Bauwerk

Umbau Urbanihaus
Hermann Czech - Wien (A) - 2007
Umbau Urbanihaus, Foto: Margherita Spiluttini
Umbau Urbanihaus, Foto: Margherita Spiluttini
21. Juli 2008 - Az W
Der Wiener Architekt Hermann Czech hat ein barockes Miethaus, das in seinen Fundamenten bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, in ein 9-geschossiges Einfamilienhaus umgebaut. Richtung Platz Am Hof machen sich an der Fassade des restaurierten Gebäudes kaum Modifikationen bemerkbar, dabei bedingte die neue Nutzung tiefgreifende Interventionen am Bestand. Gabriele Kaiser sprach mit Hermann Czech über das Projekt, das 2008 mit dem Wiener Stadterneuerungspreis ausgezeichnet worden war.

In welchem Zustand befand sich das Urbanihaus, als Sie mit der Planung begonnen haben?
Konstruktiv in einem sehr schlechten; es stand eher aus Gewohnheit noch. Neben erforderlichen Sanierungen bedingten die Umbauten Vorkehrungen für die Erdbebensicherheit.

Erlaubt ein solches Gebäude städtebauliche Überlegungen?
Kleinräumlich schon. Die Front ist Teil des Platzes Am Hof, an der östlichen Ecke; da ergab sich keine Änderung. Aber zur dort einmündenden Drahtgasse hin hat das Haus eine freistehende Feuermauer, seit das Nachbarhaus vor der vorigen Jahrhundertwende an zurückgesetzter Baulinie neu errichtet wurde. Die Sockelzone dieser Feuermauer wurde damals mit einer Bogenstellung verziert; jetzt wurden an dieser ehemaligen Feuermauer auch Fenster angebracht, die zum Judenplatz hin mindestens so interessante Ausblicke bieten wie die zum Platz Am Hof. Diese Wand sieht man aber eben auch vom Judenplatz. Sie sollte eine unselbständige, nichtssagende Wand bleiben; dazu musste sie aber in Kombination mit der Ziervormauerung sorgfältig überlegt werden. — Die von der Straße nicht sichtbare Aufstockung des turmartigen Hintertrakts mit Blick auf den Stephansdom, vor allem auf das riesige Dach der Kirche Am Hof kann man wohl nicht als Städtebau bezeichnen.

Welche Eigenschaften des Gebäudes haben Sie im Hinblick auf die neue Nutzung gedanklich am meisten beschäftigt?
Es war ein barockes Miethaus mit je einer Wohnung in den fünf Geschossen an einer Wendeltreppe. Die neuen Eigentümer wollten es als Stadthaus für ihre Familie nutzen. Ich warnte den Bauherrn, wenn er zu seiner Frau sagen würde: Ich gehe hinauf, würde sie fragen: wohin? Eine Hauptüberlegung war, wie die unteren Geschosse über die Wendeltreppe hinaus räumlich verbunden werden konnten.

Können Sie Ihre Überlegungen zu dieser internen Wegführung näher ausführen? Besteht nun größere Klarheit darüber, wohin „hinauf“ bedeutet?
Jetzt liegt über dem Eingang eine Art „Salon”, im 2. Stock ein Wohngeschoss mit Küche, darüber Arbeits- und Schlafräume, auch für andere Familienmitglieder und Gäste. Bis zum 2. Stock gibt es nun in verschiedener Lage offene Stiegen und Durchblicke, selbst von der Treppe in den ehemaligen Urbani-Keller aus.

Der Urbani-Keller hat ja eine 100-jährige Geschichte als Gastraum hinter sich. Strahlt er in der privaten Nutzung als Partykeller nicht etwas Geisterhaftes aus?
Ich war noch nicht bei einer Party eingeladen. Sonst schaut er aus wie ein Lokal außerhalb der Betriebszeit; es gibt ja ältere.

Haben Sie die unterschiedlichen Zeitschichten des Hauses — als Basis eigener Überlegungen — grundsätzlich gleichwertig behandelt? Also so, dass das ältere Element nicht zwangsläufig das kostbarere darstellt?
Eine erst während der Bauarbeiten entdeckte Fensterumrahmung des 14. Jahrhunderts zum Judenplatz wurde wiederverwendet; diese kleine Öffnung „stört” die Ansicht der Feuermauer noch zusätzlich. Aber das war ja zugleich billiger und einfacher. Man klassifiziert den Bestand eher nach seiner Brauchbarkeit — auch für die erzielbaren Wirkungen — als nach seinem Alter. Es ist auch selten so, dass die Erhaltung eines Elements die eines anderen zwingend ausschließt, oder dass ein räumliches Konzept ein solches Opfer erfordert und nicht daraufhin modifiziert werden kann. Grundsätzlich ist jeder Verzicht auf charakteristischen Bestand eine Verarmung.

Im 1. und 2. Stock haben Sie Querwände entfernt und zur Aussteifung eine Stahlkonstruktion eingezogen, die an der Decke räumlich wirksam wird, ohne Fremdkörper zu sein. Sie haben eine statische Maßnahme dafür genutzt, die beiden Hauptgeschosse des Vordertraktes in ihrer artikulierten Deckenuntersicht zu nobilitieren.
Jeder relevante Eingriff ist ein Fremdkörper im Verhältnis zum Bestand; es kommt auf den neuen Zusammenhang an, in dem er keiner ist. Es geht nicht darum, dass man „nichts merkt”, sondern dass etwas profundes Neues entsteht.

Liegt es nicht in der Natur des „profunden Neuen“ (als neue Quersumme aus den Anlagen des Bestands) eben nicht sofort als Neuheit ins Auge zu springen?
Nicht generell; die Quersumme kann ja auch Gegensätze beinhalten. Sicher kann man die Chronologien verschleiern: War das schon vorher? Was ist da neu gemacht worden? In einem anderen Fall kann man sagen: das ist jetzt was anderes, hier ist ein Unterschied! Es ist beides berechtigt, es kommt darauf an was mehr bringt oder auch was praktischer ist. Freilich: in einer zu Ende gedachten Denkmalpflege wird jeder Eingriff im Zurücklehnen erhaltenswert.

Die Rahmenbedingungen müssen bei diesem Projekt für Sie eigentlich optimal gewesen sein. Gab es Zwänge — seitens der Auftraggeber, seitens des Denkmalamtes —, denen Sie sich beugen mussten?
Der Raumbedarf des Benutzers, oder Vorstellungen, die aus dem Gebrauch kommen, sind ja nicht Zwänge, sondern Voraussetzungen. Kritisch wird es, wenn der Auftraggeber nicht nur weiß, w a s er will, sondern auch zu wissen meint, w i e. (Auch diese Abgrenzung kann strittig sein.) Wirklich gravierende Differenzen würden allerdings schon das Zustandekommen der Zusammenarbeit ausschließen. — Das Denkmalamt agierte sehr verständnisvoll, weil es grundsätzlich Vertrauen zu mir hatte.

Wie kam der Kontakt zwischen Ihnen und den Bauherren zustande?
Den Kontakt stellte der Statiker (Peter Kramer) her, mit dem ich früher schon zusammengearbeitet hatte und der zunächst mit der Begutachtung für die Verkäuferin beauftragt war. Er meinte dem Käufer gegenüber, dass ich der Geeignetste dafür wäre.

Im Zusammenhang mit Ihrer Architektur fallen häufig Begriffe wie „Selbstverständlichkeit“ und „Ironie“. Während eine selbstverständliche Lösung ein weitgehendes Aufgehen im Bestehenden impliziert, stellt Ironie eine gewisse Distanz zum Bestehenden her. Würden Sie dieses Denken in Ambivalenzen für Ihre Arbeit als charakteristisch bezeichnen?
Ja.

Ihr bisheriges architektonisches Werk umfasst auch zahlreiche Umbauten von hoher Komplexität. Steigen Sie gedanklich gern in „fremde“ Entscheidungsreihen ein, weil Ihnen das Vorhandene (scheinbares) Zufallsmaterial in die Hand spielt, auf das Sie kritisch aufbauen können? Sehen Sie im Umbau eine plausible Möglichkeit, eine Umgebung „so zu gestalten, als wäre sie durch Zufall entstanden“?
Aus der Formel Josef Franks, unsere Umgebung so zu gestalten, „als wäre sie durch Zufall entstanden”, folgt ja nicht, dass man zufällig vorgeht, also quasi abwartet, was herauskommt. Gerade dann erreicht man das „zufällig” erscheinende Ergebnis nicht, sondern es kommen Dinge heraus, die nach irgendwelchen Absichten ausschauen. Die Qualität, die Frank meint, ist ja eben nicht „durch Zufall” oder einen dunklen Wachstumsprozess entstanden, sondern aus den zahllosen Motiven und Entscheidungen von anderen. Die sind — wenn auch oft unvollständig und notwendigerweise sogar falsch erfasst — nachvollziehbar. Sie sind nicht irrational.

Unvollständig, vielleicht auch falsch nachvollzogen, jedenfalls gegeben. Aber woran liegt es, dass wir diese sich durch Überlagerung entstandenen Gegebenheiten als Qualität empfinden?
Sich wundern und verstehen; das sind die einander abwechselnden Schritte der Kunstwahrnehmung. Jeder Bestand liefert dafür zusätzliches Material. So kommt Max Benses „Informationsdichte” wieder zu Ehren.

(Eine Variante dieses Gesprächs ist erschienen in: Architecture Today, Nr. 189, London 2008)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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