Bauwerk

Wohnbau Handelskai
Ablinger, Vedral & Partner - Wien (A) - 2005
Wohnbau Handelskai, Foto: Manfred Seidl
Wohnbau Handelskai, Foto: Manfred Seidl

Über den Wellen

Der Handelskai kann ein unwirtlicher Ort sein. Doch die Architekten Ablinger, Vedral & Partner haben im Gewusel des Verkehrs einen architektonischen Impuls gesetzt.

8. Juli 2006 - Isabella Marboe
Parkdecks aus Betonfertigteilen säumen den heftig verkehrsumtobten Handelskai. Dahinter erhebt sich die Schnellbahn, die im sturen Fahrplantakt den Lärmpegel regelmäßig erhöht. Einem Gutachten zufolge halten die blau-weißen Züge hier die einsame Wiener Spitzenposition. Dass der Steg, der sich an dieser Stelle kühn über die Donau stülpt, justament Kafkas Namen trägt, gibt dem trostlosen Ort den Rest.

Für die Wohnbebauung auf der angrenzenden, 100 Meter langen Stadtparzelle wurde 1996 ein Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem die Architekten Ablinger, Vedral & Partner als Sieger hervorgingen. Mit einer gewissen Leichtigkeit entgleitet der Bau seinem übermäßig hohen, durchlässigen Sockel und gebietet der sonst eintönigen Blockrandbebauung des Handelskais städtebaulichen Einhalt.

Das fünfte Stockwerk wird zu einer Zäsur, zu einem luftigen Freigeschoß über den staubigen Niederungen des Verkehrs, um witterungsgeschützt die örtliche Gunst mit Blick aufs Wasser zu zelebrieren. Ganz oben schließlich schwebt der Maisonettentrakt leicht wie ein Flieger auf optisch zurückgenommenen Stahlbetonsäulen.

Blick auf die Stadt

Auf den weiten Terrassen, die nieselregensicher unter einem Glasvordach ansetzen, breitet sich ein exklusives Panorama aus, das die Stadt von der Donaucity-Skyline bis hin zum Millenniumstower weiträumig umspannt. Mit unterschiedlich vorgesetzten Loggien, offenen Balkonen, und horizontalgeschlitzten Lochfassaden reagiert der Wohnbau auf sein Stadtumfeld, bewältigt souverän den Lärm und schafft auf verschiedenen Innenhofniveaus geschützte Grünflächen und eine durchgängige Anbindung zum umtriebigen Straßenraum des wild befahrenen Handelskais.

In den neun Jahren vom Wettbewerb zur Realisierung erhöhten die Bauträger BWS und Domizil die geforderte Nutzflächenzahl um fast ein Fünftel auf über 20.000 Quadratmeter. Trotz verschärfter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen gelang es, die hohe Dichte und große Kubatur in vier differenziert gegliederten Baukörpern ansprechend aufzulösen und die Anlage mit 213 Wohnungen (davon 59 Maisonetten) im Niedrigenergiestandard durchlässig - und reich an Freiräumen - umzusetzen.

Partitur aus Fassaden

Jede Blockrandseite ist anders und vermittelt den Eindruck eines immer wieder neuen Hauses: An einem Eck des Handelskais sorgen offene, glasgeschuppte Parkplätze vor dem transparenten Pennymarkt für ausreichenden Durchblick sowie für Nahversorgung und Umsatz an Menschen und Gütern. Dahinter wachsen die weiß gerahmten und voll verglasten Wintergärten mit Donaublick in die Höhe. Zwischen zwei verglasten Ateliers und mächtigen, grauen Stahlbetonpfeilern lässt sich hoch überm Wasser schaukeln und saunieren. Eine kleine Stiege führt hinunter auf den offenen Laubengang, von dem man entlang des Kafkastegs direkt auf die Donauinsel radeln kann.

An einer anderen Fassade wiederum haben sich die Architekten ein Farbspiel gegönnt. L-förmige Betonfertigteile mäandern um die Loggien an der Wehlistraße und betonen das orange gestrichene Innenleben. Ein paar kreative Mieter haben dieses in der Zwischenzeit durch andere Farben bereichert. In den Eigengärten im Südwesten der neuen Wohnhausanlage wiederum wuchert Gemüse in Beeten. Der zentrale Spielplatz - abwechslungsreich und auf mehreren Niveaus gestaltet - ist ein weiteres Indiz für eine gelungene Umsetzung des mittlerweile zehn Jahre alten Wettbewerbs-Projekts.

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