büros gleichen eingehausten Zellen entlang von engen, unübersichtlichen Mittelgangsituationen, obwohl der Bau weitgehend einhüftig konzipiert ist.
Die formale Verve dieser Architektur und ihre tatsächliches Leistungsvermögen stehen in keiner nachvollziehbaren Balance. Bei aller Offenheit für neue Formen und Ansätze, - Architektur ist zunächst einmal Dienstleistung. Im Wissen, dass die Jury des Kärntner Landesbaupreises im Gegensatz zu anderen Gremien steht, hat sie einstimmig entschieden, diesem Projekt keinen Preis zuzuerkennen.“

Angesichts der Elogen, die zur neuen Hypobank bisher in der NZZ, in Presse/Spectrum, Standard, Archithese und anderswo erschienen, plädiere ich bei dieser Gelegenheit für die dringende Wiedereinführung der Kritik in die hiesige Architekturpublizistik. (Text: Otto Kapfinger)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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