Bauwerk

Porsche Museum Zuffenhausen
DMAA - Stuttgart (D) - 2008

35 Milliarden Gramm Kosmos

Kommende Woche wird das Porsche-Museum in Stuttgart eröffnet. Die Wiener Architekten Delugan Meissl stiegen ordentlich aufs Gas.

24. Januar 2009 - Wojciech Czaja
Die Geburtsstunde von Porsche ist in wenigen Worten erklärt. „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden“, soll Ferry Porsche kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt haben, „also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ Am 8. Juni 1948 erhielt der buckelige Prototyp mit der Bezeichnung 356 Nr. 1 die Straßenzulassung und rollte hinaus auf den Asphalt.

Von Visionen gepeitscht war auch der Bau des neuen Porsche-Museums in Stuttgart Zuffenhausen. Der Vorstand wünschte sich eine unverwechselbare Visitenkarte für das Unternehmen, ein repräsentatives Flaggschiff für Zuffenhausen - und bekam es auch. Das Wiener Büro Delugan Meissl Associated Architects konnte sich im Rahmen eines europaweiten Wettbewerbs gegen insgesamt 170 Mitstreiter durchsetzen und lieferte, messerscharf zugeschnitten und kompromisslos kantig, einen weißen Tempel, in dem die herausragendsten Fahrzeuge aus sieben Jahrzehnten nun der Öffentlichkeit präsentiert werden. Kommende Woche wird eröffnet.

„Das Projekt wäre in dieser Form vor wenigen Jahren noch nicht realisierbar gewesen“, erklärt Anton Hunger, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Presse der Porsche Automobil Holding SE, „bisher fehlten die entsprechenden Werkstoffe und die technischen Grundlagen, um so ein Gebäude zu errichten.“ Allein schon die äußere Erscheinung des Baus ließe erahnen, welche enormen Herausforderungen die beteiligten Bauingenieure und Statiker bewältigen mussten.

Im Klartext: Die gesamte Halle mit 5600 Quadratmetern Ausstellungsfläche und mächtigen 35.000 Tonnen Gewicht ruht auf wenigen Stützen. Unten pfeift der Wind durch, oben werden die rollenden Karossen - im feinsten Kunstlicht drapiert - zur Schau gestellt. Die Geste ist ein architektonischer Volltreffer. „Das ist das wichtigste und größte Bauprojekt in der Geschichte des Unternehmens“, sagt Roland Delugan und stemmt dabei mit seinen beiden Armen eine luftige Wolke in den Himmel, „wir wollten diesen Umstand feiern und haben zu diesem Zweck achtzig Autos einfach in die Höhe gehoben.“ Simpel und einleuchtend: „Weg von der Erde, rauf in den Kosmos Porsche.“

Die Erlebniskomponente des Museumsbesuchs entfaltet sich bereits draußen auf dem Porscheplatz. Zum Gebäude hin ist der Platz abgesenkt, man kullert regelrecht hinein. Delugan: „Wir wollten nicht, dass die Besucher Stiegen emporsteigen und dann außer Atem im Foyer ankommen. Wir wollten, dass sie leichten Schrittes hinabgleiten.“

Ein großer Spiegel der Zeit

An der Unterseite der schwebenden Ausstellungshalle befindet sich der wohl größte Spiegel, den die Baukultur je zu Gesicht bekommen hat. Auf einer Fläche von 6000 Quadratmetern sind polierte Edelstahlplatten angebracht, in denen sich alles Irdische spiegelt: Passanten, in Beton gegossene Gitternetzlinien, wild übereinandergelegte Leuchtstreifen. Beeindruckender Blickwinkel.

„Das Schweben des Gebäudes ist Teil der Dramaturgie“, sagt Projektleiter Martin Josst, und betont, dass weder Statik noch Fassadengestaltung einfach in den Griff zu bekommen waren. Die geschuppte Fassade und der in Rauten zerlegte Spiegel am Bauch des Hauses dienen einem ganz bestimmten Zweck: „Das Gebäude bewegt sich. Je nach Anzahl der Autos und je nach Besuchermenge schwingt das letzte Stück der Auskragung um zwölf Zentimeter auf und ab. Diese Verformung muss das Gebäude aufnehmen, ohne dass es an den Fassaden zu Rissbildung kommt.“

In den Innenräumen dominiert die Farbe Weiß. Auf einer 30 Meter langen Rolltreppe sticht man hinein in den eigentlichen Hauptraum des Museums. Was außen wie eine massiv zurechtgeschnitzte Kiste ausgesehen hat, entpuppt sich innen als eckig ineinander verschlungene Spirale mit einer Weglänge von mehr als einem halben Kilometer - Rastplätze inklusive. Mittels Stufen sind die vielen unterschiedlichen Ebenen miteinander verbunden. Ein Abstecher ist jederzeit möglich.

Wände und Ausstellungselemente sind aus einem mineralischen Werkstoff gefertigt, der vor Ort zu einem monolithischen Korpus verschweißt wurde. Alles aalglatt. Auf dem Boden liegen Verbundplatten aus Glasstaub und Bindemittel. Durch die chemischen Eigenschaften ist das Material resistent gegen Gummiabrieb und Motoröl - eine Komponente, die im alltäglichen Betrieb eines Automobilmuseums nicht zu unterschätzen ist.

Doch warum Weiß? „Die Gestaltung wurde schlicht belassen, weil sich der Fokus auf die Autos richten soll“, erklärt der Stuttgarter Museumsprofi HG Merz, der für die Ausstellungsgestaltung verantwortlich zeichnet. „Es ist nicht nötig, Disneyland-Kulissen aufzustellen oder die Autos in irgendeine auffällige Architektur zu verpacken. Das macht man nur mit einem billigen Geschenk.“

Das war das Stichwort. 100 Millionen Euro ließ sich die Porsche AG ihr neues Museum kosten. „Eine Stange Geld“, wie Pressesprecher Hunger bemerkt, „doch dafür haben wir auch ein beeindruckendes Gebäude erhalten.“ Recht hat er. Delugan Meissl haben aus dem Vollen geschöpft. Eine Wucht.

Umso erstaunlicher, dass die Porsche-Leute die Gestaltung des Nobelrestaurants „Christophorus“, das direkt an die Ausstellungshalle grenzt, den eigenen Architekten wieder aus der Hand gerissen haben. Mit seinen gedengelten Messingknäufen, ziselierten Lustern und fragwürdigen Bugholzstühlen von anno dazumal wirkt das Lokal wie ein missglücktes Versatzstück aus einem Roman von Jules Verne. Oder - um in Porsche-Sprache zu sprechen: Hier prallen Kosmen aufeinander. Auf der einen Seite eine architektonische Meisterleistung, auf der anderen Seite eine Provinzposse, die einem den Appetit verdirbt.

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