Bauwerk

Offenes Kulturhaus Linz - O.K. - Um- und Ausbau
RIEPL RIEPL ARCHITEKTEN - Linz (A) - 1998
Offenes Kulturhaus Linz - O.K. - Um- und Ausbau, Foto: Josef Pausch

Glasbox auf der Kante

Wo früher Klassenzimmer waren, finden sich heute Ateliers und Ausstellungsräume. Unter kluger Nutzung des Altbestands ist Peter und Gabriele Riepl ein funktional wie gestalterisch beeindruckender Umbau gelungen: das „Offene Kulturhaus Linz“.

9. Mai 1998 - Walter Zschokke
Das Schulgebäude des Konvents der Ursulinen in Linz an dem heute zum Platz gewordenen ehemaligen Ordensgarten wurde von 1930 bis 1937 in zwei Etappen errichtet. Es gilt als das modernste des eher konservativen Baumeisterarchitekten Mattäus Schlager. Die ruhige Gestaltung der südorientierten Hauptfassade weist vier Zeilen gleichartiger Fenster auf. Jeweils drei sind zu einer Gruppe zusammengerückt und passen auf die früher dahinter befindlichen Klassenzimmer. Der Saal im obersten Geschoß, mit seinen fünf hohen Rundbogenfenstern, bildete einen Akzent in der emotionslos gleichmäßigen Ansicht, die mit der im rechten Winkel dazu stehenden Fassade des Konventsgebäudes korrespondiert.

Der breite und wenig tiefe, einhüftige Grundriß war von der östlichen Stirnseite her durch einen kleinen vorgelagerten Gartenhof und ein Stiegenhaus zugänglich. Durch einen langen geraden Gang gelangte man in die südorientierten Klassenzimmer. Nordseitig blieb zwischen Gang und naher Feuermauer ein schluchtartiger Lichthof offen, in den ein Toilettenturm hineinragte. Ein texturartiger Verputz prägte die Außenhaut; das Muster aus flachrunden Vertiefungen war mit der Maurerkelle erzeugt worden. Ehemals weiß, verwitterte er mit den Jahren zu einem schmutzigen Stadtgrau. Insgesamt bot das Gebäude einen zwar strengen, aber nicht kasernenhaften Eindruck. Aus heutiger Sicht verfügte es über einen spezifisch herben architektonischen Reiz.

Die neue Nutzung als „offenes Kulturhaus“ begann noch bei unverändertem Zustand des Bauwerks, doch wurde über einen geladenen Wettbewerb ein Umbauprojekt gesucht, den die Linzer Architekten Peter und Gabriele Riepl gewannen. Sie legten den Hauptzugang in die Mitte der Südfassade, nutzten den Vertikalraum des nordseitigen Lichthofs für eine attraktive Erschließung und plazierten eine großflächig verglaste Box als Medienfoyer aufs Dach.

Der als Autoparkplatz genutzte ehemalige Garten der Ursulinen konnte - mit einer Tiefgarage unterfangen - als öffentlicher Stadtraum für die Fußgänger zurückgewonnen werden. Von dieser Fläche führt nun ein schlanker Steg zum Eingang, für den nur eine einzelne Fensterbrüstung herausgebrochen wurde. Die Maßnahme bleibt subtil, an der Fassade ändert sich wenig, als Zeichen reicht der Steg aus, alle weiteren Veränderungen betreffen das Innere.

Das auf den Windfang folgende Eingangsfoyer greift ins darüberliegende Geschoß. Die herausgebrochene Decke verleiht so der neuen, quer gelegten Haupterschließung räumlichen Nachdruck. Vom Platz her kommend, führt die gerade Bewegung durch das Haus bis zur rückwärtigen Feuermauer, wo sie nach beiden Seiten rechtwinklig umgelenkt wird: zur Linken in den Lift, zur Rechten zur neuen Haupttreppe, die in zwei Absätzen das erste Obergeschoß erreicht, wo eine weitere Intervention des Architekten deutlich wird.

Der schmale, schluchtartige Innenhof wurde ausgeräumt und vom Prisma des Aufzugschachts geteilt. Die östliche Hälfte, glasüberdeckt und mit dem anschließenden Gang durch die bodeneben ausgebrochenen Fensteröffnungen verbunden, bildet eine mehrfach nutzbare Stiegenhaushalle. Sie dient als Ausstellungsraum, bildet aber auch eine Zwischenstation auf dem Weg vom Eingangsfoyer zum neuen, vor dem alten Saal liegenden kleinen Foyer im zweiten Obergeschoß. Kaskadenartig zieht sich nun die Treppe in Gegenrichtung zum ehemaligen Dachgeschoß, heute dem dritten Obergeschoß, hinauf, das neu zu einer Art offenem Zwischendeck umgeformt wurde, über dem, auf der Dachkante balancierend und fingerartig gestützt auf pyramidenförmig gespreizten Streben, die gläserne Box des Mediendecks errichtet wurde.

Dieses Mediendeck ist die augenfälligste Veränderung nach außen; seine luftig-transparente Erscheinung steht in einem ausgewogenen Spannungsverhältnis zum historischen, das Kontinuum der Fassade mit den fünf hohen Fenstern brechende Element des Saales, der mit seiner Dachkonstruktion der Attikalinie eine Erhöhung abnötigt.

Zu dem auf die Dachkante heruntergeholten Luftschloß gelangt man vom Eingangsfoyer her direkt mit dem Lift. Nach dem Ausstieg führt ein großflächig verglaster Gang nach vorn zur „Skylobby“. Der beeindruckende Ausblick fällt auf den zum Stadtraum umgeformten Parkplatz und auf ein paar bescheidene Vorstadthäuser, die nun unversehens in einen verstärkten urbanen Kontext geraten sind.

Nach Westen gleitet der Blick über das hohe Dach des alten Klosters, dessen ungewohnte Nähe angenehme Ruhe ausströmt. Hinter der am Boden, an der Front und im Dach verglasten Himmelsloggia befinden sich ein weiterer, etwas kleinerer Saal und ein Foyer. Das westliche Stiegenhaus des Altbaus, um ein Geschoß höher geführt, dient als Fluchttreppe.

Mit dem Entwurf zur Transformation des ehemaligen Schulgebäudes in eine Ausstellungs- und Produktionsstätte für Kunst ist Peter Riepl eine besondere Leistung gelungen: Wesentliche Teile des Hauses blieben in der Substanz unverändert und wurden nur an der Oberfläche erneuert. So dienen die meisten ehemaligen Klassenzimmer - nur geringfügig adaptiert - als Ateliers, als Ausstellungsräume oder, unterteilt, der Verwaltung.

Die für das nun öffentliche Gebäude wesentliche innere Erschließung mit den erforderlichen Pufferzonen, gemeinhin „Foyers“ genannt, wurde neu entwickelt und verhilft dem Kulturhaus zu spezifischer Identität. Über die Geschoße verteilt und doch in der Gebäudemitte konzentriert, zieht sich der räumlich vielgliedrige Organismus des öffentlichen Binnenraums durch das Haus wie die Höfe, Gassen und Plätze in einer Stadt, doch kommt hier die dritte Dimension dazu.

Ehemals dienenden und Resträumen hat Peter Riepl neue Qualitäten verliehen. Der schmale Hof, der früher nur die Gangfenster belichtete, wurde zu einer hohen Oberlichthalle, zu der der Gang das Verhältnis eines Seitenschiffs einnimmt. Der früher üppige Aufbau des Kaltdachs hinter den vier runden Fenstern der hohen Attikamauer wurde zum luftigen Zwischendeck mit einem seitlich geschützten, zum Himmel offenen Terrassenteil.

Die Materialien betonen den einfachen, robusten Charakter der Umbauteile: verzinkte Stahlprofile und sichtbar belassener Stahlbeton bilden das Schwergewicht. Die Feuermauer an der Rückseite zeigt in diesem Kontext ihren spezifischen Charakter. Die Schaltafeln drücken sich selbstverständlich ab, proportionieren die gut acht Meter hohe Wand und treten im Streiflicht stärker hervor. Es handelt sich um einen auf die neunziger Jahre bezogenen „béton brut“, den Le Corbusier in den Fünfzigern noch mit sägerohen Einzelbrettern erzeugt hatte.

Zur zurückhaltenden Gestaltung der allgemeinen Räume treten mehrere künstlerische Interventionen in Beziehung, die von verschiedenen Kunstschaffenden zusammen mit dem Architekten realisiert wurden. Am augenfälligsten ist die grau glänzende Graphitschicht, die Sabine Bitter und Helmut Weber auf die Fassade auftragen ließen. Sie zieht sich auch an der Hofseite um das Bauwerk herum und markiert die ehemalige Außenhaut, was besonders im Bereich der hohen Oberlichthalle zu einem spannungsvollen Spiel zwischen innen und Binnenaußenraum führt.

Robert Schuster hat die Schwellenbereiche bei Mauerdurchbrüchen mit Aluminiumtafeln versehen, auf denen Zeichen in Blindenschrift ein erhabenes Relief bilden. Mit den Jahren von den Sohlen der Besucher abgenützt, machen sie im Zuge ihres „Erblindens“ Vergänglichkeit sichtbar. Einen „Empfangsraum“ in postmodern wirkender Rustika hat Otto Mittmannsgruber im ersten Obergeschoß eingerichtet, und Johann Moser wird auf dem künftigen Platz vor dem Haus, der städtische Dimensionen gewinnt, einen solitären Flutlichtmast aufstellen.

Bei der Eröffnung diskutierten Direktoren von Kunsthallen, Architekten und eine Künstlerin über „Räume für Kunst“. Die neugeschaffene Architektur im Offenen Kulturhaus Linz, die aus einer klugen Transformation des soliden Altbestands hervorgegangen ist, macht derartige Räume mit ihrer Abfolge differenzierter Foyers über Treppen und Glasloggien auf ausgesprochen attraktive Art und Weise für Besucher und Benützerinnen zugänglich.

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