Bauwerk

Schneidersalon Knize
Adolf Loos - Wien (A) - 1913
Schneidersalon Knize, Foto: Rein Saariste
Schneidersalon Knize, Foto: Rein Saariste
14. September 2003 - Az W
Das zweigeschoßige Geschäft ist die einzige noch ganz erhaltene Arbeit von Loos aus dem Bereich der „Herrenausstatter“. Darüber hinaus ist es ein besonders schönes Beispiel Loos’scher Ikonographie und Einrichtungskultur, abgesehen von der meisterhaften Gestaltung einer durchlaufenden Raumsequenz, die sich mit einer Schleife aus einer Tuefenbewegung im Erdgeschoss zu einer im rechten Winkel dazu liegenden Enfilade im OG entwickelt. (...)

Das Portal ist die Visitenkarte des Geschäfts und es bedürfte nach Loos gar keiner Aufschrift, um seine Dienste zu erkennen. Die bei Loos üblichen edlen und repräsentativen Rahmungen des Entrees sind hier aus schwarzem, schwedischen Granit mit Spiegelglaseinfassungen der Vitrinen in zartem Kirschholz. Das Innere besteht im Erdgeschoss aus einem grossen Vitrinenpult, dem charakteristischen Wandverbau und der Sitzkasse am Ende des Raumes, von wo aus - mit einem Zwischenpodest als Probierbereich - die einfach gewendelte, schmale Treppe ins Obergeschoss führt.

Diese mündet in einen nur künstlich belichteten luxuriösen Schauraum und dessen vorderer Teil - vor dem Raum des Geschäftsführers - in die Enfilade zweier dahinterliegender Salons übergeht. Diese beiden hohen Räume haben über ein Drittel in den Raum hereinragende Galerien, die als Arbeitsbereiche der im dritten Geschoß liegenden Werkstätten mitbenutzt werden. (...)

Wenn man bei dieser Raumfolge mit Recht von einer Sequenz, also einer bewusst gestalteten Abfolge sprechen kann, so ist für die Reihung der Räume ihre Verklammerung von grosser Bedeutung. Diese Verklammerung geschieht entweder durch ein Ineinanderschieben verschiedener Elemente unterschiedlicher Raumzugehörigkeit (wie z.B. beim Portal), wo der Innenraum gewissermassen „erwundbar“ in den öffentlichen Raum hinausgeschoben wird, oder in einem Egalisieren der Schwelle (siehe zwischen den Salons), indem durch Spiegelung Raumgrenzen unterschiedlich aufgelöst oder visuell miteinander verbunden werden (illusionistisch durchlaufende raumerzeugende Elemente, wie eben das Geländer der Galerien).

Eine Sonderlösung gestattete sich Loos bei der gewendelten Treppe, wo durch einen Spiegel nicht nur einen Blick auf den oben oder unten liegenden Geschäftsbereich gewährt wird, sondern sich die Treppe selbst, durch die Spiegelung ihrer Richtungsänderung, „barock“ inszeniert. (...)

Abgesehen von von diesen augenzwinkernden Tricks liegt die kulturelle Leistung bei dieser räumlichen Geschäftsgestaltung und Einrichtung in der atmosphärischen Gratwanderung zwischen repräsentativer Öffentlichkeit und nobler Privatheit: ein Interieur, das nicht in die Unverbindlichkeit verfügbarer Konventionen abgleitet, sondern die Regelhaftigkeit „öffentlichen Handelns“ in ein vielleicht nur simuliertes privates Bezugsfeld transformiert und sowohl den „Ausstatter“ wie seinen Kunden in ein Szenario von Gediegenheit und Vertrautheit einbindet. Den das Geschäft verlassenden Kunden verstellen die Kassen nicht das Blickfeld. (Text: Friedrich Achleitner)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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