Bauwerk

Museum of Contemporary Art
SANAA - New York (USA) - 2007
Museum of Contemporary Art, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Museum of Contemporary Art, Foto: Hisao Suzuki
Museum of Contemporary Art, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES
Museum of Contemporary Art, Foto: Christian Richters / ARTUR IMAGES

Hoch gestapelt im Dienst der Kunst

Der Neubau des japanischen Architekturbüros Sanaa für das New Museum in New York

Das New Museum in New York hat dreissig Jahre nach seiner Gründung ein neues Haus bezogen. Der kleine, spektakuläre Bau von Sanaa zählt zu den spannendsten Museumsneubauten der jüngsten Zeit.

7. Dezember 2007 - Hubertus Adam
Der Eklat um eine Richard-Tuttle-Ausstellung führte 1977 dazu, dass das Whitney Museum in New York die junge Kuratorin Marcia Tucker entliess. Noch im gleichen Jahr gründete sie das New Museum of Contemporary Art – und bald schon konnte die neue Institution, die ein Gegenmodell zu den behäbigen Kulturinstitutionen darstellte, eigene Räume beziehen: zunächst an der Fifth Avenue, dann am Broadway in SoHo. Die späten siebziger und die achtziger Jahre waren die grosse Zeit des neuen Hauses: Es gab noch keine Dia Art Foundation und auch kein P.S.1. Das New Museum übernahm eine Pionierrolle bei der Vermittlung von Gegenwartskunst in New York. Künstler wie John Baldessari oder Jeff Koons wurden hier vorgestellt, bevor sie zu Weltstars avancierten. Gleichzeitig förderte Tucker den theoretischen Diskurs, widmete sich dem Feminismus und unterstützte den Kampf gegen Aids.

Revitalisierung der Bowery

Vielleicht lag es an der neuen institutionellen Konkurrenz, vielleicht an der geringeren Resonanz kritischer Positionen, dass es um das New Museum allmählich ruhiger wurde. Doch die im vergangenen Jahr verstorbene Marcia Tucker leitete noch die wichtigste Entscheidung für die Zukunft des nunmehr dreissigjährigen New Museum massgeblich in die Wege, nämlich den Umzug in einen auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmten Neubau. 2002 fiel die Entscheidung, die Räume am Broadway zu verlassen und neue an der Bowery zu errichten. In einem Architekturwettbewerb unter sechs eingeladenen Büros konnte sich das in Tokio tätige Büro Sanaa gegen Abalos & Hereros, Adjaye Associates, Gigon Guyer und Reiser & Umemoto durchsetzen. Am vergangenen Wochenende konnte nun der Neubau des New Museum eingeweiht werden.

Das alte und das neue Domizil liegen zwar nur fünf Blöcke voneinander entfernt, doch SoHo und die Bowery galten lange als zwei getrennte Welten. Dass die Bowery um 1800 die vornehmste Wohngegend und die Kulturmeile der Stadt war, geriet im späten 19. Jahrhundert in Vergessenheit, als ihr die Fifth Avenue und der Broadway den Rang abliefen. Den Todesstoss versetzte dem Strassenzug ein längst demontiertes, auf Pfeilern geführtes Bahntrassee. So wurde die Bowery zum Inbegriff des Elendsviertels. Die Kehrseite der uramerikanischen Vorstellung, jeder sei seines Glückes Schmied, war hier erlebbar.

Die Nulltoleranz-Politik der Stadtverwaltung führte in jüngster Zeit dazu, dass es mittlerweile an der Bowery nicht mehr Obdachlose gibt als anderswo in New York. Etwas widerspenstig ist das Gebiet gleichwohl geblieben. Doch an der Ecke East Houston Street hat mit einem ersten Block von Luxuseigentumswohnungen das reiche Manhattan Einzug gehalten. Dieser Problemlage muss sich auch das New Museum stellen: Es kämpft mit künstlerischen Mitteln gegen Phänomene wie die Gentrifizierung – und leistet dieser doch durch seine Präsenz und durch sein Publikum Vorschub. Geht man auf der Bowery etwas nach Norden und biegt dann in die Bond Street ein, so steht man vor dem ebenfalls gerade fertig gestellten Neubau «40 Bond», den Herzog & de Meuron für Ian Schrager errichtet haben. Als Sichtschutz für die exquisiten Studiowohnungen im Erdgeschoss dienen gegossene Metallgitter, deren Form und Gestalt von Graffiti abgeleitet wurde. Subkultur ist zum Ornament erstarrt.
Vertikales Museum

Für die Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa vom Büro Sanaa bestand die Herausforderung darin, das Raumprogramm und die New Yorker Bauvorschriften in Einklang zu bringen – und das auf einer Parzelle von nur gut zwanzig Metern Breite, die rechts und links von Nachbarhäusern begrenzt ist. Die Idee eines in die Höhe sich entwickelnden Museums lag nahe, und Sanaa arbeitete mit dem Bild übereinander gestapelter Boxen. Dass der Genfer William Lescaze um 1930 für das MoMA in New York verschiedene Varianten zu einem Turm geschichteter Ausstellungssäle entworfen hatte, dürfte Sanaa kaum verborgen geblieben sein.

Das New Museum umfasst insgesamt neun Ebenen. Vom Eingangsgeschoss aus, das sich mit seiner Glasfront zur Bowery hin öffnet und neben der Kasse auch einen Bookshop, ein Café und einen rückwärtigen Ausstellungsbereich umfasst, gelangt man hinab zum Auditorium oder hinauf in die drei Galeriegeschosse. Es folgen das Education Center im vierten Obergeschoss, die Verwaltungsbereiche, ein Veranstaltungssaal mit vorgelagerten Terrassen, die einen grandiosen Blick über die Stadt bieten, und das Technikgeschoss mit den obligatorischen Wassertanks.

Das Konzept der Stapelung von Boxen mit leicht trapezoidem Grundriss bietet mehrere Vorteile. Zum einen gelingt es, ein Volumen von erheblicher Höhe in die kleinteilige Baustruktur einzupassen, zum anderen werden die unterschiedlichen Raumbereiche auch an der Fassade erkennbar – ganz abgesehen davon, dass die Idee des Setback-Hochhauses, wie sie Hugh Ferriss in den zwanziger Jahren für New York entwickelte, eine zeitgenössische Neuformulierung erfährt. Durch das schrittweise Zurückweichen der Geschosse bleibt zudem Platz für Oberlichter. Diese erhellen die sonst völlig geschlossen und künstlich beleuchteten Säle bald im Süden und im Westen, dann im Süden und im Norden und schliesslich im Osten durch natürliches Oberlicht.

Sejima und Nishizawa haben mit rauen Betonböden und weissen Wänden neutrale Ausstellungsräume geschaffen – lediglich die bunten Glasmosaikfliesen, die grellgrünen Aufzugskabinen und die mäandrierenden Vorhänge im Education Center setzen farbliche Akzente. Es ist aber wohltuend, dass die Architekten gerade nicht dem Ästhetizismus des «White Cube» huldigen, den schon Brian O'Doherty in seinem fulminanten Essay von 1976 als Strategie der Auratisierung entlarvt hatte. Alle Geschosse des Museums, bei dem es sich eigentlich eher um eine Kunsthalle handelt, sind unterschiedlich; und die Konstruktion des Stahlskelettbaus wird nicht wie anderenorts mit Gipsplatten verkleidet, sondern ist an der Decke erkennbar. Mit «Unmonumental» hat Lisa Phillips, die jetzige Kuratorin, ein adäquates Thema für die Eröffnungsausstellung gefunden. Gezeigt werden zeitgenössische Skulpturen und Installationen, die dem klassischen Ideal der Schönheit das Fragment, das Alltägliche oder den Trash entgegensetzen. Das Provisorische und Unfertige, das viele Werke aufweisen, gefällt nicht allen Besuchern, setzt aber den von Marcia Tucker begonnenen Kurs fort, Gegenpositionen zur kommerziellen Kunstmarkt-Kunst zu unterstützen, selbst auf die Gefahr hin, dass der Markt heute auch diese vereinnahmt.

Die Fassaden des New Museum sind ringsum mit einer Haut aus Aluminium-Streckmetall überzogen. Je nach Lichteinfall und nach Entfernung verändert das Gebäude somit seine Erscheinung. In diesen Dezembertagen, da der erste Schnee über der Stadt liegt, wirkt es von weitem beinahe wie eine surreale Fata Morgana; als hätten die Bauarbeiter das mit einer Plane verkleidete Gerüst nicht entfernt. Von nahem dagegen gewinnt das Volumen an Präsenz und Wucht. Kurz: Mit dem im Vorjahr eröffneten Glass Pavilion in Toledo, Ohio, und dem New Museum haben Sanaa zwei der wichtigsten zeitgenössischen Museumsbauten in den USA realisiert.

[ Die Eröffnungsausstellung «Unmonumental» dauert bis zum 23. März 2008; Katalog: $ 69.95. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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